Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Berliner Gewerbeausstellung

berlinischer deutscher Industrie zu zeigen; die Sache hat aber doch ihre bedenk¬
liche Seite, wenn innerhalb der Kolonialausstellung ein buntes und ziemlich
regelloses Gemisch aller möglichen Sachen entsteht, die, wie z. B. Schaukel¬
badewannen. Schnellpressen, Orchestrions, Nettungsfenster u. dergl. mit Kolonial¬
zwecken beim besten Willen nicht zusammenzureimen sind.

Die Berliner Firmen haben sich recht gut beteiligt, die Ausstellung bietet
ans vielen Gebieten ein anerkennenswert vollständiges Bild des Berliner Ge-
werbfleißes. Einzelne Gruppen, z- B. das Kunstgewerbe, namentlich soweit es
Metalle, edle und unedle, verarbeitet, auch die Bekleidungsindustrie in allen
ihren Zweigen zeigen geradezu hervorragendes. Aber es sind auch große,
wichtige Gebiete fast gar nicht vertreten, z. B. die Keramik, wenn man von
der Ausstellung der königlichen Porzellanmanufaktur absteht. Für viele Zweige
des Gewerbes würde überdies die Frage noch zu beantworten sein, ob nicht
ohne die jetzt auch für die Aussteller entstandnen hohen Kosten der Zweck
jeder Ausstellung, das Bekanntmachen der ausgestellten Erzeugnisse und der
ausstellenden Firmen, die Eröffnung neuer Absatzgebiete und die Anknüpfung
neuer Geschäftsverbindungen, besser durch eine große Messe zu erreichen ge¬
wesen wäre, die nicht auf die Masse der Besucher, sondern nur auf die Inter¬
essenten rechnet und an erschöpfender Auskunft über die ausgestellten Gegen¬
stände, in Preisangaben u. dergl., mehr leisten könnte, als eine derartige bloße
Schaustellung.

Aus technischem Gebiete bietet die Ausstellung leider sehr wenig, so wenig,
daß namentlich der, der die hochentwickelte Berliner Maschinenindustrie, die seit
einem halben Jahrhundert blühenden alten wie die großen neuen Firmen kennt,
sicherlich enttäuscht sein wird. Die Berliner Maschinen- und Elektrotechnik
leistet deun doch bedeutend mehr und ist besser und vielseitiger, als man auf
Grund der ausgestellte" Gruppe schließen könnte. Dachte man sich noch die
der Beleuchtung und der Kraftabgabe dienenden Maschinen hinweg, die ja
streng genommen nur Ausstellungsgegenstände zweiter Ordnung sind, die zum
großen Teil gegen Bezahlung geliefert oder gemietet sind, so würde die
Maschinenhalle ein Bild erschreckender Leere bieten. Außerdem ist gerade
die Beleuchtungsanlage und die Anlage zur Abgabe elektrischen Stroms für
motorische Zwecke so, wie sie hier ausgeführt ist, durchaus nicht muster¬
haft zu nennen. Vom technischen Standpunkt aus ist es ein Unsinn, statt
einer großen Zentrale hier eine 100pferdige, dort eine IlOpferdige Dampf¬
maschine zum Antrieb von Dynamomaschinen hinzustellen. Dabei ist die Ver¬
teilung des zu versorgenden Leitungsnetzes auf die einzelnen Maschinen viel¬
fach erschreckend schlecht. Läuft doch manche lOOpferdige Dampfmaschine nebst
Dynamomaschine den ganzen Tag. bloß weil irgend eine Schokoladenmühle im
Park oder irgend sonst eine kleine Maschine den ganzen Tag über eine Pferde¬
kraft braucht! Die ganze zersplitterte Anlage erklärt sich nur daraus, daß


Die Berliner Gewerbeausstellung

berlinischer deutscher Industrie zu zeigen; die Sache hat aber doch ihre bedenk¬
liche Seite, wenn innerhalb der Kolonialausstellung ein buntes und ziemlich
regelloses Gemisch aller möglichen Sachen entsteht, die, wie z. B. Schaukel¬
badewannen. Schnellpressen, Orchestrions, Nettungsfenster u. dergl. mit Kolonial¬
zwecken beim besten Willen nicht zusammenzureimen sind.

