Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.Die englischen Geiverkvereine nicht auf freie Hilfskassen legt; ohne die politische Agitation, die anfänglich Was die Ausdehnung der Gewerkvereine anlangt, so wird durch die Die englischen Geiverkvereine nicht auf freie Hilfskassen legt; ohne die politische Agitation, die anfänglich Was die Ausdehnung der Gewerkvereine anlangt, so wird durch die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0179" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/223763"/> <fw type="header" place="top"> Die englischen Geiverkvereine</fw><lb/> <p xml:id="ID_516" prev="#ID_515"> nicht auf freie Hilfskassen legt; ohne die politische Agitation, die anfänglich<lb/> mehr von der liberalen Partei als von den Arbeitern geleistet wurde, hätten<lb/> diese nicht einmal die gesetzliche Grundlage für ihre Gewerkschaftsthätigkeit ge¬<lb/> winnen können, und daß diese uur einem Teile der Arbeiterschaft eine Hilfe<lb/> von sehr fraglicher Dauer und Zuverlässigkeit gebracht hat, wird allgemein<lb/> anerkannt. Übrigens würden die deutschen Arbeiter, wenn sie sich auf die Ge¬<lb/> werkschaftsbewegung beschränken wollten, nicht einmal das leisten können, was<lb/> die englischen Tradeunionisten geleistet haben, weil ihnen deren Bewegungs¬<lb/> freiheit fehlt.</p><lb/> <p xml:id="ID_517" next="#ID_518"> Was die Ausdehnung der Gewerkvereine anlangt, so wird durch die<lb/> in diesem Buche gegebne Statistik die bei uns verbreitete Schützung bestätigt.<lb/> Von den neun Millionen über einundzwanzig Jahre alten Menschen, die Eng¬<lb/> land zählt, gehören etwa sieben Millionen der Handarbciterklasfe ein, und<lb/> von diesen sieben Millionen sind anderthalb Millionen Gewerkvereinsmit-<lb/> glieder. Wenn sich diese anderthalb Millionen heißt, es Seite 365, „zu gleichen<lb/> Teilen auf alle Geschäftszweige und Grafschaften verteilten, so würde eine<lb/> Bewegung, die zwanzig Prozent der Arbeiter umfaßt, von geringer wirtschaft¬<lb/> licher und politischer Bedeutung sein. Was der Gewerkschaftsbewegung ihre<lb/> Bedeutung giebt, ist, daß die Gewerkschaftler in gewissen Industrien ^und zwar<lb/> gerade in den wichtigsten^ und Grafschaften die überwiegende Mehrzahl bilden<lb/> und dadurch die Arbeiterwelt beherrschen." Nach Ansicht der Verfasser wie<lb/> nach Ansicht der Arbeiterführer soll die Organisation die Regierung in allen<lb/> die Arbeiter, also die Mehrheit des Volkes betreffenden Fragen, die ja den Haupt¬<lb/> inhalt der Politik bilden, kräftig beeinflussen. Dieser gewaltigen Aufgabe<lb/> gegenüber aber, meinen die Verfasser, müsse das Hauptorgan, das parla¬<lb/> mentarische Gewerkschaftskomitee, lächerlich unzulänglich genannt werden. Die<lb/> Hauptarbeit würde im Parlament, durch Bearbeitung der Unterhausmitglieder<lb/> und der Münster, zu leisten sein; aber die Komiteemitglieder sind durch eine<lb/> erdrückende Arbeitslast an ihre Standquartiere in den Provinzen gefesselt und<lb/> bringen nur etwa fünfzehn bis zwanzig Tage in London zu, wobei sie noch die<lb/> Reise dahin als einen Erholungsausflug zu betrachten pflegen. Ob Sidney<lb/> und Beatrice Webb glauben, daß die Gewerkvereine für England die soziale<lb/> Frage losen werden, verraten sie uns in dem vorliegenden Buche nicht; vielleicht<lb/> geschieht es in einem zweiten, das sie versprechen, und vielleicht geben sie<lb/> darin auch den Weg zum großen Ziele an. Einige positive Ergebnisse der<lb/> Gewerkvereinsbewegung dürften für immer gesichert sein. Es wird in Zu¬<lb/> kunft nicht mehr möglich sein, an Arbeiterkindern massenhaft und straflos Grau-<lb/> samkeiten zu verüben, wie sie bei Beginn des Jahrhunderts verübt worden<lb/> sind. Es wird nicht mehr möglich sein, die Arbeiteraristokratie aus der ge¬<lb/> sellschaftlichen Stellung zu verdrängen, die sie sich errungen hat. Es wird<lb/> nicht mehr möglich sein, die Arbeiterschaft im ganzen in die Stellung hinab-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0179]
