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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Zum deutsch-dänischen Streit

am Gottesdienst im Dänischen teilnehmen könnten. Die Forderung klingt ja
bescheiden, so bescheiden, daß selbst Deutsche im Parlament und deutsche
Stimmen in den Preußischen Jahrbüchern und in den Grenzboten gemeint
haben, diese Forderung müsse ihnen gewährt werden. Aber sämtliche Lehrer,
die noch dänischen Religionsunterricht erteilen ohne dänischen Sprach¬
unterricht, haben auf meine Frage erklärt, es ginge so sehr gut. Dieselbe
Antwort haben die Revisivnsbeamten der Regierung und des Konsistoriums
erhalten. Auf der vor kurzem abgehaltenen Synode in Gramm (Propstei
Törninglehn, also im äußersten Norden) klagte ein weltliches Mitglied nach
einem Vortrag über "äußere Mission," die Kinder lernten kein Dänisch, das
man verstehen könne. Da wies ihn der Propst zurück, indem er bezeugte,
seine Konfirmanden hätten immer so geschrieben, daß es jeder verstehen könne,
und als der erste Redner bei seiner Behauptung blieb, erklärte der Propst:
"Bei Prüfungen in meinen Schulen hat sich gezeigt, daß die Kinder sehr gut
verständliches Dänisch schreiben konnten. Ich habe es mehrere male Eltern
gezeigt, die anwesend waren, und sie haben es für gut erklärt." Zwei andre
Pastoren bestätigten diese Aussage, der eine nur mit der Einschränkung, er
habe bisweilen einen deutschen Buchstaben gefunden. Also geht es sehr gut
auch ohne die zwei Sprachstunden. Die Kinder sind bei vier Religions¬
stunden in dänischer Sprache durchaus imstande, dem Gottesdienst im Dänischen
zu folgen.

Nun kommt aber noch die Kehrseite der Sache. Die zwei Stunden
dünischen Sprachunterrichts hätten die Dünen noch lange nicht befriedigt. Den
Beweis liefert die dünische Protestpresse. Nachdem der Sprachantrag Johann-
sens über die zwei dünischen Stunden abgelehnt war, erschien in vier dünischen
Zeitungen ein Artikel als Eingesandt ("Stimme aus dem Volk"), worin
wöchentlich zehn bis zwölf Stunden dänischen Unterrichts verlangt wurden --
zum Anfang. Und so sollte es "mit kleinen Schritten vorwärts" gehen. Um
zugleich den Ton, der in diesen Blättern angeschlagen wird, zu kennzeichnen,
braucht nur angeführt zu werden, wie der Verfasser von den Pastoren redet,
die fast ohne Ausnahme zugleich Ortsschulinspektoren sind: "Wir Laien können
auch von den Pastoren verlangen, daß sie etwas durchgreifendes für das
Dänische in den Schulen thun. Sollten sie dazu nicht willig sein, so werden
wir unsre Verhaltungsmaßregeln treffen." Was das heißen soll, erklärt dann
der Satz: "Wir sind nicht dazu aufgelegt, in der Kirche zu bleiben, bis sie
uns als ganz deutsch über den Ohren zusammenfällt," o. h. wir treten aus
der Landeskirche aus und bilden Freigemeinden. Damit komme ich auf das
Gebiet der Kirche.

Schon 1864 wurde eine wichtige Bestimmung in Betreff der Kirchensprache
getroffen. In den Gemeinden, wo vor Erlaß des dänischen Sprachreskripts
von 1851 dänischer Gottesdienst gewesen war, blieb er ganz dänisch, in den


Zum deutsch-dänischen Streit

am Gottesdienst im Dänischen teilnehmen könnten. Die Forderung klingt ja
bescheiden, so bescheiden, daß selbst Deutsche im Parlament und deutsche
Stimmen in den Preußischen Jahrbüchern und in den Grenzboten gemeint
haben, diese Forderung müsse ihnen gewährt werden. Aber sämtliche Lehrer,
die noch dänischen Religionsunterricht erteilen ohne dänischen Sprach¬
unterricht, haben auf meine Frage erklärt, es ginge so sehr gut. Dieselbe
Antwort haben die Revisivnsbeamten der Regierung und des Konsistoriums
erhalten. Auf der vor kurzem abgehaltenen Synode in Gramm (Propstei
Törninglehn, also im äußersten Norden) klagte ein weltliches Mitglied nach
einem Vortrag über „äußere Mission," die Kinder lernten kein Dänisch, das
man verstehen könne. Da wies ihn der Propst zurück, indem er bezeugte,
seine Konfirmanden hätten immer so geschrieben, daß es jeder verstehen könne,
und als der erste Redner bei seiner Behauptung blieb, erklärte der Propst:
„Bei Prüfungen in meinen Schulen hat sich gezeigt, daß die Kinder sehr gut
verständliches Dänisch schreiben konnten. Ich habe es mehrere male Eltern
gezeigt, die anwesend waren, und sie haben es für gut erklärt." Zwei andre
Pastoren bestätigten diese Aussage, der eine nur mit der Einschränkung, er
habe bisweilen einen deutschen Buchstaben gefunden. Also geht es sehr gut
auch ohne die zwei Sprachstunden. Die Kinder sind bei vier Religions¬
stunden in dänischer Sprache durchaus imstande, dem Gottesdienst im Dänischen
zu folgen.

