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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.

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Manöverbetrachtungen

Feindes hat. Bei der Überbringung dieser Nachrichten spielt der Telegraph
eine große Rolle, und wo er -- in Feindesland -- abgerissen ist oder -- im
Manöver -- nicht mehr gebraucht werden darf, tritt an seine Stelle das
Relais, über dessen zweckmäßige Aufstellung sich ein ganzes Kapitel schreiben ließe.

Nicht minder wichtig als vor dem Gefecht ist die Aufklärung während
des Kampfes. Wenn es vorkommt, daß die Avantgarde der Nachbardivision für
ein feindliches Detachement gehalten wird, daß ein Artillerieregiment eine
halbe Stunde lang die eigne Korpsartillerie befeuert, und eine Division in
der Marschkolonne unvermutet in feindliches Artillerie- und Jnfcmteriefeuer
gerät, so siud das Fehler der aufklärenden Kavallerie, denn sie muß dafür
sorgen, daß die ihrem Schutz anvertraute Truppe vor derartigen Zweifeln und
Überraschungen bewahrt bleibe. Auch den Abzug des Feindes rechtzeitig fest¬
zustellen, gehört zu ihren Pflichten; es muß das geschehen, ehe er sich der
eignen Waffenwirkung entzogen hat, und es wurde sehr geschickt dadurch er¬
reicht, daß überall da, wo es das Gelände irgend gestattete, kleine Abteilungen
in Front und Flanken vorgeschoben wurden mit der besondern Aufgabe, die
Fühlung am Feinde zu halten und einen etwaigen Abzug durch eigne Gefechts¬
relais der Truppe bekannt zu machen.

Bei der Infanterie trat sehr erfreulicherweise mehr als in frühern Jahren
das Bestreben hervor, den Angriff einheitlich zu gestalten. Die meisten Ver¬
luste in den letzten Feldzügen sind bekanntlich durch das zersplitterte Ein¬
greifen der Kräfte verursacht worden, indem jede Truppe, sowie sie auf dem
Schlachtfeld erschien, auf den Punkt geschickt wurde, wo es gerade am meisten
not that. Mit Recht betonen daher das Reglement sowohl wie alle Lehrer
der modernen Taktik den Grundsatz der einheitlichen Krüfteverwendung im
Rahmen einer sachgemäßen Gliederung. In der Benutzung des wechselreichen
und schwierigen Geländes wurde ausgezeichnetes geleistet, was besonders
um deswillen hervorgehoben zu werden verdient, weil es das Ergebnis einer
ungemein sorgfältigen und mühevollen Einzelausbildung ist.

Ein gutes Zeichen für das allgemein empfundne Streben nach vorwärts,
aber darum doch nicht unbedingt zu billigen, war der allzu schnelle Verlauf
mancher Angriffsbewegungen; auch schien man hie und da von der Wirkung
des Stoßes geschlossener Abteilungen eine zu hohe Meinung zu haben. Der
Angriff kann doch nur gelingen, wenn er durch Feuer hinlänglich vorbereitet
ist, und um das zu erreichen, ist eine starke Schützenentwicklung notwendig;
wird diese zu schwach bemessen und infolgedessen die Feuervorbereitung unvoll¬
kommen, so können die stärksten Reserven und das schneidigste Vorwärtsgehen
das Scheitern des Angriffs nicht hindern.

Noch wichtiger ist es, der Artillerie Zeit zur Vorbereitung des Angriffs
zu lassen, da die Infanterie sie heutzutage nicht mehr entbehren kann; erst wenn
die feindlichen Geschütze zum Schweigen gebracht sind, und die eigne Artillerie


Manöverbetrachtungen

Feindes hat. Bei der Überbringung dieser Nachrichten spielt der Telegraph
eine große Rolle, und wo er — in Feindesland — abgerissen ist oder — im
Manöver — nicht mehr gebraucht werden darf, tritt an seine Stelle das
Relais, über dessen zweckmäßige Aufstellung sich ein ganzes Kapitel schreiben ließe.

Nicht minder wichtig als vor dem Gefecht ist die Aufklärung während
des Kampfes. Wenn es vorkommt, daß die Avantgarde der Nachbardivision für
ein feindliches Detachement gehalten wird, daß ein Artillerieregiment eine
halbe Stunde lang die eigne Korpsartillerie befeuert, und eine Division in
der Marschkolonne unvermutet in feindliches Artillerie- und Jnfcmteriefeuer
gerät, so siud das Fehler der aufklärenden Kavallerie, denn sie muß dafür
sorgen, daß die ihrem Schutz anvertraute Truppe vor derartigen Zweifeln und
Überraschungen bewahrt bleibe. Auch den Abzug des Feindes rechtzeitig fest¬
zustellen, gehört zu ihren Pflichten; es muß das geschehen, ehe er sich der
eignen Waffenwirkung entzogen hat, und es wurde sehr geschickt dadurch er¬
reicht, daß überall da, wo es das Gelände irgend gestattete, kleine Abteilungen
in Front und Flanken vorgeschoben wurden mit der besondern Aufgabe, die
Fühlung am Feinde zu halten und einen etwaigen Abzug durch eigne Gefechts¬
relais der Truppe bekannt zu machen.

