Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Das Vermögen der Frau

el der Beratung des bürgerlichen Gesetzbuchs im letzten Reichs¬
tage ist in allen drei Lesungen von einer aus verschiednen Par¬
teien zusammengesetzten Minderheit gefordert worden, daß die
Frau in der Ehe ihr Vermögen selbständig solle verwalten können,
und nachdem die Forderung zurückgewiesen worden ist, fährt
man fort, ihre Ablehnung als eine soziale Ungerechtigkeit gegen das andre Ge¬
schlecht hinzustellen. Auf feiten derer, die die Forderung gestellt haben, hat sich
so wenig Einsicht in die wirkliche Lage der Dinge gezeigt, daß es nicht über¬
flüssig ist, das von der Gegenseite in Bezug auf Kritik unterlassene nachzu-
holen in einer kurzen Betrachtung, die sich vou alleu weiter ausgreifenden sitt¬
lichen, politischen oder sonstigen Gesichtspunkten und Nebenabsichten frei halten
und nur die thatsächlichen Verhältnisse unsers heutigen Lebens behandeln soll.

Man hat bei dieser Forderung zwei ganz verschiedne Gruppen von Frauen
im Auge gehabt, nämlich solche Frauen der bessern Stände, die ein nennens¬
wertes eignes Vermögen haben (auf feiten der Freisinnigen, eines Teiles der
Nationalliberalen und einiger Konservativen) und die Arbeiterfrauen der Städte,
die nichts besitzen (auf feiten der Sozialdemokraten). Dort, in der Gruppe
so wird vorausgesetzt, kann der Mann das Vermögen der Frau im Geschäft,
durch Spekulation oder Spiel angreifen und verbrauchen. Hier, in der Gruppe L,
kann er im Trunk oder in roher Eigenmächtigkeit den Gewinn ihrer selbständig
geleisteten Arbeit für seine Person in Anspruch nehmen und der Familie vor¬
enthalten. An die in Sachen bestehende Mitgift der Frau ist weder dort uoch
hier gedacht worden, denn sie könnte sowohl bei der bisherigen als auch durch
die den Antragstellern vorschwebende künftige Gesetzgebung bei Vermögens-
verfnll des Mannes vor der Pfändung sichergestellt werden. Wenn sie aber
der Mann selbst angreifen und veräußern wollte, so müßte die Frau bei jeder
Gesetzgebung den Schutz der öffentlichen Ordnung in Anspruch nehmen, und
Ne würde das auch mit Erfolg thun, wenn sie nur wollte.

Es handelt sich also in beiden Fällen nnr um das bare Geld. In der
Gruppe L ist die Frau in der Regel auf das Mitverdienen für die Familie
angewiesen. Der Ertrag des Verdienens ist aber im Vergleich zu dem Erwerb
des Mannes gering und an sich erst recht gering. Für das Recht der selb-




Das Vermögen der Frau

el der Beratung des bürgerlichen Gesetzbuchs im letzten Reichs¬
tage ist in allen drei Lesungen von einer aus verschiednen Par¬
teien zusammengesetzten Minderheit gefordert worden, daß die
Frau in der Ehe ihr Vermögen selbständig solle verwalten können,
und nachdem die Forderung zurückgewiesen worden ist, fährt
man fort, ihre Ablehnung als eine soziale Ungerechtigkeit gegen das andre Ge¬
schlecht hinzustellen. Auf feiten derer, die die Forderung gestellt haben, hat sich
so wenig Einsicht in die wirkliche Lage der Dinge gezeigt, daß es nicht über¬
flüssig ist, das von der Gegenseite in Bezug auf Kritik unterlassene nachzu-
holen in einer kurzen Betrachtung, die sich vou alleu weiter ausgreifenden sitt¬
lichen, politischen oder sonstigen Gesichtspunkten und Nebenabsichten frei halten
und nur die thatsächlichen Verhältnisse unsers heutigen Lebens behandeln soll.

