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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Zum deutsch-dänischen Streit

anerkannt deutschen Gegenden, in Angeln und Südschleswig, wurde rein
deutscher Gottesdienst eingeführt, in gemischtsprachigen Kirchspielen fand eine
Abstimmung der Hausväter statt, ob sie rein deutsche Schul- und Kirchensprache
oder dänische und deutsche Kirchensprache wünschten. Wo es zweifellos erschien,
daß beide Sprachen nötig wären, wurde so verfügt. In deu Städten Nord¬
schleswigs wird noch heute nllsonntäglich dänisch und deutsch gepredigt. Die
damals mehr der dünischen Sprache zuneigenden Kirchspiele behielten also die
dänische Kirchensprache als die alleinige, nebenbei gesagt, nicht immer mit
Recht. Um nnr einen Fall hervor zusehen: In Lügumkloster bestand seit 1739
ein monatlicher deutscher Gottesdienst. Dieser hatte sich erhalten bis zum
Jahre 1849, wo ein Prediger dahin berufen wurde, der nicht Deutsch konnte.
Nun kamen aber einzelne Gemeinden mit Petitionen ein um Gewährung von
sechs bis zwölf deutschen Gottesdiensten im Jahre. Hatten diese Eingaben
zahlreiche Unterschriften, und konnten triftige Gründe dafür angeführt werden,
so genehmigte das Konsistorium von Fall zu Fall eine beschränkte Zahl deutscher
Gottesdienste. Einmal im Monat oder gar aller zwei Monate ein deutscher
Gottesdienst -- das ist doch wohl nicht zu viel für ansässige Bauern und
Gewerbtreibeude, Beamte, Dienstboten usw. Trotzdem hat die gegnerische
Presse stets gewaltig Lärm geschlagen, wenn ein solcher Antrag gestellt wurde.
Um die Zuverlässigkeit eines solchen Blattes (Fleusborg Avis) ins rechte
Licht zu setzen, will ich noch folgendes mitteilen: Im Kirchspiel Hoist (Kreis
Tondern) baten 83 Gemeindeglieder um sechs deutsche Gottesdienste im Jahre.
Flensborg Avis bemerkte dazu, von diesen 83 verstünden mehrere nicht ein Wort
Deutsch, und andre besuchten nie die Kirche. Das Konsistorium bewilligte die
sechs deutschen Gottesdienste, und nun ist kürzlich der amtliche Shnvdalbericht
erschienen, worin es heißt, daß in Hoist durchschnittlich 80 Personen den
deutscheu Gottesdienst besuchten.

Soweit meine Kenntnis reicht, ist die höchste Zahl deutscher Gottesdienste
auf dem Lande Nordschleswigs fünfzehn (aber selten), sonst zwölf oder sechs
im Jahre. Das ist doch nicht zu viel, nachdem die Jugend schon mindestens
sieben Jahre anch deutschen Religionsunterricht gehabt hat, ja in manchen
Gemeinden dänischer Religionsunterricht gar nicht mehr vorkommt. Kann da,
frage ich jeden Unbefangnen, von Vergewaltigung der Dänen die Rede sein?
Treiben wir Deutschen sie damit aus der Kirche? Auch hier gilt das schon
Gesagte: es ist ihnen teilweise ihre Domäne streitig gemacht worden, darum
die Klagen. Solange die Dänen in der Kirche die Macht hatten, zeigten sie
auch hier deutschfeindliche Gesinnung in den kleinlichsten Chikanen. So gab
z. B. kein Kircheuvorstand die Erlaubnis, eine Gedenktafel für die im Kriege
1870/71 Gefallnen anzubringen, und doch waren es ihre Kirchspielgenosfen,
die mein ehren wollte!

Ernster als solche Kleinlichkeiten ist das Bestreben, das sich jetzt zeigt,


Zum deutsch-dänischen Streit

anerkannt deutschen Gegenden, in Angeln und Südschleswig, wurde rein
deutscher Gottesdienst eingeführt, in gemischtsprachigen Kirchspielen fand eine
Abstimmung der Hausväter statt, ob sie rein deutsche Schul- und Kirchensprache
oder dänische und deutsche Kirchensprache wünschten. Wo es zweifellos erschien,
daß beide Sprachen nötig wären, wurde so verfügt. In deu Städten Nord¬
schleswigs wird noch heute nllsonntäglich dänisch und deutsch gepredigt. Die
damals mehr der dünischen Sprache zuneigenden Kirchspiele behielten also die
dänische Kirchensprache als die alleinige, nebenbei gesagt, nicht immer mit
Recht. Um nnr einen Fall hervor zusehen: In Lügumkloster bestand seit 1739
ein monatlicher deutscher Gottesdienst. Dieser hatte sich erhalten bis zum
Jahre 1849, wo ein Prediger dahin berufen wurde, der nicht Deutsch konnte.
Nun kamen aber einzelne Gemeinden mit Petitionen ein um Gewährung von
sechs bis zwölf deutschen Gottesdiensten im Jahre. Hatten diese Eingaben
zahlreiche Unterschriften, und konnten triftige Gründe dafür angeführt werden,
so genehmigte das Konsistorium von Fall zu Fall eine beschränkte Zahl deutscher
Gottesdienste. Einmal im Monat oder gar aller zwei Monate ein deutscher
Gottesdienst — das ist doch wohl nicht zu viel für ansässige Bauern und
Gewerbtreibeude, Beamte, Dienstboten usw. Trotzdem hat die gegnerische
Presse stets gewaltig Lärm geschlagen, wenn ein solcher Antrag gestellt wurde.
Um die Zuverlässigkeit eines solchen Blattes (Fleusborg Avis) ins rechte
Licht zu setzen, will ich noch folgendes mitteilen: Im Kirchspiel Hoist (Kreis
Tondern) baten 83 Gemeindeglieder um sechs deutsche Gottesdienste im Jahre.
Flensborg Avis bemerkte dazu, von diesen 83 verstünden mehrere nicht ein Wort
Deutsch, und andre besuchten nie die Kirche. Das Konsistorium bewilligte die
sechs deutschen Gottesdienste, und nun ist kürzlich der amtliche Shnvdalbericht
erschienen, worin es heißt, daß in Hoist durchschnittlich 80 Personen den
deutscheu Gottesdienst besuchten.

