Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.Die deutsche Auswanderung nach Brasilien drüben herrschenden Bedürfnisse zur Auswcmdrung geeignet erscheinen, dazu Da ist nun vor allem der immer wieder in luso-brasilischen Kreisen auf¬ Auf die Frage, welche deutschen Stämme bisher die besten Bauern hinüber¬ Ganz besonders wünschenswert wäre eine größere Beteiligung der Elite Die deutsche Auswanderung nach Brasilien drüben herrschenden Bedürfnisse zur Auswcmdrung geeignet erscheinen, dazu Da ist nun vor allem der immer wieder in luso-brasilischen Kreisen auf¬ Auf die Frage, welche deutschen Stämme bisher die besten Bauern hinüber¬ Ganz besonders wünschenswert wäre eine größere Beteiligung der Elite <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0213" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/223797"/> <fw type="header" place="top"> Die deutsche Auswanderung nach Brasilien</fw><lb/> <p xml:id="ID_626" prev="#ID_625"> drüben herrschenden Bedürfnisse zur Auswcmdrung geeignet erscheinen, dazu<lb/> ermutigt werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_627"> Da ist nun vor allem der immer wieder in luso-brasilischen Kreisen auf¬<lb/> tauchenden Anschauung entgegenzutreten, als ob der Deutsche dafür zu haben<lb/> sei, gleich dem italienischen Arbeiter in den Pflanzungen der Kaffeebarone den<lb/> Neger zu ersetzen. Abgesehen davon, daß der deutsche Bauer seiner ganzen<lb/> Art nach dem italienischen auf diesem Gebiete gar nicht gewachsen ist, ist er<lb/> auch für eine solche Kuliarbeit zu gut. Seine Stärke liegt in der Arbeit als<lb/> Kleinbauer, er will auf eignem Grund und Boden schalten und walten, wenn<lb/> er gedeihen soll, dafür richtet er sich aber auch in seiner neuen Heimat häus¬<lb/> lich ein und beeilt sich nicht, wie es der Italiener so oft thut, die ersparten<lb/> Groschen alsbald wieder aus dein Lande zu tragen. Es kommen also vor<lb/> allem die Kräfte in Betracht, die sich für eine kleinbürgerliche Besiedlung<lb/> eignen. Und da muß man den Answandrungslustigen immer wieder sagen,<lb/> daß im allgemeinen die, die sich nicht ein altes, schon ordentlich in Stand<lb/> gesetztes Gut kaufen können oder mögen, in den ersten Jahren härter und<lb/> angestrengter arbeiten müssen als in Deutschland, daß aber freilich dann auch<lb/> der Lohn für Mühe und Arbeit viel größer ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_628"> Auf die Frage, welche deutschen Stämme bisher die besten Bauern hinüber¬<lb/> geschickt haben, läßt sich bei dem Mangel zuverlässiger statistischer Beobachtungen<lb/> schwer antworten. Förster in seinem bekannten Buche „Die Deutschen im<lb/> brasilischen Urwald" meint, die Norddeutschen, namentlich die Pommern und<lb/> Mecklenburger, gälten als die tüchtigsten unter den Kolonisten, von den Badnern,<lb/> Rheinländern und Deutschtirolern halte man etwas weniger. Es könnte auf¬<lb/> fallen, daß der Schwaben keine Erwähnung geschieht, die doch sonst überall<lb/> als Pioniere des Deutschtums mit voran sind. Aber der schwäbische Bauer<lb/> und Handwerker ist in Südamerika nicht entfernt in solcher Menge anzutreffen<lb/> wie in den Vereinigten Staaten Nordamerikas. Wohl giebt es in Parana<lb/> „Russen"kolouien, wo die aus ihren frühern Niederlassungen in Nußland auf-<lb/> gezognen Schwaben in altgewohnter Weise ihre saubern Häuser eng zusammen¬<lb/> gerückt haben zu behäbigen Marktflecken, und auch sonst leben Schwaben als<lb/> Kolonisten, Handwerker, Geistliche und Lehrer in allen drei Südstaaten — wo<lb/> auf dem Globus wäre nicht bei näherm Nachsehen ein „Böbliuger" zu finden? —,<lb/> aber der Bedeutung entsprechend, die der Schwabe, namentlich der Altwürttem-<lb/> berger, sonst in der Kolonisation beanspruchen kann, ist er nicht vertreten.<lb/> Doch wird unter den günstigen neuen Verhältnissen sicher auch in dem mit<lb/> so vielen Answandrungslustigen gesegneten Württemberg die Answandrnng nach<lb/> Südbrasilien zunehmen.</p><lb/> <p xml:id="ID_629" next="#ID_630"> Ganz besonders wünschenswert wäre eine größere Beteiligung der Elite<lb/> des schwäbischen Kleinbauerntnms, des Weingärtnerstandes. Jahraus jahrein<lb/> läßt sich der schwäbische „Wingerter" die sauerste Mühe nicht verdrießen, er</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0213]
Die deutsche Auswanderung nach Brasilien
drüben herrschenden Bedürfnisse zur Auswcmdrung geeignet erscheinen, dazu
ermutigt werden.