Man hat bei dieser Forderung zwei ganz verschiedne Gruppen von Frauen
im Auge gehabt, nämlich solche Frauen der bessern Stände, die ein nennens¬
wertes eignes Vermögen haben (auf feiten der Freisinnigen, eines Teiles der
Nationalliberalen und einiger Konservativen) und die Arbeiterfrauen der Städte,
die nichts besitzen (auf feiten der Sozialdemokraten). Dort, in der Gruppe
so wird vorausgesetzt, kann der Mann das Vermögen der Frau im Geschäft,
durch Spekulation oder Spiel angreifen und verbrauchen. Hier, in der Gruppe L,
kann er im Trunk oder in roher Eigenmächtigkeit den Gewinn ihrer selbständig
geleisteten Arbeit für seine Person in Anspruch nehmen und der Familie vor¬
enthalten. An die in Sachen bestehende Mitgift der Frau ist weder dort uoch
hier gedacht worden, denn sie könnte sowohl bei der bisherigen als auch durch
die den Antragstellern vorschwebende künftige Gesetzgebung bei Vermögens-
verfnll des Mannes vor der Pfändung sichergestellt werden. Wenn sie aber
der Mann selbst angreifen und veräußern wollte, so müßte die Frau bei jeder
Gesetzgebung den Schutz der öffentlichen Ordnung in Anspruch nehmen, und
Ne würde das auch mit Erfolg thun, wenn sie nur wollte.