Soweit meine Kenntnis reicht, ist die höchste Zahl deutscher Gottesdienste
auf dem Lande Nordschleswigs fünfzehn (aber selten), sonst zwölf oder sechs
im Jahre. Das ist doch nicht zu viel, nachdem die Jugend schon mindestens
sieben Jahre anch deutschen Religionsunterricht gehabt hat, ja in manchen
Gemeinden dänischer Religionsunterricht gar nicht mehr vorkommt. Kann da,
frage ich jeden Unbefangnen, von Vergewaltigung der Dänen die Rede sein?
Treiben wir Deutschen sie damit aus der Kirche? Auch hier gilt das schon
Gesagte: es ist ihnen teilweise ihre Domäne streitig gemacht worden, darum
die Klagen. Solange die Dänen in der Kirche die Macht hatten, zeigten sie
auch hier deutschfeindliche Gesinnung in den kleinlichsten Chikanen. So gab
z. B. kein Kircheuvorstand die Erlaubnis, eine Gedenktafel für die im Kriege
1870/71 Gefallnen anzubringen, und doch waren es ihre Kirchspielgenosfen,
die mein ehren wollte!

Ernster als solche Kleinlichkeiten ist das Bestreben, das sich jetzt zeigt,


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[0446] Zum deutsch-dänischen Streit anerkannt deutschen Gegenden, in Angeln und Südschleswig, wurde rein deutscher Gottesdienst eingeführt, in gemischtsprachigen Kirchspielen fand eine Abstimmung der Hausväter statt, ob sie rein deutsche Schul- und Kirchensprache oder dänische und deutsche Kirchensprache wünschten. Wo es zweifellos erschien, daß beide Sprachen nötig wären, wurde so verfügt. In deu Städten Nord¬ schleswigs wird noch heute nllsonntäglich dänisch und deutsch gepredigt. Die damals mehr der dünischen Sprache zuneigenden Kirchspiele behielten also die dänische Kirchensprache als die alleinige, nebenbei gesagt, nicht immer mit Recht. Um nnr einen Fall hervor zusehen: In Lügumkloster bestand seit 1739 ein monatlicher deutscher Gottesdienst. Dieser hatte sich erhalten bis zum Jahre 1849, wo ein Prediger dahin berufen wurde, der nicht Deutsch konnte. Nun kamen aber einzelne Gemeinden mit Petitionen ein um Gewährung von sechs bis zwölf deutschen Gottesdiensten im Jahre. Hatten diese Eingaben zahlreiche Unterschriften, und konnten triftige Gründe dafür angeführt werden, so genehmigte das Konsistorium von Fall zu Fall eine beschränkte Zahl deutscher Gottesdienste. Einmal im Monat oder gar aller zwei Monate ein deutscher Gottesdienst — das ist doch wohl nicht zu viel für ansässige Bauern und Gewerbtreibeude, Beamte, Dienstboten usw. Trotzdem hat die gegnerische Presse stets gewaltig Lärm geschlagen, wenn ein solcher Antrag gestellt wurde. Um die Zuverlässigkeit eines solchen Blattes (Fleusborg Avis) ins rechte Licht zu setzen, will ich noch folgendes mitteilen: Im Kirchspiel Hoist (Kreis Tondern) baten 83 Gemeindeglieder um sechs deutsche Gottesdienste im Jahre. Flensborg Avis bemerkte dazu, von diesen 83 verstünden mehrere nicht ein Wort Deutsch, und andre besuchten nie die Kirche. Das Konsistorium bewilligte die sechs deutschen Gottesdienste, und nun ist kürzlich der amtliche Shnvdalbericht erschienen, worin es heißt, daß in Hoist durchschnittlich 80 Personen den deutscheu Gottesdienst besuchten. Soweit meine Kenntnis reicht, ist die höchste Zahl deutscher Gottesdienste auf dem Lande Nordschleswigs fünfzehn (aber selten), sonst zwölf oder sechs im Jahre. Das ist doch nicht zu viel, nachdem die Jugend schon mindestens sieben Jahre anch deutschen Religionsunterricht gehabt hat, ja in manchen Gemeinden dänischer Religionsunterricht gar nicht mehr vorkommt. Kann da, frage ich jeden Unbefangnen, von Vergewaltigung der Dänen die Rede sein? Treiben wir Deutschen sie damit aus der Kirche? Auch hier gilt das schon Gesagte: es ist ihnen teilweise ihre Domäne streitig gemacht worden, darum die Klagen. Solange die Dänen in der Kirche die Macht hatten, zeigten sie auch hier deutschfeindliche Gesinnung in den kleinlichsten Chikanen. So gab z. B. kein Kircheuvorstand die Erlaubnis, eine Gedenktafel für die im Kriege 1870/71 Gefallnen anzubringen, und doch waren es ihre Kirchspielgenosfen, die mein ehren wollte! Ernster als solche Kleinlichkeiten ist das Bestreben, das sich jetzt zeigt,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/446>, abgerufen am 01.09.2024.