Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Vermögen der Frau

ständigen Verfügung über einen so geringfügigen Gegenstand könnte keine Gesetz¬
gebung praktisch durchführbare Bestimmungen schaffen. Sind die Eheleute un¬
einig, so müßte es immerwährenden Streit geben, und die Schlichtung würde
mehr Arbeit und Kosten verursachen, als irgend ein öffentliches Gemeinwesen dafür
aufwenden könnte. Sind sie aber einig, so ist jede Regelung überflüssig. Das
wissen natürlich die Sozialdemokraten ebenso gut wie wir, aber der Keil, der
durch diese geforderte Selbständigkeit der Frau in das Gefüge der "bürger¬
lichen Geschäftsehe" getrieben würde, paßt in ihren Kram. Die Frauen¬
emanzipation aber und die auf ihrer Seite stehenden Ideologen männlichen
Geschlechts denken überhaupt nicht an Thatsachen, sondern leben in ihren Be¬
griffen von abstrakten Rechten. Von einer Ungerechtigkeit gegen die Frau oder
von einer einseitigen Gefahr für sie, wenn sie eine Ehe eingeht, kann bei der
Gruppe L am wenigsten die Rede sein. Denn der Mann nimmt da die Ver¬
sorgung der Familie auf sich. Er riskirt dabei, da die Frau außer ihrer für
den Erwerb minderwertigen Arbeitskraft nichts materielles mitbringt, für seine
Person vom Standpunkte des Egoismus aus wahrscheinlich mehr, wenn er
nicht die richtige Frau bekommt und ihre Arbeitsleistung mit oder ohne ihre
Schuld versagt. Wer aber, wie der Mann in diesem Falle, die Verantwortung
für den Erfolg des Ganzen trägt, der soll auch die Verfügung über das Ganze
haben, weil sie sich bei der Geringfügigkeit des Gegenstandes nicht uuter zwei
Urheber eines selbständigen Willens verteilen läßt. Wird aber einmal böser
Wille und Schuld eines Teils vorausgesetzt, so ist es noch sehr fraglich, ob
ein roher, trunksüchtiger Mann oder eine böse, schlecht wirtschaftende Frau im
Haushalt des Arbeiters mehr Schaden anrichtet, und wer, wenn vielleicht
beide an den Sünden beteiligt sind, von Anfang an die größere Schuld zu tragen
hätte. Also für die Gruppe L kann in diesem besondern Falle keine Gesetz¬
gebung etwas nützen, und das geforderte neue Recht würde nur den Keim der
Zwietracht von vornherein in die eheliche Erwerbs- und Lebensgemeinschaft
des Arbeiterstandes legen.

Wir kommen nun zu der Gruppe ^. Wir stellen uns auch hier auf den
Boden des geltenden Rechts, wonach der wohlhabenden Frau die Verwaltung
ihres Vermögens, abgesehen von einigen Vorbehalten, nicht zusteht, und wir
beschäftigen uns zuerst mit dem Zinsertrage, dann mit dem Kapital selbst.

Über die Verwendung des Zinsertrags für den gemeinsamen Haushalt
pflegen sich Mann und Frau zu einigen. Es ist wenigstens niemals anzu¬
nehmen, daß die Frau nicht darum wüßte oder wissen könnte, wenn sie es
wissen wollte. Sollte es aber dennoch der Fall sein, so wäre es ihre eigne
Schuld. Weiß sie also darum und nimmt sie mit ihren Gedanken trotz des
fehlenden formellen Rechts teil an der Ordnung dieser Angelegenheit, und es
entstehen dann Meinungsverschiedenheiten zwischen Mann und Frau, wobei
das geltende Recht auf seiten des stärkern Mannes steht, so sind es jedenfalls