Es handelt sich also in beiden Fällen nnr um das bare Geld. In der
Gruppe L ist die Frau in der Regel auf das Mitverdienen für die Familie
angewiesen. Der Ertrag des Verdienens ist aber im Vergleich zu dem Erwerb
des Mannes gering und an sich erst recht gering. Für das Recht der selb-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0117" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/223059"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341863_222941/figures/grenzboten_341863_222941_223059_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Das Vermögen der Frau</head><lb/>
          <p xml:id="ID_381"> el der Beratung des bürgerlichen Gesetzbuchs im letzten Reichs¬<lb/>
tage ist in allen drei Lesungen von einer aus verschiednen Par¬<lb/>
teien zusammengesetzten Minderheit gefordert worden, daß die<lb/>
Frau in der Ehe ihr Vermögen selbständig solle verwalten können,<lb/>
und nachdem die Forderung zurückgewiesen worden ist, fährt<lb/>
man fort, ihre Ablehnung als eine soziale Ungerechtigkeit gegen das andre Ge¬<lb/>
schlecht hinzustellen. Auf feiten derer, die die Forderung gestellt haben, hat sich<lb/>
so wenig Einsicht in die wirkliche Lage der Dinge gezeigt, daß es nicht über¬<lb/>
flüssig ist, das von der Gegenseite in Bezug auf Kritik unterlassene nachzu-<lb/>
holen in einer kurzen Betrachtung, die sich vou alleu weiter ausgreifenden sitt¬<lb/>
lichen, politischen oder sonstigen Gesichtspunkten und Nebenabsichten frei halten<lb/>
und nur die thatsächlichen Verhältnisse unsers heutigen Lebens behandeln soll.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_382"> Man hat bei dieser Forderung zwei ganz verschiedne Gruppen von Frauen<lb/>
im Auge gehabt, nämlich solche Frauen der bessern Stände, die ein nennens¬<lb/>
wertes eignes Vermögen haben (auf feiten der Freisinnigen, eines Teiles der<lb/>
Nationalliberalen und einiger Konservativen) und die Arbeiterfrauen der Städte,<lb/>
die nichts besitzen (auf feiten der Sozialdemokraten). Dort, in der Gruppe<lb/>
so wird vorausgesetzt, kann der Mann das Vermögen der Frau im Geschäft,<lb/>
durch Spekulation oder Spiel angreifen und verbrauchen. Hier, in der Gruppe L,<lb/>
kann er im Trunk oder in roher Eigenmächtigkeit den Gewinn ihrer selbständig<lb/>
geleisteten Arbeit für seine Person in Anspruch nehmen und der Familie vor¬<lb/>
enthalten. An die in Sachen bestehende Mitgift der Frau ist weder dort uoch<lb/>
hier gedacht worden, denn sie könnte sowohl bei der bisherigen als auch durch<lb/>
die den Antragstellern vorschwebende künftige Gesetzgebung bei Vermögens-<lb/>
verfnll des Mannes vor der Pfändung sichergestellt werden. Wenn sie aber<lb/>
der Mann selbst angreifen und veräußern wollte, so müßte die Frau bei jeder<lb/>
Gesetzgebung den Schutz der öffentlichen Ordnung in Anspruch nehmen, und<lb/>
Ne würde das auch mit Erfolg thun, wenn sie nur wollte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_383" next="#ID_384"> Es handelt sich also in beiden Fällen nnr um das bare Geld. In der<lb/>
Gruppe L ist die Frau in der Regel auf das Mitverdienen für die Familie<lb/>
angewiesen. Der Ertrag des Verdienens ist aber im Vergleich zu dem Erwerb<lb/>
des Mannes gering und an sich erst recht gering.  Für das Recht der selb-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0117] [Abbildung] Das Vermögen der Frau el der Beratung des bürgerlichen Gesetzbuchs im letzten Reichs¬ tage ist in allen drei Lesungen von einer aus verschiednen Par¬ teien zusammengesetzten Minderheit gefordert worden, daß die Frau in der Ehe ihr Vermögen selbständig solle verwalten können, und nachdem die Forderung zurückgewiesen worden ist, fährt man fort, ihre Ablehnung als eine soziale Ungerechtigkeit gegen das andre Ge¬ schlecht hinzustellen. Auf feiten derer, die die Forderung gestellt haben, hat sich so wenig Einsicht in die wirkliche Lage der Dinge gezeigt, daß es nicht über¬ flüssig ist, das von der Gegenseite in Bezug auf Kritik unterlassene nachzu- holen in einer kurzen Betrachtung, die sich vou alleu weiter ausgreifenden sitt¬ lichen, politischen oder sonstigen Gesichtspunkten und Nebenabsichten frei halten und nur die thatsächlichen Verhältnisse unsers heutigen Lebens behandeln soll. Man hat bei dieser Forderung zwei ganz verschiedne Gruppen von Frauen im Auge gehabt, nämlich solche Frauen der bessern Stände, die ein nennens¬ wertes eignes Vermögen haben (auf feiten der Freisinnigen, eines Teiles der Nationalliberalen und einiger Konservativen) und die Arbeiterfrauen der Städte, die nichts besitzen (auf feiten der Sozialdemokraten). Dort, in der Gruppe so wird vorausgesetzt, kann der Mann das Vermögen der Frau im Geschäft, durch Spekulation oder Spiel angreifen und verbrauchen. Hier, in der Gruppe L, kann er im Trunk oder in roher Eigenmächtigkeit den Gewinn ihrer selbständig geleisteten Arbeit für seine Person in Anspruch nehmen und der Familie vor¬ enthalten. An die in Sachen bestehende Mitgift der Frau ist weder dort uoch hier gedacht worden, denn sie könnte sowohl bei der bisherigen als auch durch die den Antragstellern vorschwebende künftige Gesetzgebung bei Vermögens- verfnll des Mannes vor der Pfändung sichergestellt werden. Wenn sie aber der Mann selbst angreifen und veräußern wollte, so müßte die Frau bei jeder Gesetzgebung den Schutz der öffentlichen Ordnung in Anspruch nehmen, und Ne würde das auch mit Erfolg thun, wenn sie nur wollte. Es handelt sich also in beiden Fällen nnr um das bare Geld. In der Gruppe L ist die Frau in der Regel auf das Mitverdienen für die Familie angewiesen. Der Ertrag des Verdienens ist aber im Vergleich zu dem Erwerb des Mannes gering und an sich erst recht gering. Für das Recht der selb-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/117
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/117>, abgerufen am 27.07.2024.