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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Die Berliner GeWerbeausstellung

Anlage und der Architektur ist viel, sehr viel geleistet worden. Alle Besucher
-- und das ist ja die größte Mehrzahl, mit der aus pekuniären Gründen zu
rechnen ist --, alle Besucher, die weniger kommen, um zu lernen, als um zu
sehen und sich zu belustigen, werden in vollstem Maße befriedigt werden.
Geht man freilich näher auf den Kern ein, so zeigt die Ausstellung, nament¬
lich dem Techniker, der die neuesten Fortschritte sehen und etwas lernen möchte,
ein zweites, weniger befriedigendes Gesicht. Jeder, der die großen, jahrelangen
Kämpfe kennt, die der Ausstellung vorangegangen sind, wird es bedauern, daß
dieser glanzvolle Rahmen nicht ein gehaltvolleres Bild des deutschen Gewerb-
fleißes umschließt, als es sich jetzt in Treptow dem schärfer blickenden Auge
zeigt. Mag auch die Leitung der Ausstellung, wetteifernd mit einem großen
Teil der Tagespresse, die deutsch-nationale Ausstellung als glücklich über-
wunduen Standpunkt ansehen, so ist es doch im höchsten Grade bedauerlich,
daß aus den langjährigen Verhandlungen nicht eine internationale Welt¬
ausstellung oder doch wenigstens eine deutsch-nationale Ausstellung hervor¬
gegangen ist. Es ist das um so bedauerlicher, als allein durch den von der
Stadt Berlin für diesen Fall in Aussicht gestellten Garantiefonds von mehreren
Millionen Mark die Ausstellung besser gesichert war als jetzt, wo sie bereits
ängstlich mit dem drohenden Gespenst eines Defizits kämpft. Für Neprüsen-
tationsbauten, für Reklame u. dergl. wären die Kosten bei einer deutsch-natio¬
nalen Ausstellung uur unwesentlich höher gewesen.

Da die deutsche Ausstellung nicht zustande gekommen ist, so haben wir
in diesem Jahre wieder, wie in dem vorigen Jahre, das wenig erbauliche
Bild einer traurigen Zersplitterung aus dem Gebiete des Ausstellungswesens.
Da ist in Kiel die Schleswig-holsteinische, in Graudenz eine westpreußische, in
Nürnberg die bairische Landesausstellung, in Dresden die Ausstellung des
sächsischen Kunstgewerbes; dazu kommt Stuttgart mit der alljährlich wieder¬
kehrenden landwirtschaftlichen Wanderausstellung und einer Gewerbeansstellung,
und da giebt es noch Leute, die von Ausstellungsmüdigkeit reden, die
triumphiren, daß die nationale Ausstellung, die dieser unseligen Zersplitterung,
für einige Zeit wenigstens, ein Ende gemacht hätte, gescheitert ist! Den Süd¬
deutschen ist kein Vorwurf zu machen, daß sie sich abgesondert haben; gerade sie
waren von Anfang an. wie die Stadt Berlin selbst, wie Mitteldeutschland und
der größte Teil Ostdeutschlands, mit einer nationalen Ausstellung einverstanden.
Und an sich hat sicher eine bairische oder sächsische Landesausstellung größere
Berechtigung als eine rein örtliche Berliner Ausstellung.

Ein großes Hindernis für das Zustandekommen einer deutschen Aus¬
stellung war der Widerstand der rheinpreußischen Großindustriellen. Dieser
Widerstand ist begreiflich, ja bis zu einem gewissen Grade berechtigt: die großen
rheinischen Werke haben Weltruf und große, feste Absatzgebiete im In- und
Auslande; eine Reklame für ihre Werke und Fabrikate hatten sie nicht nötig;


Die Berliner GeWerbeausstellung

Anlage und der Architektur ist viel, sehr viel geleistet worden. Alle Besucher
— und das ist ja die größte Mehrzahl, mit der aus pekuniären Gründen zu
rechnen ist —, alle Besucher, die weniger kommen, um zu lernen, als um zu
sehen und sich zu belustigen, werden in vollstem Maße befriedigt werden.
Geht man freilich näher auf den Kern ein, so zeigt die Ausstellung, nament¬
lich dem Techniker, der die neuesten Fortschritte sehen und etwas lernen möchte,
ein zweites, weniger befriedigendes Gesicht. Jeder, der die großen, jahrelangen
Kämpfe kennt, die der Ausstellung vorangegangen sind, wird es bedauern, daß
dieser glanzvolle Rahmen nicht ein gehaltvolleres Bild des deutschen Gewerb-
fleißes umschließt, als es sich jetzt in Treptow dem schärfer blickenden Auge
zeigt. Mag auch die Leitung der Ausstellung, wetteifernd mit einem großen
Teil der Tagespresse, die deutsch-nationale Ausstellung als glücklich über-
wunduen Standpunkt ansehen, so ist es doch im höchsten Grade bedauerlich,
daß aus den langjährigen Verhandlungen nicht eine internationale Welt¬
ausstellung oder doch wenigstens eine deutsch-nationale Ausstellung hervor¬
gegangen ist. Es ist das um so bedauerlicher, als allein durch den von der
Stadt Berlin für diesen Fall in Aussicht gestellten Garantiefonds von mehreren
Millionen Mark die Ausstellung besser gesichert war als jetzt, wo sie bereits
ängstlich mit dem drohenden Gespenst eines Defizits kämpft. Für Neprüsen-
tationsbauten, für Reklame u. dergl. wären die Kosten bei einer deutsch-natio¬
nalen Ausstellung uur unwesentlich höher gewesen.

