Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.Juristische Randbemerkungen zum Fall Kotze paar Urteile, die man überhaupt darüber vernahm, beklagten einstimmig die Vor allem mochte der deutsche Leser nur geringe Neigung verspüren, sich Aber Scherz beiseite! Sagt uns denn Friedmann mit seinen überall von (juif tulsrit, Oraeodos (Is Löäitions qnorsntvs? Welche Zukunft aus den gewaltigen Wehen unsrer Tage geboren werden Juristische Randbemerkungen zum Fall Kotze paar Urteile, die man überhaupt darüber vernahm, beklagten einstimmig die Vor allem mochte der deutsche Leser nur geringe Neigung verspüren, sich Aber Scherz beiseite! Sagt uns denn Friedmann mit seinen überall von (juif tulsrit, Oraeodos (Is Löäitions qnorsntvs? Welche Zukunft aus den gewaltigen Wehen unsrer Tage geboren werden <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0024" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/223608"/> <fw type="header" place="top"> Juristische Randbemerkungen zum Fall Kotze</fw><lb/> <p xml:id="ID_44" prev="#ID_43"> paar Urteile, die man überhaupt darüber vernahm, beklagten einstimmig die<lb/> Leere und Bedeutungslosigkeit der Arbeit.</p><lb/> <p xml:id="ID_45"> Vor allem mochte der deutsche Leser nur geringe Neigung verspüren, sich<lb/> über den zweiten politischen Teil der Schrift aufzuregen, die von der Person<lb/> unsers Kaisers und der angeblichen Revolution von oben handelt, und in der<lb/> der Verfasser seine Kassandrastimme erhebt, um Deutschlands nahen Untergang<lb/> zu verkünden, den unvermeidlichen, denn, wie es zum Schluß kurz und bündig<lb/> heißt: „Das Geschick ist unversöhnlich. Es muß sich erfüllen!" Armes Deutsch¬<lb/> land! Dein Geschick ist besiegelt, Fritz Friedmann hat den Stab über deine<lb/> Zukunft gebrochen.</p><lb/> <p xml:id="ID_46"> Aber Scherz beiseite! Sagt uns denn Friedmann mit seinen überall von<lb/> der obersten Oberfläche schöpfenden Tiraden über den unerfreulichen Wirrwarr<lb/> unsrer innern Politik, über die Zerfahrenheit unsrer Parteiverhältnisse, über<lb/> das Anschwellen der sozialistischen Bewegung irgend etwas neues? Alles das<lb/> ist schon hundert- und tausendmal weit gründlicher und eindringlicher gesagt<lb/> worden als von ihm, der sich nirgend über die trivialsten Gemeinplätze erhebt.<lb/> Bemerken wir aber denn nicht auch in allen großen Kulturstaaten der Erde,<lb/> diesseits und jenseits des Meeres, in England, Amerika, Österreich, Italien,<lb/> Frankreich dieselben oder durchaus ähnliche Erscheinungen? Und sollten wir<lb/> daraus uicht schließen müssen, daß wir in ihnen allgemeine Charnkterzüae<lb/> eines ganzen Zeitalters des Übergangs zu erkennen haben und uicht bloß die<lb/> hippokratischen Züge auf dem Antlitz unsers Vaterlands, wofür sie Friedmann<lb/> ausgeben möchte? Wenn er es aber gar für angemessen hält, der Verderbt¬<lb/> heit seiner Landsgenossen sittenrichterlich den Spiegel vorzuhalten, so verspürt<lb/> man eine Regung des Unwillens, der aus der Frage des römischer? Dichters<lb/> klingt:</p><lb/> <quote> (juif tulsrit, Oraeodos (Is Löäitions qnorsntvs?</quote><lb/> <p xml:id="ID_47"> Welche Zukunft aus den gewaltigen Wehen unsrer Tage geboren werden<lb/> wird, vermag heute niemand zu ahnen, und es ist eitel Vermessenheit, einem<lb/> Lande wie Deutschland den unvermeidlichen Untergang in Blut und Flammen<lb/> zu weissagen, weil auch bei uns nicht alles so ist, wie es sein sollte, und weil<lb/> nicht alle Blütenträume des großen Jahres gereift sind. Dergleichen Prophe¬<lb/> zeiungen sind zu allen Zeiten billig wie Brombeeren gewesen- Sie werden<lb/> auch bei unsern Gegnern im Auslande vielleicht vorübergehend einige Schaden¬<lb/> freude erwecken; mehr aber gewiß nicht. Eine nachhaltige Wirkung zum<lb/> Schaden Deutschlands werden sie auch dort nicht haben- Auch im Auslande<lb/> wird man ihnen bald genug den Platz anweisen, der ihnen gebührt: in der<lb/> Klasse aller der „sensationellen" Enthüllungen nämlich, wie sie von Zeit zu<lb/> Zeit auf den Markt geworfen werden, die heute ein flüchtiges Interesse erregen<lb/> und morgen langweilig sind wie ein von irwt von gestern, und die ernst zu<lb/> nehmen keinem Politiker und keinem Geschichtsforscher je in den Sinn kommt.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0024]
Juristische Randbemerkungen zum Fall Kotze
paar Urteile, die man überhaupt darüber vernahm, beklagten einstimmig die
Leere und Bedeutungslosigkeit der Arbeit.