Die Berliner Firmen haben sich recht gut beteiligt, die Ausstellung bietet
ans vielen Gebieten ein anerkennenswert vollständiges Bild des Berliner Ge-
werbfleißes. Einzelne Gruppen, z- B. das Kunstgewerbe, namentlich soweit es
Metalle, edle und unedle, verarbeitet, auch die Bekleidungsindustrie in allen
ihren Zweigen zeigen geradezu hervorragendes. Aber es sind auch große,
wichtige Gebiete fast gar nicht vertreten, z. B. die Keramik, wenn man von
der Ausstellung der königlichen Porzellanmanufaktur absteht. Für viele Zweige
des Gewerbes würde überdies die Frage noch zu beantworten sein, ob nicht
ohne die jetzt auch für die Aussteller entstandnen hohen Kosten der Zweck
jeder Ausstellung, das Bekanntmachen der ausgestellten Erzeugnisse und der
ausstellenden Firmen, die Eröffnung neuer Absatzgebiete und die Anknüpfung
neuer Geschäftsverbindungen, besser durch eine große Messe zu erreichen ge¬
wesen wäre, die nicht auf die Masse der Besucher, sondern nur auf die Inter¬
essenten rechnet und an erschöpfender Auskunft über die ausgestellten Gegen¬
stände, in Preisangaben u. dergl., mehr leisten könnte, als eine derartige bloße
Schaustellung.

Aus technischem Gebiete bietet die Ausstellung leider sehr wenig, so wenig,
daß namentlich der, der die hochentwickelte Berliner Maschinenindustrie, die seit
einem halben Jahrhundert blühenden alten wie die großen neuen Firmen kennt,
sicherlich enttäuscht sein wird. Die Berliner Maschinen- und Elektrotechnik
leistet deun doch bedeutend mehr und ist besser und vielseitiger, als man auf
Grund der ausgestellte» Gruppe schließen könnte. Dachte man sich noch die
der Beleuchtung und der Kraftabgabe dienenden Maschinen hinweg, die ja
streng genommen nur Ausstellungsgegenstände zweiter Ordnung sind, die zum
großen Teil gegen Bezahlung geliefert oder gemietet sind, so würde die
Maschinenhalle ein Bild erschreckender Leere bieten. Außerdem ist gerade
die Beleuchtungsanlage und die Anlage zur Abgabe elektrischen Stroms für
motorische Zwecke so, wie sie hier ausgeführt ist, durchaus nicht muster¬
haft zu nennen. Vom technischen Standpunkt aus ist es ein Unsinn, statt
einer großen Zentrale hier eine 100pferdige, dort eine IlOpferdige Dampf¬
maschine zum Antrieb von Dynamomaschinen hinzustellen. Dabei ist die Ver¬
teilung des zu versorgenden Leitungsnetzes auf die einzelnen Maschinen viel¬
fach erschreckend schlecht. Läuft doch manche lOOpferdige Dampfmaschine nebst
Dynamomaschine den ganzen Tag. bloß weil irgend eine Schokoladenmühle im
Park oder irgend sonst eine kleine Maschine den ganzen Tag über eine Pferde¬
kraft braucht! Die ganze zersplitterte Anlage erklärt sich nur daraus, daß


