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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.

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Manöverbetrachtungen

ihr Feuer auf die feindliche Infanterie richtet, kaun ihr Angriff vorwärts
schreiten. So schwer sich nun auch solches Ineinandergreifen im Manöver
zur Darstellung bringen läßt, so sehr verdient es doch im Hinblick auf den
Ernstfall beachtet zu werden. Im übrigen waren die Leistungen der Artillerie
musterhaft, das Einnehmen der Feuerstellung geschah sicher und gewandt, bei
trefflicher Ausnutzung der Deckungen, und selbst der durchweichteste Sturzäcker
bot dem Vorwärtskommen kein Hindernis.

Die Artillerie hat sich ohne Frage im letzten Jahrzehnt außerordentlich
vervollkommnet, sie ist sehr viel gewandter und beweglicher geworden, und es
ist zu wünschen, daß ihre Schießergebnisse, die sich ja hier nicht feststellen ließen,
mit diesen Fortschritten gleichen Schritt gehalten haben.

Große Aufmerksamkeit erregten wieder die Ballons der Luftschifferabteilung,
die beiden Parteien zugewiesen waren. Es ist wohl noch nicht an der Zeit,
über ihre Verwendbarkeit im Feldkriege ein abschließendes Urteil zu fällen, aber
man wird sich trotz der Wahrscheinlichkeit späterer Vervollkommnungen bereits
sagen dürfen, daß sie in erster Linie dem Festungskrieg dienen. Ganz abgesehen
davon, daß es schon recht günstiger Witterungsverhältnisse bedarf, um über¬
haupt eine genügende Übersicht zu ermöglichen, ist doch die Anmarschrichtung
dein Feinde sofort aufs deutlichste klar, sobald der Ballon bei der Avantgarde
in die Luft steigt. Auf den Ballon zu schießen ist unsers Wissens bisher
noch nicht versucht worden, doch dürfte es nicht schwer sein, ihn mit Schrap¬
nels zu treffen, solange er sich unter 1500 Metern hält.

Ausgedehnte Verwendung hat auch in diesem Manöver wieder das Fahr¬
rad gefunden, es hat sich hoffentlich nun endgiltig Bahn gebrochen. Bisher
ist nämlich die Militärverwaltung mit der Beschaffung von Fahrrädern äußerst
sparsam vorgegangen, immer sind Privaträder mit benutzt worden. Zum
erstenmal in diesem Jahre siud ganze Detachements von Radiern zusammen¬
gestellt worden, die zur Besetzung vorgeschobner Posten weit vorausgeschickt
wurden und sich sehr gut bewährt haben sollen. Der Meldedienst wurde
vielfach durch Radfahrer versehen, was hier von besondrer Wichtigkeit war,
da keines der an den Manövern beteiligten Korps schon über Meldereiter-
detachcments verfügt.

Bei so großen Truppenmassen, die auf engem Raum zusammenstehen,
macht die Nachführung der Bagage und die rechtzeitige Heranschaffung der
Verpflegung und Biwaksbedürfnisse ungeheure Schwierigkeiten, und es verdient
besonders hervorgehoben zu werden, daß alles vorzüglich "klappte." Unmittelbar
nachdem der Biwaksplatz bestimmt ist, entsendet jeder Truppenteil einen Offizier
nach dem Ort, wo die Bagage parkirt, mit dem Auftrage, sie möglichst
schnell auf dem kürzesten Wege heraufzuführen. Es ist erstaunlich, wie schnell
das geht; trotz der großen Wagcnmengen und der häufig noch durch Privat-
fnhrwerk stark besetzten Straßen langte die Bagage meist mit den Truppen


Manöverbetrachtungen

ihr Feuer auf die feindliche Infanterie richtet, kaun ihr Angriff vorwärts
schreiten. So schwer sich nun auch solches Ineinandergreifen im Manöver
zur Darstellung bringen läßt, so sehr verdient es doch im Hinblick auf den
Ernstfall beachtet zu werden. Im übrigen waren die Leistungen der Artillerie
musterhaft, das Einnehmen der Feuerstellung geschah sicher und gewandt, bei
trefflicher Ausnutzung der Deckungen, und selbst der durchweichteste Sturzäcker
bot dem Vorwärtskommen kein Hindernis.

Die Artillerie hat sich ohne Frage im letzten Jahrzehnt außerordentlich
vervollkommnet, sie ist sehr viel gewandter und beweglicher geworden, und es
ist zu wünschen, daß ihre Schießergebnisse, die sich ja hier nicht feststellen ließen,
mit diesen Fortschritten gleichen Schritt gehalten haben.

Große Aufmerksamkeit erregten wieder die Ballons der Luftschifferabteilung,
die beiden Parteien zugewiesen waren. Es ist wohl noch nicht an der Zeit,
über ihre Verwendbarkeit im Feldkriege ein abschließendes Urteil zu fällen, aber
man wird sich trotz der Wahrscheinlichkeit späterer Vervollkommnungen bereits
sagen dürfen, daß sie in erster Linie dem Festungskrieg dienen. Ganz abgesehen
davon, daß es schon recht günstiger Witterungsverhältnisse bedarf, um über¬
haupt eine genügende Übersicht zu ermöglichen, ist doch die Anmarschrichtung
dein Feinde sofort aufs deutlichste klar, sobald der Ballon bei der Avantgarde
in die Luft steigt. Auf den Ballon zu schießen ist unsers Wissens bisher
noch nicht versucht worden, doch dürfte es nicht schwer sein, ihn mit Schrap¬
nels zu treffen, solange er sich unter 1500 Metern hält.

Ausgedehnte Verwendung hat auch in diesem Manöver wieder das Fahr¬
rad gefunden, es hat sich hoffentlich nun endgiltig Bahn gebrochen. Bisher
ist nämlich die Militärverwaltung mit der Beschaffung von Fahrrädern äußerst
sparsam vorgegangen, immer sind Privaträder mit benutzt worden. Zum
erstenmal in diesem Jahre siud ganze Detachements von Radiern zusammen¬
gestellt worden, die zur Besetzung vorgeschobner Posten weit vorausgeschickt
wurden und sich sehr gut bewährt haben sollen. Der Meldedienst wurde
vielfach durch Radfahrer versehen, was hier von besondrer Wichtigkeit war,
da keines der an den Manövern beteiligten Korps schon über Meldereiter-
detachcments verfügt.

Bei so großen Truppenmassen, die auf engem Raum zusammenstehen,
macht die Nachführung der Bagage und die rechtzeitige Heranschaffung der
Verpflegung und Biwaksbedürfnisse ungeheure Schwierigkeiten, und es verdient
besonders hervorgehoben zu werden, daß alles vorzüglich „klappte." Unmittelbar
nachdem der Biwaksplatz bestimmt ist, entsendet jeder Truppenteil einen Offizier
nach dem Ort, wo die Bagage parkirt, mit dem Auftrage, sie möglichst
schnell auf dem kürzesten Wege heraufzuführen. Es ist erstaunlich, wie schnell
das geht; trotz der großen Wagcnmengen und der häufig noch durch Privat-
fnhrwerk stark besetzten Straßen langte die Bagage meist mit den Truppen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_223583/151>, abgerufen am 06.01.2025.