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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Die Berliner Gewerbeausstellung

eine Erweiterung ihrer Absatzgebiete war kaum zu erwarten. Und doch wäre
dieser Widerspruch nicht unüberwindlich gewesen, wenn die Regierung dieser
Strömung nicht nachgegeben hätte, wenn sie die Bedeutung einer jahre¬
langen nationalen Jnteressenvereinigung in unsrer von Parteihader und Sonder¬
interessen zerrissenen Zeit richtig erkannt und an maßgebender Stelle ver¬
fochten hätte. Wäre es gelungen, den Kaiser, dessen Interesse für alle Zweige
der Technik bekannt ist und gerade jetzt bei Gelegenheit der Berliner Aus¬
stellung wieder so klar zu Tage getreten ist, für diese gut deutsche Sache
zu gewinnen, so wäre die Beteiligung der widerstrebenden Kreise, selbst unter
großen Opfern, wohl selbstverständlich gewesen. Dieses Interesse zu gewinnen,
wäre Sache der Regierung gewesen. Vielleicht wäre aber trotz des Wider¬
standes der Nheinpreußen und trotz des Zögerns der Negierung die deutsch¬
nationale Sache doch zum Siege gekommen, wenn nicht, noch ehe sich ein
deutsches Ausstellungskomitee gebildet hatte, ein Berliner Ausschuß mit dem
Plan einer nur örtlichen Berliner Ausstellung hervorgetreten wäre. Von diesem
Augenblick an war die deutsch-nationale Ausstellung gefallen; das wußte jeder
Einsichtige; er wußte auch von vornherein, daß alle die in die Welt hinaus¬
posaunten Phrasen von der Hoffnung auf ein recht weites Sichauswachsen der
geplanten Berliner zu einer deutschen Ausstellung eben nichts als Phrasen
waren. Der Erfolg hat gezeigt, daß die Recht behalten haben, die das gleich
zu Anfang behaupteten. Nachdem sich der erste Sturm gelegt hatte, nachdem
dann der Plan einer großen deutschen Ausstellung vou seinen eifrigsten Ver¬
fechtern aufgegeben war, und nachdem auch der engere Plan wenigstens einer
allgemeinen deutschen kunstgewerblichen Ausstellung zu Wasser geworden war,
tauchten bald die Pläne zu andern, für dasselbe Jahr beabsichtigten Aus¬
stellungen ans. An Stelle des "Sichauswachsens" der Berliner Ausstellung
trat dann nur zu bald ein Einschrumpfen all der großen Projekte, die lange
Zeit als technische Hauptanziehungspunkte der Ausstellung gepriesen worden
waren, und die nun teils in bedeutend kleinerm Maßstabe, wie das Riesenfern-
rohr, das übrigens noch lange nicht fertig ist, teils in geradezu kläglicher
Weise zustande gekommen sind, wie die Stufenbahn, die lange als großartiges
Masfenbeförderungsmittel, eine neue Art von Nundbahn, gepriesen worden
war und jetzt nicht viel mehr ist als ein merkwürdiges und recht kostspieliges
Karussel. Selbst die Kolonialausstellung, die sich von Anfang an der För¬
derung maßgebender Kreise zu erfreuen hatte, ist, soviel sie auch des Inter¬
essanten und Belehrenden bietet, doch nicht das geworden, was man von ihr
erwartet hatte. Ist doch ein großer Teil ihrer Ausstellungshallen nur da¬
durch gefüllt worden, daß nichtberlinische Firmen unter der Flagge der Ko¬
lonialausstellung ihren Einzug in die sonst angeblich "hermetisch" verschlossene
Berliner Ausstellung gehalten haben. Das mag an sich kein Fehler sein, weil
damit weitern Kreisen Gelegenheit geboten worden ist, noch etwas von außer-


Die Berliner Gewerbeausstellung

eine Erweiterung ihrer Absatzgebiete war kaum zu erwarten. Und doch wäre
dieser Widerspruch nicht unüberwindlich gewesen, wenn die Regierung dieser
Strömung nicht nachgegeben hätte, wenn sie die Bedeutung einer jahre¬
langen nationalen Jnteressenvereinigung in unsrer von Parteihader und Sonder¬
interessen zerrissenen Zeit richtig erkannt und an maßgebender Stelle ver¬
fochten hätte. Wäre es gelungen, den Kaiser, dessen Interesse für alle Zweige
der Technik bekannt ist und gerade jetzt bei Gelegenheit der Berliner Aus¬
stellung wieder so klar zu Tage getreten ist, für diese gut deutsche Sache
zu gewinnen, so wäre die Beteiligung der widerstrebenden Kreise, selbst unter
großen Opfern, wohl selbstverständlich gewesen. Dieses Interesse zu gewinnen,
wäre Sache der Regierung gewesen. Vielleicht wäre aber trotz des Wider¬
standes der Nheinpreußen und trotz des Zögerns der Negierung die deutsch¬
nationale Sache doch zum Siege gekommen, wenn nicht, noch ehe sich ein
deutsches Ausstellungskomitee gebildet hatte, ein Berliner Ausschuß mit dem
Plan einer nur örtlichen Berliner Ausstellung hervorgetreten wäre. Von diesem
Augenblick an war die deutsch-nationale Ausstellung gefallen; das wußte jeder
Einsichtige; er wußte auch von vornherein, daß alle die in die Welt hinaus¬
posaunten Phrasen von der Hoffnung auf ein recht weites Sichauswachsen der
geplanten Berliner zu einer deutschen Ausstellung eben nichts als Phrasen
waren. Der Erfolg hat gezeigt, daß die Recht behalten haben, die das gleich
zu Anfang behaupteten. Nachdem sich der erste Sturm gelegt hatte, nachdem
dann der Plan einer großen deutschen Ausstellung vou seinen eifrigsten Ver¬
fechtern aufgegeben war, und nachdem auch der engere Plan wenigstens einer
allgemeinen deutschen kunstgewerblichen Ausstellung zu Wasser geworden war,
tauchten bald die Pläne zu andern, für dasselbe Jahr beabsichtigten Aus¬
stellungen ans. An Stelle des „Sichauswachsens" der Berliner Ausstellung
trat dann nur zu bald ein Einschrumpfen all der großen Projekte, die lange
Zeit als technische Hauptanziehungspunkte der Ausstellung gepriesen worden
waren, und die nun teils in bedeutend kleinerm Maßstabe, wie das Riesenfern-
rohr, das übrigens noch lange nicht fertig ist, teils in geradezu kläglicher
Weise zustande gekommen sind, wie die Stufenbahn, die lange als großartiges
Masfenbeförderungsmittel, eine neue Art von Nundbahn, gepriesen worden
war und jetzt nicht viel mehr ist als ein merkwürdiges und recht kostspieliges
Karussel. Selbst die Kolonialausstellung, die sich von Anfang an der För¬
derung maßgebender Kreise zu erfreuen hatte, ist, soviel sie auch des Inter¬
essanten und Belehrenden bietet, doch nicht das geworden, was man von ihr
erwartet hatte. Ist doch ein großer Teil ihrer Ausstellungshallen nur da¬
durch gefüllt worden, daß nichtberlinische Firmen unter der Flagge der Ko¬
lonialausstellung ihren Einzug in die sonst angeblich „hermetisch" verschlossene
Berliner Ausstellung gehalten haben. Das mag an sich kein Fehler sein, weil
damit weitern Kreisen Gelegenheit geboten worden ist, noch etwas von außer-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/20>, abgerufen am 01.09.2024.