Die englischen Geiverkvereine
nicht auf freie Hilfskassen legt; ohne die politische Agitation, die anfänglich
mehr von der liberalen Partei als von den Arbeitern geleistet wurde, hätten
diese nicht einmal die gesetzliche Grundlage für ihre Gewerkschaftsthätigkeit ge¬
winnen können, und daß diese uur einem Teile der Arbeiterschaft eine Hilfe
von sehr fraglicher Dauer und Zuverlässigkeit gebracht hat, wird allgemein
anerkannt. Übrigens würden die deutschen Arbeiter, wenn sie sich auf die Ge¬
werkschaftsbewegung beschränken wollten, nicht einmal das leisten können, was
die englischen Tradeunionisten geleistet haben, weil ihnen deren Bewegungs¬
freiheit fehlt.
Was die Ausdehnung der Gewerkvereine anlangt, so wird durch die
in diesem Buche gegebne Statistik die bei uns verbreitete Schützung bestätigt.
Von den neun Millionen über einundzwanzig Jahre alten Menschen, die Eng¬
land zählt, gehören etwa sieben Millionen der Handarbciterklasfe ein, und
von diesen sieben Millionen sind anderthalb Millionen Gewerkvereinsmit-
glieder. Wenn sich diese anderthalb Millionen heißt, es Seite 365, „zu gleichen
Teilen auf alle Geschäftszweige und Grafschaften verteilten, so würde eine
Bewegung, die zwanzig Prozent der Arbeiter umfaßt, von geringer wirtschaft¬
licher und politischer Bedeutung sein. Was der Gewerkschaftsbewegung ihre
Bedeutung giebt, ist, daß die Gewerkschaftler in gewissen Industrien ^und zwar
gerade in den wichtigsten^ und Grafschaften die überwiegende Mehrzahl bilden
und dadurch die Arbeiterwelt beherrschen." Nach Ansicht der Verfasser wie
nach Ansicht der Arbeiterführer soll die Organisation die Regierung in allen
die Arbeiter, also die Mehrheit des Volkes betreffenden Fragen, die ja den Haupt¬
inhalt der Politik bilden, kräftig beeinflussen. Dieser gewaltigen Aufgabe
gegenüber aber, meinen die Verfasser, müsse das Hauptorgan, das parla¬
mentarische Gewerkschaftskomitee, lächerlich unzulänglich genannt werden. Die
Hauptarbeit würde im Parlament, durch Bearbeitung der Unterhausmitglieder
und der Münster, zu leisten sein; aber die Komiteemitglieder sind durch eine
erdrückende Arbeitslast an ihre Standquartiere in den Provinzen gefesselt und
bringen nur etwa fünfzehn bis zwanzig Tage in London zu, wobei sie noch die
Reise dahin als einen Erholungsausflug zu betrachten pflegen. Ob Sidney
und Beatrice Webb glauben, daß die Gewerkvereine für England die soziale
Frage losen werden, verraten sie uns in dem vorliegenden Buche nicht; vielleicht
geschieht es in einem zweiten, das sie versprechen, und vielleicht geben sie
darin auch den Weg zum großen Ziele an. Einige positive Ergebnisse der
Gewerkvereinsbewegung dürften für immer gesichert sein. Es wird in Zu¬
kunft nicht mehr möglich sein, an Arbeiterkindern massenhaft und straflos Grau-
samkeiten zu verüben, wie sie bei Beginn des Jahrhunderts verübt worden
sind. Es wird nicht mehr möglich sein, die Arbeiteraristokratie aus der ge¬
sellschaftlichen Stellung zu verdrängen, die sie sich errungen hat. Es wird
nicht mehr möglich sein, die Arbeiterschaft im ganzen in die Stellung hinab-
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