Vor allem mochte der deutsche Leser nur geringe Neigung verspüren, sich
über den zweiten politischen Teil der Schrift aufzuregen, die von der Person
unsers Kaisers und der angeblichen Revolution von oben handelt, und in der
der Verfasser seine Kassandrastimme erhebt, um Deutschlands nahen Untergang
zu verkünden, den unvermeidlichen, denn, wie es zum Schluß kurz und bündig
heißt: „Das Geschick ist unversöhnlich. Es muß sich erfüllen!" Armes Deutsch¬
land! Dein Geschick ist besiegelt, Fritz Friedmann hat den Stab über deine
Zukunft gebrochen.
Aber Scherz beiseite! Sagt uns denn Friedmann mit seinen überall von
der obersten Oberfläche schöpfenden Tiraden über den unerfreulichen Wirrwarr
unsrer innern Politik, über die Zerfahrenheit unsrer Parteiverhältnisse, über
das Anschwellen der sozialistischen Bewegung irgend etwas neues? Alles das
ist schon hundert- und tausendmal weit gründlicher und eindringlicher gesagt
worden als von ihm, der sich nirgend über die trivialsten Gemeinplätze erhebt.
Bemerken wir aber denn nicht auch in allen großen Kulturstaaten der Erde,
diesseits und jenseits des Meeres, in England, Amerika, Österreich, Italien,
Frankreich dieselben oder durchaus ähnliche Erscheinungen? Und sollten wir
daraus uicht schließen müssen, daß wir in ihnen allgemeine Charnkterzüae
eines ganzen Zeitalters des Übergangs zu erkennen haben und uicht bloß die
hippokratischen Züge auf dem Antlitz unsers Vaterlands, wofür sie Friedmann
ausgeben möchte? Wenn er es aber gar für angemessen hält, der Verderbt¬
heit seiner Landsgenossen sittenrichterlich den Spiegel vorzuhalten, so verspürt
man eine Regung des Unwillens, der aus der Frage des römischer? Dichters
klingt:
(juif tulsrit, Oraeodos (Is Löäitions qnorsntvs?
Welche Zukunft aus den gewaltigen Wehen unsrer Tage geboren werden
wird, vermag heute niemand zu ahnen, und es ist eitel Vermessenheit, einem
Lande wie Deutschland den unvermeidlichen Untergang in Blut und Flammen
zu weissagen, weil auch bei uns nicht alles so ist, wie es sein sollte, und weil
nicht alle Blütenträume des großen Jahres gereift sind. Dergleichen Prophe¬
zeiungen sind zu allen Zeiten billig wie Brombeeren gewesen- Sie werden
auch bei unsern Gegnern im Auslande vielleicht vorübergehend einige Schaden¬
freude erwecken; mehr aber gewiß nicht. Eine nachhaltige Wirkung zum
Schaden Deutschlands werden sie auch dort nicht haben- Auch im Auslande
wird man ihnen bald genug den Platz anweisen, der ihnen gebührt: in der
Klasse aller der „sensationellen" Enthüllungen nämlich, wie sie von Zeit zu
Zeit auf den Markt geworfen werden, die heute ein flüchtiges Interesse erregen
und morgen langweilig sind wie ein von irwt von gestern, und die ernst zu
nehmen keinem Politiker und keinem Geschichtsforscher je in den Sinn kommt.
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