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0021" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/222963"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Berliner Gewerbeausstellung</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_30" prev="#ID_29"> berlinischer deutscher Industrie zu zeigen; die Sache hat aber doch ihre bedenk¬<lb/>
liche Seite, wenn innerhalb der Kolonialausstellung ein buntes und ziemlich<lb/>
regelloses Gemisch aller möglichen Sachen entsteht, die, wie z. B. Schaukel¬<lb/>
badewannen. Schnellpressen, Orchestrions, Nettungsfenster u. dergl. mit Kolonial¬<lb/>
zwecken beim besten Willen nicht zusammenzureimen sind.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_31"> Die Berliner Firmen haben sich recht gut beteiligt, die Ausstellung bietet<lb/>
ans vielen Gebieten ein anerkennenswert vollständiges Bild des Berliner Ge-<lb/>
werbfleißes. Einzelne Gruppen, z- B. das Kunstgewerbe, namentlich soweit es<lb/>
Metalle, edle und unedle, verarbeitet, auch die Bekleidungsindustrie in allen<lb/>
ihren Zweigen zeigen geradezu hervorragendes.  Aber es sind auch große,<lb/>
wichtige Gebiete fast gar nicht vertreten, z. B. die Keramik, wenn man von<lb/>
der Ausstellung der königlichen Porzellanmanufaktur absteht. Für viele Zweige<lb/>
des Gewerbes würde überdies die Frage noch zu beantworten sein, ob nicht<lb/>
ohne die jetzt auch für die Aussteller entstandnen hohen Kosten der Zweck<lb/>
jeder Ausstellung, das Bekanntmachen der ausgestellten Erzeugnisse und der<lb/>
ausstellenden Firmen, die Eröffnung neuer Absatzgebiete und die Anknüpfung<lb/>
neuer Geschäftsverbindungen, besser durch eine große Messe zu erreichen ge¬<lb/>
wesen wäre, die nicht auf die Masse der Besucher, sondern nur auf die Inter¬<lb/>
essenten rechnet und an erschöpfender Auskunft über die ausgestellten Gegen¬<lb/>
stände, in Preisangaben u. dergl., mehr leisten könnte, als eine derartige bloße<lb/>
Schaustellung.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_32" next="#ID_33"> Aus technischem Gebiete bietet die Ausstellung leider sehr wenig, so wenig,<lb/>
daß namentlich der, der die hochentwickelte Berliner Maschinenindustrie, die seit<lb/>
einem halben Jahrhundert blühenden alten wie die großen neuen Firmen kennt,<lb/>
sicherlich enttäuscht sein wird. Die Berliner Maschinen- und Elektrotechnik<lb/>
leistet deun doch bedeutend mehr und ist besser und vielseitiger, als man auf<lb/>
Grund der ausgestellte» Gruppe schließen könnte. Dachte man sich noch die<lb/>
der Beleuchtung und der Kraftabgabe dienenden Maschinen hinweg, die ja<lb/>
streng genommen nur Ausstellungsgegenstände zweiter Ordnung sind, die zum<lb/>
großen Teil gegen Bezahlung geliefert oder gemietet sind, so würde die<lb/>
Maschinenhalle ein Bild erschreckender Leere bieten. Außerdem ist gerade<lb/>
die Beleuchtungsanlage und die Anlage zur Abgabe elektrischen Stroms für<lb/>
motorische Zwecke so, wie sie hier ausgeführt ist, durchaus nicht muster¬<lb/>
haft zu nennen. Vom technischen Standpunkt aus ist es ein Unsinn, statt<lb/>
einer großen Zentrale hier eine 100pferdige, dort eine IlOpferdige Dampf¬<lb/>
maschine zum Antrieb von Dynamomaschinen hinzustellen. Dabei ist die Ver¬<lb/>
teilung des zu versorgenden Leitungsnetzes auf die einzelnen Maschinen viel¬<lb/>
fach erschreckend schlecht. Läuft doch manche lOOpferdige Dampfmaschine nebst<lb/>
Dynamomaschine den ganzen Tag. bloß weil irgend eine Schokoladenmühle im<lb/>