Das Vermögen der Frau

ständigen Verfügung über einen so geringfügigen Gegenstand könnte keine Gesetz¬
gebung praktisch durchführbare Bestimmungen schaffen. Sind die Eheleute un¬
einig, so müßte es immerwährenden Streit geben, und die Schlichtung würde
mehr Arbeit und Kosten verursachen, als irgend ein öffentliches Gemeinwesen dafür
aufwenden könnte. Sind sie aber einig, so ist jede Regelung überflüssig. Das
wissen natürlich die Sozialdemokraten ebenso gut wie wir, aber der Keil, der
durch diese geforderte Selbständigkeit der Frau in das Gefüge der „bürger¬
lichen Geschäftsehe" getrieben würde, paßt in ihren Kram. Die Frauen¬
emanzipation aber und die auf ihrer Seite stehenden Ideologen männlichen
Geschlechts denken überhaupt nicht an Thatsachen, sondern leben in ihren Be¬
griffen von abstrakten Rechten. Von einer Ungerechtigkeit gegen die Frau oder
von einer einseitigen Gefahr für sie, wenn sie eine Ehe eingeht, kann bei der
Gruppe L am wenigsten die Rede sein. Denn der Mann nimmt da die Ver¬
sorgung der Familie auf sich. Er riskirt dabei, da die Frau außer ihrer für
den Erwerb minderwertigen Arbeitskraft nichts materielles mitbringt, für seine
Person vom Standpunkte des Egoismus aus wahrscheinlich mehr, wenn er
nicht die richtige Frau bekommt und ihre Arbeitsleistung mit oder ohne ihre
Schuld versagt. Wer aber, wie der Mann in diesem Falle, die Verantwortung
für den Erfolg des Ganzen trägt, der soll auch die Verfügung über das Ganze
haben, weil sie sich bei der Geringfügigkeit des Gegenstandes nicht uuter zwei
Urheber eines selbständigen Willens verteilen läßt. Wird aber einmal böser
Wille und Schuld eines Teils vorausgesetzt, so ist es noch sehr fraglich, ob
ein roher, trunksüchtiger Mann oder eine böse, schlecht wirtschaftende Frau im
Haushalt des Arbeiters mehr Schaden anrichtet, und wer, wenn vielleicht
beide an den Sünden beteiligt sind, von Anfang an die größere Schuld zu tragen
hätte. Also für die Gruppe L kann in diesem besondern Falle keine Gesetz¬
gebung etwas nützen, und das geforderte neue Recht würde nur den Keim der
Zwietracht von vornherein in die eheliche Erwerbs- und Lebensgemeinschaft
des Arbeiterstandes legen.

Wir kommen nun zu der Gruppe ^. Wir stellen uns auch hier auf den
Boden des geltenden Rechts, wonach der wohlhabenden Frau die Verwaltung
ihres Vermögens, abgesehen von einigen Vorbehalten, nicht zusteht, und wir
beschäftigen uns zuerst mit dem Zinsertrage, dann mit dem Kapital selbst.

Über die Verwendung des Zinsertrags für den gemeinsamen Haushalt
pflegen sich Mann und Frau zu einigen. Es ist wenigstens niemals anzu¬
nehmen, daß die Frau nicht darum wüßte oder wissen könnte, wenn sie es
wissen wollte. Sollte es aber dennoch der Fall sein, so wäre es ihre eigne
Schuld. Weiß sie also darum und nimmt sie mit ihren Gedanken trotz des
fehlenden formellen Rechts teil an der Ordnung dieser Angelegenheit, und es
entstehen dann Meinungsverschiedenheiten zwischen Mann und Frau, wobei
das geltende Recht auf seiten des stärkern Mannes steht, so sind es jedenfalls


