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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.

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Die Begründung von Rentengütern in Preußen

lich vermieden werden, Güter oder Vorwerke mit geringem Boden und schlechter
Kultur in Rentengüter zu zerlegen, denn sonst läge die Befürchtung nahe,
daß die Ansiedler ihre Renten nicht zahlen könnten. Es ist aber doch eigent¬
lich ein Widerspruch in sich, daß solche Güter von der innern Kolonisation
ausgeschlossen werden sollen, denn gerade sie bedürfen der Hebung und
bieten, die beste Gelegenheit mit verhältnismäßig wenig Barmitteln, aber mit
Fleiß und Ausdauer eine Arbeitskraft lohnend zu verwerten. Es soll natürlich
nicht mit Vorliebe der schlechteste Boden zur Besiedlung ausgewählt werden; der
mag noch mehr, als es jetzt geschieht, aufgeforstet werden, sei es für staatliche,
kommunale oder auch private Zwecke. Wenn aber gerade der Boden, der durch
sorgfältige Bearbeitung zu lohnenden Erträgen gebracht werden kann, zu Renten¬
gütern nicht verwendet werden soll, so entzieht das doch sehr mit Unrecht zahl¬
reiche Grundstücke der innern Kolonisation und bevorzugt wiederum die Nenten-
gutsciusgeber, die, weil sie in guten Vermögensverhältnissen waren, ihre Grund¬
stücke in guter Kultur halten konnten.

Die Überweisung von Mitteln an die Generalkommissionen zur Unter¬
stützung von Ansiedlern wird um so weniger nötig sein, je mehr die Kauf¬
preise der neuen Stellen von vornherein ihrem wirklichen Ertrag entsprechend
festgesetzt werden. An diesem Punkte wird überhaupt bei dem ganzen Koloni¬
sationswerk einzusetzen sein. Die Genercilkommissiou müßte die Preise zu
bestimmen haben und bei dieser Bestimmung nicht von dem meist höhern
Verkaufswert, sondern von dem wirklichen Ertragswert ausgehen. Mit der
Thatsache, daß die Grundstückswerte bei weitem nicht mehr so hoch sind wie
noch vor wenigen Jahren, will kaum ein Nentengutsausgeber rechnen: in
manchen Fällen wohl deshalb nicht, weil das einem Zugeständnis gleich käme,
daß sein wirkliches Vermögen nur sehr gering ist und seine Lebensstellung
und Führung dem nicht entspricht. Auch werden immer wieder Beispiele be¬
kannt, daß sehr hohe Preise für Grundstücke gezahlt worden sind; unter
welchen besondern Umstünden aber solche Verkäufe zu stände gekommen sind,
ob der ErWerber dabei seine Rechnung findet, und wenn dies der Fall ist, ob
das nicht auf ungewöhnlich günstige Nebennmstünde zurückzuführen ist, das
wird nicht beachtet. Namentlich gesteht ein ErWerber wohl nie ein, daß er
nicht so tüchtig sei wie andre; im Gegenteil, jeder glaubt besonders befähigt
zu sein, in der einen oder andern Weise aus einem Grundstück mehr heraus-
zuwirtschciftcn als andre. Trotz aller das Gegenteil ergebenden Berechnungen
und Gutachten zahlt er daher auch gern einen Preis, der die vermutlich zu
erwartenden Erträge weit übersteigt.

Dem Nentengutsausgeber, der nicht verkaufen muß, ist es daher auch
kaum zu verdenken, wenn er Preise verlangt, die den wirklichen Ertragswert
übersteigen. Aber nicht das allein: wenn ein ganzes Gut in Nentengüter
zerlegt werden soll, verlangt der Besitzer oft nicht nur den Wert, den das


Die Begründung von Rentengütern in Preußen

lich vermieden werden, Güter oder Vorwerke mit geringem Boden und schlechter
Kultur in Rentengüter zu zerlegen, denn sonst läge die Befürchtung nahe,
daß die Ansiedler ihre Renten nicht zahlen könnten. Es ist aber doch eigent¬
lich ein Widerspruch in sich, daß solche Güter von der innern Kolonisation
ausgeschlossen werden sollen, denn gerade sie bedürfen der Hebung und
bieten, die beste Gelegenheit mit verhältnismäßig wenig Barmitteln, aber mit
Fleiß und Ausdauer eine Arbeitskraft lohnend zu verwerten. Es soll natürlich
nicht mit Vorliebe der schlechteste Boden zur Besiedlung ausgewählt werden; der
mag noch mehr, als es jetzt geschieht, aufgeforstet werden, sei es für staatliche,
kommunale oder auch private Zwecke. Wenn aber gerade der Boden, der durch
sorgfältige Bearbeitung zu lohnenden Erträgen gebracht werden kann, zu Renten¬
gütern nicht verwendet werden soll, so entzieht das doch sehr mit Unrecht zahl¬
reiche Grundstücke der innern Kolonisation und bevorzugt wiederum die Nenten-
gutsciusgeber, die, weil sie in guten Vermögensverhältnissen waren, ihre Grund¬
stücke in guter Kultur halten konnten.

