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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Friedrich der Große und der Ursprung des siebenjährigen Arieges

trotzdem keine größere Zahl annexionistischer Äußerungen des Königs aus dem
Jahre 1756 bekannt ist, so liegt das besonders daran, daß Friedrich eifrig
bestrebt war, seine Politik in undurchdringliches Geheimnis zu hüllen, seine
ehrgeizigen Pläne vor der Mißgunst Europas zu verbergen, eine Kunst, die
er in dem Lxxosv ein Zonvöruemönt xrusÄM ausdrücklich als eine der
wichtigsten Bedingungen des Erfolgs bezeichnete.

Gegenüber diesen Gedanken des Königs sind andre Äußerungen aus dem
Sommer 1756 kaum ernsthaft zu nehmen, so, wenn er erklärt, der Krieg sei
Preußen aufgenötigt worden, Preußen könne in dem bevorstehenden Kampfe
nichts gewinnen, "der Ehrgeiz sei auf die Dauer eine Tugend sür Narren, und
es sei wahnsinnig, dem Kriege den Vorzug zu geben vor dem Frieden."

Auch das gewaltige Bündnis von 1756 vermochte den König von seinen
kriegerischen Plänen und Absichten nicht abzubringen. War doch das reiche
England auf seiner Seite, dessen Unterstützung, wenn auch vor der Hand
nicht ihm, so doch auch keinem seiner Feinde zustatten kam; war doch Frank¬
reich, dessen Finanzen von Jahr zu Jahr mehr zerfielen, im Kampfe mit Eng¬
land! Überdies hoffte er, daß die von Frankreich den Österreichern gewährten
Hilfstruppen genügend von einem englischen Korps in Schach gehalten werden
könnten, ebenso wie eine englische Flotte in der Ostsee die russischen Streit¬
kräfte zügeln würde, denen zum Überfluß noch das Korps Lehwaldt mit feinen
18 000 Mann gegenübertreten könnte. Als einzig gefährlicher Gegner blieb
also Österreich. Und das gedachte er "total zu schlagen," wie er sich in der
Lehwaldtschen Instruktion vom 27. Juli 1756 ausdrückte.

Diese Erwägungen setzten den König in jenen schweren Tagen, wo er
einem furchtbaren Krieg entgegenging, in die heiterste Stimmung. Er lebte
der festen Überzeugung, daß Preußen nichts zu fürchten habe, daß, "wenn
nicht allzu große Dummheiten begangen würden, sein Vorhaben gelingen
müsse."

Aber Friedrich ging ja zum Angriff über, erst nachdem er durch seine
Anfragen in Wien den Österreichern kostbare Wochen zur Rüstung gegeben
hatte. Da entsteht nun die Frage, wie diese militärisch unentschuldbare Hand¬
lungsweise zu erklären ist. Daß sich der König dadurch Aufklärung über die
Absichten Österreichs habe verschaffen wollen, ist im Ernst kaum anzunehmen.
Er kannte seine Gegner. Ebenso wenig ist daran zu denken, daß er, wie er
nach seiner dritten Anfrage ankündigte, seine in Sachsen eingerückten Truppen
zurückgezogen haben würde, "wenn Maria Theresia ihm die Versicherung ge¬
geben hätte, daß sie ihn weder in diesem noch im nächsten Jahre angreifen
wolle." Seine Absicht bei diesem "Frage- und Antwortspiel" war vielmehr
die: seine Gegner in Mißkredit zu bringen. Je mehr er sie ins Unrecht setzte,
desto leichter konnte er sich über die Ordnung des Reichs und die Satzungen
des Völkerrechts erheben, um seine Absicht, Sachsen an sich zu reißen, durch-


Friedrich der Große und der Ursprung des siebenjährigen Arieges

trotzdem keine größere Zahl annexionistischer Äußerungen des Königs aus dem
Jahre 1756 bekannt ist, so liegt das besonders daran, daß Friedrich eifrig
bestrebt war, seine Politik in undurchdringliches Geheimnis zu hüllen, seine
ehrgeizigen Pläne vor der Mißgunst Europas zu verbergen, eine Kunst, die
er in dem Lxxosv ein Zonvöruemönt xrusÄM ausdrücklich als eine der
wichtigsten Bedingungen des Erfolgs bezeichnete.

Gegenüber diesen Gedanken des Königs sind andre Äußerungen aus dem
Sommer 1756 kaum ernsthaft zu nehmen, so, wenn er erklärt, der Krieg sei
Preußen aufgenötigt worden, Preußen könne in dem bevorstehenden Kampfe
nichts gewinnen, „der Ehrgeiz sei auf die Dauer eine Tugend sür Narren, und
es sei wahnsinnig, dem Kriege den Vorzug zu geben vor dem Frieden."

Auch das gewaltige Bündnis von 1756 vermochte den König von seinen
kriegerischen Plänen und Absichten nicht abzubringen. War doch das reiche
England auf seiner Seite, dessen Unterstützung, wenn auch vor der Hand
nicht ihm, so doch auch keinem seiner Feinde zustatten kam; war doch Frank¬
reich, dessen Finanzen von Jahr zu Jahr mehr zerfielen, im Kampfe mit Eng¬
land! Überdies hoffte er, daß die von Frankreich den Österreichern gewährten
Hilfstruppen genügend von einem englischen Korps in Schach gehalten werden
könnten, ebenso wie eine englische Flotte in der Ostsee die russischen Streit¬
kräfte zügeln würde, denen zum Überfluß noch das Korps Lehwaldt mit feinen
18 000 Mann gegenübertreten könnte. Als einzig gefährlicher Gegner blieb
also Österreich. Und das gedachte er „total zu schlagen," wie er sich in der
Lehwaldtschen Instruktion vom 27. Juli 1756 ausdrückte.

Diese Erwägungen setzten den König in jenen schweren Tagen, wo er
einem furchtbaren Krieg entgegenging, in die heiterste Stimmung. Er lebte
der festen Überzeugung, daß Preußen nichts zu fürchten habe, daß, „wenn
nicht allzu große Dummheiten begangen würden, sein Vorhaben gelingen
müsse."

Aber Friedrich ging ja zum Angriff über, erst nachdem er durch seine
Anfragen in Wien den Österreichern kostbare Wochen zur Rüstung gegeben
hatte. Da entsteht nun die Frage, wie diese militärisch unentschuldbare Hand¬
lungsweise zu erklären ist. Daß sich der König dadurch Aufklärung über die
Absichten Österreichs habe verschaffen wollen, ist im Ernst kaum anzunehmen.
Er kannte seine Gegner. Ebenso wenig ist daran zu denken, daß er, wie er
nach seiner dritten Anfrage ankündigte, seine in Sachsen eingerückten Truppen
zurückgezogen haben würde, „wenn Maria Theresia ihm die Versicherung ge¬
geben hätte, daß sie ihn weder in diesem noch im nächsten Jahre angreifen
wolle." Seine Absicht bei diesem „Frage- und Antwortspiel" war vielmehr
die: seine Gegner in Mißkredit zu bringen. Je mehr er sie ins Unrecht setzte,
desto leichter konnte er sich über die Ordnung des Reichs und die Satzungen
des Völkerrechts erheben, um seine Absicht, Sachsen an sich zu reißen, durch-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/36>, abgerufen am 01.09.2024.