Nun kommt aber noch die Kehrseite der Sache. Die zwei Stunden
dünischen Sprachunterrichts hätten die Dünen noch lange nicht befriedigt. Den
Beweis liefert die dünische Protestpresse. Nachdem der Sprachantrag Johann-
sens über die zwei dünischen Stunden abgelehnt war, erschien in vier dünischen
Zeitungen ein Artikel als Eingesandt („Stimme aus dem Volk"), worin
wöchentlich zehn bis zwölf Stunden dänischen Unterrichts verlangt wurden —
zum Anfang. Und so sollte es „mit kleinen Schritten vorwärts" gehen. Um
zugleich den Ton, der in diesen Blättern angeschlagen wird, zu kennzeichnen,
braucht nur angeführt zu werden, wie der Verfasser von den Pastoren redet,
die fast ohne Ausnahme zugleich Ortsschulinspektoren sind: „Wir Laien können
auch von den Pastoren verlangen, daß sie etwas durchgreifendes für das
Dänische in den Schulen thun. Sollten sie dazu nicht willig sein, so werden
wir unsre Verhaltungsmaßregeln treffen." Was das heißen soll, erklärt dann
der Satz: „Wir sind nicht dazu aufgelegt, in der Kirche zu bleiben, bis sie
uns als ganz deutsch über den Ohren zusammenfällt," o. h. wir treten aus
der Landeskirche aus und bilden Freigemeinden. Damit komme ich auf das
Gebiet der Kirche.

Schon 1864 wurde eine wichtige Bestimmung in Betreff der Kirchensprache
getroffen. In den Gemeinden, wo vor Erlaß des dänischen Sprachreskripts
von 1851 dänischer Gottesdienst gewesen war, blieb er ganz dänisch, in den


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[0445] Zum deutsch-dänischen Streit am Gottesdienst im Dänischen teilnehmen könnten. Die Forderung klingt ja bescheiden, so bescheiden, daß selbst Deutsche im Parlament und deutsche Stimmen in den Preußischen Jahrbüchern und in den Grenzboten gemeint haben, diese Forderung müsse ihnen gewährt werden. Aber sämtliche Lehrer, die noch dänischen Religionsunterricht erteilen ohne dänischen Sprach¬ unterricht, haben auf meine Frage erklärt, es ginge so sehr gut. Dieselbe Antwort haben die Revisivnsbeamten der Regierung und des Konsistoriums erhalten. Auf der vor kurzem abgehaltenen Synode in Gramm (Propstei Törninglehn, also im äußersten Norden) klagte ein weltliches Mitglied nach einem Vortrag über „äußere Mission," die Kinder lernten kein Dänisch, das man verstehen könne. Da wies ihn der Propst zurück, indem er bezeugte, seine Konfirmanden hätten immer so geschrieben, daß es jeder verstehen könne, und als der erste Redner bei seiner Behauptung blieb, erklärte der Propst: „Bei Prüfungen in meinen Schulen hat sich gezeigt, daß die Kinder sehr gut verständliches Dänisch schreiben konnten. Ich habe es mehrere male Eltern gezeigt, die anwesend waren, und sie haben es für gut erklärt." Zwei andre Pastoren bestätigten diese Aussage, der eine nur mit der Einschränkung, er habe bisweilen einen deutschen Buchstaben gefunden. Also geht es sehr gut auch ohne die zwei Sprachstunden. Die Kinder sind bei vier Religions¬ stunden in dänischer Sprache durchaus imstande, dem Gottesdienst im Dänischen zu folgen. Nun kommt aber noch die Kehrseite der Sache. Die zwei Stunden dünischen Sprachunterrichts hätten die Dünen noch lange nicht befriedigt. Den Beweis liefert die dünische Protestpresse. Nachdem der Sprachantrag Johann- sens über die zwei dünischen Stunden abgelehnt war, erschien in vier dünischen Zeitungen ein Artikel als Eingesandt („Stimme aus dem Volk"), worin wöchentlich zehn bis zwölf Stunden dänischen Unterrichts verlangt wurden — zum Anfang. Und so sollte es „mit kleinen Schritten vorwärts" gehen. Um zugleich den Ton, der in diesen Blättern angeschlagen wird, zu kennzeichnen, braucht nur angeführt zu werden, wie der Verfasser von den Pastoren redet, die fast ohne Ausnahme zugleich Ortsschulinspektoren sind: „Wir Laien können auch von den Pastoren verlangen, daß sie etwas durchgreifendes für das Dänische in den Schulen thun. Sollten sie dazu nicht willig sein, so werden wir unsre Verhaltungsmaßregeln treffen." Was das heißen soll, erklärt dann der Satz: „Wir sind nicht dazu aufgelegt, in der Kirche zu bleiben, bis sie uns als ganz deutsch über den Ohren zusammenfällt," o. h. wir treten aus der Landeskirche aus und bilden Freigemeinden. Damit komme ich auf das Gebiet der Kirche. Schon 1864 wurde eine wichtige Bestimmung in Betreff der Kirchensprache getroffen. In den Gemeinden, wo vor Erlaß des dänischen Sprachreskripts von 1851 dänischer Gottesdienst gewesen war, blieb er ganz dänisch, in den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/445>, abgerufen am 01.09.2024.