Die Überweisung von Mitteln an die Generalkommissionen zur Unter¬
stützung von Ansiedlern wird um so weniger nötig sein, je mehr die Kauf¬
preise der neuen Stellen von vornherein ihrem wirklichen Ertrag entsprechend
festgesetzt werden. An diesem Punkte wird überhaupt bei dem ganzen Koloni¬
sationswerk einzusetzen sein. Die Genercilkommissiou müßte die Preise zu
bestimmen haben und bei dieser Bestimmung nicht von dem meist höhern
Verkaufswert, sondern von dem wirklichen Ertragswert ausgehen. Mit der
Thatsache, daß die Grundstückswerte bei weitem nicht mehr so hoch sind wie
noch vor wenigen Jahren, will kaum ein Nentengutsausgeber rechnen: in
manchen Fällen wohl deshalb nicht, weil das einem Zugeständnis gleich käme,
daß sein wirkliches Vermögen nur sehr gering ist und seine Lebensstellung
und Führung dem nicht entspricht. Auch werden immer wieder Beispiele be¬
kannt, daß sehr hohe Preise für Grundstücke gezahlt worden sind; unter
welchen besondern Umstünden aber solche Verkäufe zu stände gekommen sind,
ob der ErWerber dabei seine Rechnung findet, und wenn dies der Fall ist, ob
das nicht auf ungewöhnlich günstige Nebennmstünde zurückzuführen ist, das
wird nicht beachtet. Namentlich gesteht ein ErWerber wohl nie ein, daß er
nicht so tüchtig sei wie andre; im Gegenteil, jeder glaubt besonders befähigt
zu sein, in der einen oder andern Weise aus einem Grundstück mehr heraus-
zuwirtschciftcn als andre. Trotz aller das Gegenteil ergebenden Berechnungen
und Gutachten zahlt er daher auch gern einen Preis, der die vermutlich zu
erwartenden Erträge weit übersteigt.

Dem Nentengutsausgeber, der nicht verkaufen muß, ist es daher auch
kaum zu verdenken, wenn er Preise verlangt, die den wirklichen Ertragswert
übersteigen. Aber nicht das allein: wenn ein ganzes Gut in Nentengüter
zerlegt werden soll, verlangt der Besitzer oft nicht nur den Wert, den das


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[0132] Die Begründung von Rentengütern in Preußen lich vermieden werden, Güter oder Vorwerke mit geringem Boden und schlechter Kultur in Rentengüter zu zerlegen, denn sonst läge die Befürchtung nahe, daß die Ansiedler ihre Renten nicht zahlen könnten. Es ist aber doch eigent¬ lich ein Widerspruch in sich, daß solche Güter von der innern Kolonisation ausgeschlossen werden sollen, denn gerade sie bedürfen der Hebung und bieten, die beste Gelegenheit mit verhältnismäßig wenig Barmitteln, aber mit Fleiß und Ausdauer eine Arbeitskraft lohnend zu verwerten. Es soll natürlich nicht mit Vorliebe der schlechteste Boden zur Besiedlung ausgewählt werden; der mag noch mehr, als es jetzt geschieht, aufgeforstet werden, sei es für staatliche, kommunale oder auch private Zwecke. Wenn aber gerade der Boden, der durch sorgfältige Bearbeitung zu lohnenden Erträgen gebracht werden kann, zu Renten¬ gütern nicht verwendet werden soll, so entzieht das doch sehr mit Unrecht zahl¬ reiche Grundstücke der innern Kolonisation und bevorzugt wiederum die Nenten- gutsciusgeber, die, weil sie in guten Vermögensverhältnissen waren, ihre Grund¬ stücke in guter Kultur halten konnten. Die Überweisung von Mitteln an die Generalkommissionen zur Unter¬ stützung von Ansiedlern wird um so weniger nötig sein, je mehr die Kauf¬ preise der neuen Stellen von vornherein ihrem wirklichen Ertrag entsprechend festgesetzt werden. An diesem Punkte wird überhaupt bei dem ganzen Koloni¬ sationswerk einzusetzen sein. Die Genercilkommissiou müßte die Preise zu bestimmen haben und bei dieser Bestimmung nicht von dem meist höhern Verkaufswert, sondern von dem wirklichen Ertragswert ausgehen. Mit der Thatsache, daß die Grundstückswerte bei weitem nicht mehr so hoch sind wie noch vor wenigen Jahren, will kaum ein Nentengutsausgeber rechnen: in manchen Fällen wohl deshalb nicht, weil das einem Zugeständnis gleich käme, daß sein wirkliches Vermögen nur sehr gering ist und seine Lebensstellung und Führung dem nicht entspricht. Auch werden immer wieder Beispiele be¬ kannt, daß sehr hohe Preise für Grundstücke gezahlt worden sind; unter welchen besondern Umstünden aber solche Verkäufe zu stände gekommen sind, ob der ErWerber dabei seine Rechnung findet, und wenn dies der Fall ist, ob das nicht auf ungewöhnlich günstige Nebennmstünde zurückzuführen ist, das wird nicht beachtet. Namentlich gesteht ein ErWerber wohl nie ein, daß er nicht so tüchtig sei wie andre; im Gegenteil, jeder glaubt besonders befähigt zu sein, in der einen oder andern Weise aus einem Grundstück mehr heraus- zuwirtschciftcn als andre. Trotz aller das Gegenteil ergebenden Berechnungen und Gutachten zahlt er daher auch gern einen Preis, der die vermutlich zu erwartenden Erträge weit übersteigt. Dem Nentengutsausgeber, der nicht verkaufen muß, ist es daher auch kaum zu verdenken, wenn er Preise verlangt, die den wirklichen Ertragswert übersteigen. Aber nicht das allein: wenn ein ganzes Gut in Nentengüter zerlegt werden soll, verlangt der Besitzer oft nicht nur den Wert, den das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_223583/132>, abgerufen am 08.01.2025.