Bei der Infanterie trat sehr erfreulicherweise mehr als in frühern Jahren
das Bestreben hervor, den Angriff einheitlich zu gestalten. Die meisten Ver¬
luste in den letzten Feldzügen sind bekanntlich durch das zersplitterte Ein¬
greifen der Kräfte verursacht worden, indem jede Truppe, sowie sie auf dem
Schlachtfeld erschien, auf den Punkt geschickt wurde, wo es gerade am meisten
not that. Mit Recht betonen daher das Reglement sowohl wie alle Lehrer
der modernen Taktik den Grundsatz der einheitlichen Krüfteverwendung im
Rahmen einer sachgemäßen Gliederung. In der Benutzung des wechselreichen
und schwierigen Geländes wurde ausgezeichnetes geleistet, was besonders
um deswillen hervorgehoben zu werden verdient, weil es das Ergebnis einer
ungemein sorgfältigen und mühevollen Einzelausbildung ist.

Ein gutes Zeichen für das allgemein empfundne Streben nach vorwärts,
aber darum doch nicht unbedingt zu billigen, war der allzu schnelle Verlauf
mancher Angriffsbewegungen; auch schien man hie und da von der Wirkung
des Stoßes geschlossener Abteilungen eine zu hohe Meinung zu haben. Der
Angriff kann doch nur gelingen, wenn er durch Feuer hinlänglich vorbereitet
ist, und um das zu erreichen, ist eine starke Schützenentwicklung notwendig;
wird diese zu schwach bemessen und infolgedessen die Feuervorbereitung unvoll¬
kommen, so können die stärksten Reserven und das schneidigste Vorwärtsgehen
das Scheitern des Angriffs nicht hindern.

Noch wichtiger ist es, der Artillerie Zeit zur Vorbereitung des Angriffs
zu lassen, da die Infanterie sie heutzutage nicht mehr entbehren kann; erst wenn
die feindlichen Geschütze zum Schweigen gebracht sind, und die eigne Artillerie


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[0150] Manöverbetrachtungen Feindes hat. Bei der Überbringung dieser Nachrichten spielt der Telegraph eine große Rolle, und wo er — in Feindesland — abgerissen ist oder — im Manöver — nicht mehr gebraucht werden darf, tritt an seine Stelle das Relais, über dessen zweckmäßige Aufstellung sich ein ganzes Kapitel schreiben ließe. Nicht minder wichtig als vor dem Gefecht ist die Aufklärung während des Kampfes. Wenn es vorkommt, daß die Avantgarde der Nachbardivision für ein feindliches Detachement gehalten wird, daß ein Artillerieregiment eine halbe Stunde lang die eigne Korpsartillerie befeuert, und eine Division in der Marschkolonne unvermutet in feindliches Artillerie- und Jnfcmteriefeuer gerät, so siud das Fehler der aufklärenden Kavallerie, denn sie muß dafür sorgen, daß die ihrem Schutz anvertraute Truppe vor derartigen Zweifeln und Überraschungen bewahrt bleibe. Auch den Abzug des Feindes rechtzeitig fest¬ zustellen, gehört zu ihren Pflichten; es muß das geschehen, ehe er sich der eignen Waffenwirkung entzogen hat, und es wurde sehr geschickt dadurch er¬ reicht, daß überall da, wo es das Gelände irgend gestattete, kleine Abteilungen in Front und Flanken vorgeschoben wurden mit der besondern Aufgabe, die Fühlung am Feinde zu halten und einen etwaigen Abzug durch eigne Gefechts¬ relais der Truppe bekannt zu machen. Bei der Infanterie trat sehr erfreulicherweise mehr als in frühern Jahren das Bestreben hervor, den Angriff einheitlich zu gestalten. Die meisten Ver¬ luste in den letzten Feldzügen sind bekanntlich durch das zersplitterte Ein¬ greifen der Kräfte verursacht worden, indem jede Truppe, sowie sie auf dem Schlachtfeld erschien, auf den Punkt geschickt wurde, wo es gerade am meisten not that. Mit Recht betonen daher das Reglement sowohl wie alle Lehrer der modernen Taktik den Grundsatz der einheitlichen Krüfteverwendung im Rahmen einer sachgemäßen Gliederung. In der Benutzung des wechselreichen und schwierigen Geländes wurde ausgezeichnetes geleistet, was besonders um deswillen hervorgehoben zu werden verdient, weil es das Ergebnis einer ungemein sorgfältigen und mühevollen Einzelausbildung ist. Ein gutes Zeichen für das allgemein empfundne Streben nach vorwärts, aber darum doch nicht unbedingt zu billigen, war der allzu schnelle Verlauf mancher Angriffsbewegungen; auch schien man hie und da von der Wirkung des Stoßes geschlossener Abteilungen eine zu hohe Meinung zu haben. Der Angriff kann doch nur gelingen, wenn er durch Feuer hinlänglich vorbereitet ist, und um das zu erreichen, ist eine starke Schützenentwicklung notwendig; wird diese zu schwach bemessen und infolgedessen die Feuervorbereitung unvoll¬ kommen, so können die stärksten Reserven und das schneidigste Vorwärtsgehen das Scheitern des Angriffs nicht hindern. Noch wichtiger ist es, der Artillerie Zeit zur Vorbereitung des Angriffs zu lassen, da die Infanterie sie heutzutage nicht mehr entbehren kann; erst wenn die feindlichen Geschütze zum Schweigen gebracht sind, und die eigne Artillerie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_223583/150>, abgerufen am 08.01.2025.