Park oder irgend sonst eine kleine Maschine den ganzen Tag über eine Pferde¬<lb/>
kraft braucht!  Die ganze zersplitterte Anlage erklärt sich nur daraus, daß</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0021] Die Berliner Gewerbeausstellung berlinischer deutscher Industrie zu zeigen; die Sache hat aber doch ihre bedenk¬ liche Seite, wenn innerhalb der Kolonialausstellung ein buntes und ziemlich regelloses Gemisch aller möglichen Sachen entsteht, die, wie z. B. Schaukel¬ badewannen. Schnellpressen, Orchestrions, Nettungsfenster u. dergl. mit Kolonial¬ zwecken beim besten Willen nicht zusammenzureimen sind. Die Berliner Firmen haben sich recht gut beteiligt, die Ausstellung bietet ans vielen Gebieten ein anerkennenswert vollständiges Bild des Berliner Ge- werbfleißes. Einzelne Gruppen, z- B. das Kunstgewerbe, namentlich soweit es Metalle, edle und unedle, verarbeitet, auch die Bekleidungsindustrie in allen ihren Zweigen zeigen geradezu hervorragendes. Aber es sind auch große, wichtige Gebiete fast gar nicht vertreten, z. B. die Keramik, wenn man von der Ausstellung der königlichen Porzellanmanufaktur absteht. Für viele Zweige des Gewerbes würde überdies die Frage noch zu beantworten sein, ob nicht ohne die jetzt auch für die Aussteller entstandnen hohen Kosten der Zweck jeder Ausstellung, das Bekanntmachen der ausgestellten Erzeugnisse und der ausstellenden Firmen, die Eröffnung neuer Absatzgebiete und die Anknüpfung neuer Geschäftsverbindungen, besser durch eine große Messe zu erreichen ge¬ wesen wäre, die nicht auf die Masse der Besucher, sondern nur auf die Inter¬ essenten rechnet und an erschöpfender Auskunft über die ausgestellten Gegen¬ stände, in Preisangaben u. dergl., mehr leisten könnte, als eine derartige bloße Schaustellung. Aus technischem Gebiete bietet die Ausstellung leider sehr wenig, so wenig, daß namentlich der, der die hochentwickelte Berliner Maschinenindustrie, die seit einem halben Jahrhundert blühenden alten wie die großen neuen Firmen kennt, sicherlich enttäuscht sein wird. Die Berliner Maschinen- und Elektrotechnik leistet deun doch bedeutend mehr und ist besser und vielseitiger, als man auf Grund der ausgestellte» Gruppe schließen könnte. Dachte man sich noch die der Beleuchtung und der Kraftabgabe dienenden Maschinen hinweg, die ja streng genommen nur Ausstellungsgegenstände zweiter Ordnung sind, die zum großen Teil gegen Bezahlung geliefert oder gemietet sind, so würde die Maschinenhalle ein Bild erschreckender Leere bieten. Außerdem ist gerade die Beleuchtungsanlage und die Anlage zur Abgabe elektrischen Stroms für motorische Zwecke so, wie sie hier ausgeführt ist, durchaus nicht muster¬ haft zu nennen. Vom technischen Standpunkt aus ist es ein Unsinn, statt einer großen Zentrale hier eine 100pferdige, dort eine IlOpferdige Dampf¬ maschine zum Antrieb von Dynamomaschinen hinzustellen. Dabei ist die Ver¬ teilung des zu versorgenden Leitungsnetzes auf die einzelnen Maschinen viel¬ fach erschreckend schlecht. Läuft doch manche lOOpferdige Dampfmaschine nebst Dynamomaschine den ganzen Tag. bloß weil irgend eine Schokoladenmühle im Park oder irgend sonst eine kleine Maschine den ganzen Tag über eine Pferde¬ kraft braucht! Die ganze zersplitterte Anlage erklärt sich nur daraus, daß

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/21
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/21>, abgerufen am 01.09.2024.