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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.

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Die englischen Gewerkvereine

zudrücken, die ihr ältere Gesetze schon durch die Überschrift des einen: inaswrs
-ma Lsivg.mes angewiesen hatten, und die Unternehmer werden es sich in aller
Zukunft gefallen lassen müssen, die Lohnarbeiter als gleich berechtigte Ver¬
tragschließende anzuerkennen. Zwar führen ihre Organe auch heute noch
zuweilen eine Sprache, wie sie gewissen deutscheu Unternehmerorganen geläufig
ist, klagen über die Unbotmüßigkeit der Arbeiter, über die unerträgliche
Tyrannei ihrer Vereine und über den Unverstand, mit dem sie angeblich an
dem Ruin der englischen Industrie arbeiten, aber um eine grundsätzliche
Änderung der einmal eingenommenen gegenseitigen Stellung herbeizuführen,
dazu reicht doch die Macht einzelner Unternehmer gegenüber ihren anders¬
gesinnten Kollege" und einer öffentlichen Meinung nicht hin, die von den
nrbeiterfrcuudlichen, zum Teil mit sozialistischen Geiste erfüllten akademisch
Gebildeten geleitet wird. Niemals auch wird es in Zukunft den Arbeitern
an gebildeten Kameraden fehlen, die imstande sind, ihren Genossen verständige
Ratschläge zu geben, Vereine zu organisiren und zu leiten, und der Staat endlich
wird sich kaum noch einmal der Verpflichtung entziehen, soziale Übelstünde
nach Kräften zu bekämpfen. Ob aber mit alledem die Aufgabe wird gelöst
werden können, einer stetig wachsenden Menschenzahl ein menschenwürdiges
Dasein zu sichern, das, wie gesagt, ist die große Frage der Zukunft.

Die Übersetzung des Buches ist sinngetreu, aber leider auch wortgetreu.
Es war überflüssig, alle die lächerlich geschraubten und stelzenden Redensarten
wörtlich zu übersetzen, die in England von den Staatsmännern zur Ver¬
hüllung der Gedanken und von den Humoristen zur Erzielung von Witzeffekten
erfunden worden sind, und die nun anch den Stil der Nichtstaatsmänner und
NichtHumoristen verunzieren. Wo wir Deutschen sagen würden: man kann die
Dienste dieser Herren ^ es ist vou vier Christlich-sozialen die Rede -- nicht
leicht zu hoch anschlagen, heißt es hier auf Seite 216: "es würde schwer
halten, die Dienste... zu übertreiben." O, das hält gar nicht schwer; man
braucht bloß zu sagen, sie hätten die Gewerkvereine geschaffen, was eine Lüge
und eine Übertreibung sein würde. Auf Seite 240 finden wir den "obern
und den niederen fötale unteren^ Mühlstein," und so noch manche andre
ungeschickte Verdeutschung. Die Anmerkungen, die E. Bernstein beigefügt hat,
sind wertvoll und zum Teil für das Verständnis notwendig.




Die englischen Gewerkvereine

zudrücken, die ihr ältere Gesetze schon durch die Überschrift des einen: inaswrs
-ma Lsivg.mes angewiesen hatten, und die Unternehmer werden es sich in aller
Zukunft gefallen lassen müssen, die Lohnarbeiter als gleich berechtigte Ver¬
tragschließende anzuerkennen. Zwar führen ihre Organe auch heute noch
zuweilen eine Sprache, wie sie gewissen deutscheu Unternehmerorganen geläufig
ist, klagen über die Unbotmüßigkeit der Arbeiter, über die unerträgliche
Tyrannei ihrer Vereine und über den Unverstand, mit dem sie angeblich an
dem Ruin der englischen Industrie arbeiten, aber um eine grundsätzliche
Änderung der einmal eingenommenen gegenseitigen Stellung herbeizuführen,
dazu reicht doch die Macht einzelner Unternehmer gegenüber ihren anders¬
gesinnten Kollege» und einer öffentlichen Meinung nicht hin, die von den
nrbeiterfrcuudlichen, zum Teil mit sozialistischen Geiste erfüllten akademisch
Gebildeten geleitet wird. Niemals auch wird es in Zukunft den Arbeitern
an gebildeten Kameraden fehlen, die imstande sind, ihren Genossen verständige
Ratschläge zu geben, Vereine zu organisiren und zu leiten, und der Staat endlich
wird sich kaum noch einmal der Verpflichtung entziehen, soziale Übelstünde
nach Kräften zu bekämpfen. Ob aber mit alledem die Aufgabe wird gelöst
werden können, einer stetig wachsenden Menschenzahl ein menschenwürdiges
Dasein zu sichern, das, wie gesagt, ist die große Frage der Zukunft.

Die Übersetzung des Buches ist sinngetreu, aber leider auch wortgetreu.
Es war überflüssig, alle die lächerlich geschraubten und stelzenden Redensarten
wörtlich zu übersetzen, die in England von den Staatsmännern zur Ver¬
hüllung der Gedanken und von den Humoristen zur Erzielung von Witzeffekten
erfunden worden sind, und die nun anch den Stil der Nichtstaatsmänner und
NichtHumoristen verunzieren. Wo wir Deutschen sagen würden: man kann die
Dienste dieser Herren ^ es ist vou vier Christlich-sozialen die Rede — nicht
leicht zu hoch anschlagen, heißt es hier auf Seite 216: „es würde schwer
halten, die Dienste... zu übertreiben." O, das hält gar nicht schwer; man
braucht bloß zu sagen, sie hätten die Gewerkvereine geschaffen, was eine Lüge
und eine Übertreibung sein würde. Auf Seite 240 finden wir den „obern
und den niederen fötale unteren^ Mühlstein," und so noch manche andre
ungeschickte Verdeutschung. Die Anmerkungen, die E. Bernstein beigefügt hat,
sind wertvoll und zum Teil für das Verständnis notwendig.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_223583/180>, abgerufen am 06.01.2025.