Da die deutsche Ausstellung nicht zustande gekommen ist, so haben wir
in diesem Jahre wieder, wie in dem vorigen Jahre, das wenig erbauliche
Bild einer traurigen Zersplitterung aus dem Gebiete des Ausstellungswesens.
Da ist in Kiel die Schleswig-holsteinische, in Graudenz eine westpreußische, in
Nürnberg die bairische Landesausstellung, in Dresden die Ausstellung des
sächsischen Kunstgewerbes; dazu kommt Stuttgart mit der alljährlich wieder¬
kehrenden landwirtschaftlichen Wanderausstellung und einer Gewerbeansstellung,
und da giebt es noch Leute, die von Ausstellungsmüdigkeit reden, die
triumphiren, daß die nationale Ausstellung, die dieser unseligen Zersplitterung,
für einige Zeit wenigstens, ein Ende gemacht hätte, gescheitert ist! Den Süd¬
deutschen ist kein Vorwurf zu machen, daß sie sich abgesondert haben; gerade sie
waren von Anfang an. wie die Stadt Berlin selbst, wie Mitteldeutschland und
der größte Teil Ostdeutschlands, mit einer nationalen Ausstellung einverstanden.
Und an sich hat sicher eine bairische oder sächsische Landesausstellung größere
Berechtigung als eine rein örtliche Berliner Ausstellung.

Ein großes Hindernis für das Zustandekommen einer deutschen Aus¬
stellung war der Widerstand der rheinpreußischen Großindustriellen. Dieser
Widerstand ist begreiflich, ja bis zu einem gewissen Grade berechtigt: die großen
rheinischen Werke haben Weltruf und große, feste Absatzgebiete im In- und
Auslande; eine Reklame für ihre Werke und Fabrikate hatten sie nicht nötig;


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[0019] Die Berliner GeWerbeausstellung Anlage und der Architektur ist viel, sehr viel geleistet worden. Alle Besucher — und das ist ja die größte Mehrzahl, mit der aus pekuniären Gründen zu rechnen ist —, alle Besucher, die weniger kommen, um zu lernen, als um zu sehen und sich zu belustigen, werden in vollstem Maße befriedigt werden. Geht man freilich näher auf den Kern ein, so zeigt die Ausstellung, nament¬ lich dem Techniker, der die neuesten Fortschritte sehen und etwas lernen möchte, ein zweites, weniger befriedigendes Gesicht. Jeder, der die großen, jahrelangen Kämpfe kennt, die der Ausstellung vorangegangen sind, wird es bedauern, daß dieser glanzvolle Rahmen nicht ein gehaltvolleres Bild des deutschen Gewerb- fleißes umschließt, als es sich jetzt in Treptow dem schärfer blickenden Auge zeigt. Mag auch die Leitung der Ausstellung, wetteifernd mit einem großen Teil der Tagespresse, die deutsch-nationale Ausstellung als glücklich über- wunduen Standpunkt ansehen, so ist es doch im höchsten Grade bedauerlich, daß aus den langjährigen Verhandlungen nicht eine internationale Welt¬ ausstellung oder doch wenigstens eine deutsch-nationale Ausstellung hervor¬ gegangen ist. Es ist das um so bedauerlicher, als allein durch den von der Stadt Berlin für diesen Fall in Aussicht gestellten Garantiefonds von mehreren Millionen Mark die Ausstellung besser gesichert war als jetzt, wo sie bereits ängstlich mit dem drohenden Gespenst eines Defizits kämpft. Für Neprüsen- tationsbauten, für Reklame u. dergl. wären die Kosten bei einer deutsch-natio¬ nalen Ausstellung uur unwesentlich höher gewesen. Da die deutsche Ausstellung nicht zustande gekommen ist, so haben wir in diesem Jahre wieder, wie in dem vorigen Jahre, das wenig erbauliche Bild einer traurigen Zersplitterung aus dem Gebiete des Ausstellungswesens. Da ist in Kiel die Schleswig-holsteinische, in Graudenz eine westpreußische, in Nürnberg die bairische Landesausstellung, in Dresden die Ausstellung des sächsischen Kunstgewerbes; dazu kommt Stuttgart mit der alljährlich wieder¬ kehrenden landwirtschaftlichen Wanderausstellung und einer Gewerbeansstellung, und da giebt es noch Leute, die von Ausstellungsmüdigkeit reden, die triumphiren, daß die nationale Ausstellung, die dieser unseligen Zersplitterung, für einige Zeit wenigstens, ein Ende gemacht hätte, gescheitert ist! Den Süd¬ deutschen ist kein Vorwurf zu machen, daß sie sich abgesondert haben; gerade sie waren von Anfang an. wie die Stadt Berlin selbst, wie Mitteldeutschland und der größte Teil Ostdeutschlands, mit einer nationalen Ausstellung einverstanden. Und an sich hat sicher eine bairische oder sächsische Landesausstellung größere Berechtigung als eine rein örtliche Berliner Ausstellung. Ein großes Hindernis für das Zustandekommen einer deutschen Aus¬ stellung war der Widerstand der rheinpreußischen Großindustriellen. Dieser Widerstand ist begreiflich, ja bis zu einem gewissen Grade berechtigt: die großen rheinischen Werke haben Weltruf und große, feste Absatzgebiete im In- und Auslande; eine Reklame für ihre Werke und Fabrikate hatten sie nicht nötig;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/19>, abgerufen am 01.09.2024.