Da ist nun vor allem der immer wieder in luso-brasilischen Kreisen auf¬
tauchenden Anschauung entgegenzutreten, als ob der Deutsche dafür zu haben
sei, gleich dem italienischen Arbeiter in den Pflanzungen der Kaffeebarone den
Neger zu ersetzen. Abgesehen davon, daß der deutsche Bauer seiner ganzen
Art nach dem italienischen auf diesem Gebiete gar nicht gewachsen ist, ist er
auch für eine solche Kuliarbeit zu gut. Seine Stärke liegt in der Arbeit als
Kleinbauer, er will auf eignem Grund und Boden schalten und walten, wenn
er gedeihen soll, dafür richtet er sich aber auch in seiner neuen Heimat häus¬
lich ein und beeilt sich nicht, wie es der Italiener so oft thut, die ersparten
Groschen alsbald wieder aus dein Lande zu tragen. Es kommen also vor
allem die Kräfte in Betracht, die sich für eine kleinbürgerliche Besiedlung
eignen. Und da muß man den Answandrungslustigen immer wieder sagen,
daß im allgemeinen die, die sich nicht ein altes, schon ordentlich in Stand
gesetztes Gut kaufen können oder mögen, in den ersten Jahren härter und
angestrengter arbeiten müssen als in Deutschland, daß aber freilich dann auch
der Lohn für Mühe und Arbeit viel größer ist.
Auf die Frage, welche deutschen Stämme bisher die besten Bauern hinüber¬
geschickt haben, läßt sich bei dem Mangel zuverlässiger statistischer Beobachtungen
schwer antworten. Förster in seinem bekannten Buche „Die Deutschen im
brasilischen Urwald" meint, die Norddeutschen, namentlich die Pommern und
Mecklenburger, gälten als die tüchtigsten unter den Kolonisten, von den Badnern,
Rheinländern und Deutschtirolern halte man etwas weniger. Es könnte auf¬
fallen, daß der Schwaben keine Erwähnung geschieht, die doch sonst überall
als Pioniere des Deutschtums mit voran sind. Aber der schwäbische Bauer
und Handwerker ist in Südamerika nicht entfernt in solcher Menge anzutreffen
wie in den Vereinigten Staaten Nordamerikas. Wohl giebt es in Parana
„Russen"kolouien, wo die aus ihren frühern Niederlassungen in Nußland auf-
gezognen Schwaben in altgewohnter Weise ihre saubern Häuser eng zusammen¬
gerückt haben zu behäbigen Marktflecken, und auch sonst leben Schwaben als
Kolonisten, Handwerker, Geistliche und Lehrer in allen drei Südstaaten — wo
auf dem Globus wäre nicht bei näherm Nachsehen ein „Böbliuger" zu finden? —,
aber der Bedeutung entsprechend, die der Schwabe, namentlich der Altwürttem-
berger, sonst in der Kolonisation beanspruchen kann, ist er nicht vertreten.
Doch wird unter den günstigen neuen Verhältnissen sicher auch in dem mit
so vielen Answandrungslustigen gesegneten Württemberg die Answandrnng nach
Südbrasilien zunehmen.
Ganz besonders wünschenswert wäre eine größere Beteiligung der Elite
des schwäbischen Kleinbauerntnms, des Weingärtnerstandes. Jahraus jahrein
läßt sich der schwäbische „Wingerter" die sauerste Mühe nicht verdrießen, er
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