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0118" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/223060"/>
          <fw type="header" place="top"> Das Vermögen der Frau</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_384" prev="#ID_383"> ständigen Verfügung über einen so geringfügigen Gegenstand könnte keine Gesetz¬<lb/>
gebung praktisch durchführbare Bestimmungen schaffen. Sind die Eheleute un¬<lb/>
einig, so müßte es immerwährenden Streit geben, und die Schlichtung würde<lb/>
mehr Arbeit und Kosten verursachen, als irgend ein öffentliches Gemeinwesen dafür<lb/>
aufwenden könnte. Sind sie aber einig, so ist jede Regelung überflüssig. Das<lb/>
wissen natürlich die Sozialdemokraten ebenso gut wie wir, aber der Keil, der<lb/>
durch diese geforderte Selbständigkeit der Frau in das Gefüge der &#x201E;bürger¬<lb/>
lichen Geschäftsehe" getrieben würde, paßt in ihren Kram. Die Frauen¬<lb/>
emanzipation aber und die auf ihrer Seite stehenden Ideologen männlichen<lb/>
Geschlechts denken überhaupt nicht an Thatsachen, sondern leben in ihren Be¬<lb/>
griffen von abstrakten Rechten. Von einer Ungerechtigkeit gegen die Frau oder<lb/>
von einer einseitigen Gefahr für sie, wenn sie eine Ehe eingeht, kann bei der<lb/>
Gruppe L am wenigsten die Rede sein. Denn der Mann nimmt da die Ver¬<lb/>
sorgung der Familie auf sich. Er riskirt dabei, da die Frau außer ihrer für<lb/>
den Erwerb minderwertigen Arbeitskraft nichts materielles mitbringt, für seine<lb/>
Person vom Standpunkte des Egoismus aus wahrscheinlich mehr, wenn er<lb/>
nicht die richtige Frau bekommt und ihre Arbeitsleistung mit oder ohne ihre<lb/>
Schuld versagt. Wer aber, wie der Mann in diesem Falle, die Verantwortung<lb/>
für den Erfolg des Ganzen trägt, der soll auch die Verfügung über das Ganze<lb/>
haben, weil sie sich bei der Geringfügigkeit des Gegenstandes nicht uuter zwei<lb/>
Urheber eines selbständigen Willens verteilen läßt. Wird aber einmal böser<lb/>
Wille und Schuld eines Teils vorausgesetzt, so ist es noch sehr fraglich, ob<lb/>
ein roher, trunksüchtiger Mann oder eine böse, schlecht wirtschaftende Frau im<lb/>
Haushalt des Arbeiters mehr Schaden anrichtet, und wer, wenn vielleicht<lb/>
beide an den Sünden beteiligt sind, von Anfang an die größere Schuld zu tragen<lb/>
hätte. Also für die Gruppe L kann in diesem besondern Falle keine Gesetz¬<lb/>
gebung etwas nützen, und das geforderte neue Recht würde nur den Keim der<lb/>
Zwietracht von vornherein in die eheliche Erwerbs- und Lebensgemeinschaft<lb/>
des Arbeiterstandes legen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_385"> Wir kommen nun zu der Gruppe ^. Wir stellen uns auch hier auf den<lb/>
Boden des geltenden Rechts, wonach der wohlhabenden Frau die Verwaltung<lb/>
ihres Vermögens, abgesehen von einigen Vorbehalten, nicht zusteht, und wir<lb/>
beschäftigen uns zuerst mit dem Zinsertrage, dann mit dem Kapital selbst.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_386" next="#ID_387"> Über die Verwendung des Zinsertrags für den gemeinsamen Haushalt<lb/>
pflegen sich Mann und Frau zu einigen. Es ist wenigstens niemals anzu¬<lb/>
nehmen, daß die Frau nicht darum wüßte oder wissen könnte, wenn sie es<lb/>
wissen wollte. Sollte es aber dennoch der Fall sein, so wäre es ihre eigne<lb/>
Schuld. Weiß sie also darum und nimmt sie mit ihren Gedanken trotz des<lb/>
fehlenden formellen Rechts teil an der Ordnung dieser Angelegenheit, und es<lb/>
entstehen dann Meinungsverschiedenheiten zwischen Mann und Frau, wobei<lb/>
das geltende Recht auf seiten des stärkern Mannes steht, so sind es jedenfalls</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0118] Das Vermögen der Frau ständigen Verfügung über einen so geringfügigen Gegenstand könnte keine Gesetz¬ gebung praktisch durchführbare Bestimmungen schaffen. Sind die Eheleute un¬ einig, so müßte es immerwährenden Streit geben, und die Schlichtung würde mehr Arbeit und Kosten verursachen, als irgend ein öffentliches Gemeinwesen dafür aufwenden könnte. Sind sie aber einig, so ist jede Regelung überflüssig. Das wissen natürlich die Sozialdemokraten ebenso gut wie wir, aber der Keil, der durch diese geforderte Selbständigkeit der Frau in das Gefüge der „bürger¬ lichen Geschäftsehe" getrieben würde, paßt in ihren Kram. Die Frauen¬ emanzipation aber und die auf ihrer Seite stehenden Ideologen männlichen Geschlechts denken überhaupt nicht an Thatsachen, sondern leben in ihren Be¬ griffen von abstrakten Rechten. Von einer Ungerechtigkeit gegen die Frau oder von einer einseitigen Gefahr für sie, wenn sie eine Ehe eingeht, kann bei der Gruppe L am wenigsten die Rede sein. Denn der Mann nimmt da die Ver¬ sorgung der Familie auf sich. Er riskirt dabei, da die Frau außer ihrer für den Erwerb minderwertigen Arbeitskraft nichts materielles mitbringt, für seine Person vom Standpunkte des Egoismus aus wahrscheinlich mehr, wenn er nicht die richtige Frau bekommt und ihre Arbeitsleistung mit oder ohne ihre Schuld versagt. Wer aber, wie der Mann in diesem Falle, die Verantwortung für den Erfolg des Ganzen trägt, der soll auch die Verfügung über das Ganze haben, weil sie sich bei der Geringfügigkeit des Gegenstandes nicht uuter zwei Urheber eines selbständigen Willens verteilen läßt. Wird aber einmal böser Wille und Schuld eines Teils vorausgesetzt, so ist es noch sehr fraglich, ob ein roher, trunksüchtiger Mann oder eine böse, schlecht wirtschaftende Frau im Haushalt des Arbeiters mehr Schaden anrichtet, und wer, wenn vielleicht beide an den Sünden beteiligt sind, von Anfang an die größere Schuld zu tragen hätte. Also für die Gruppe L kann in diesem besondern Falle keine Gesetz¬ gebung etwas nützen, und das geforderte neue Recht würde nur den Keim der Zwietracht von vornherein in die eheliche Erwerbs- und Lebensgemeinschaft des Arbeiterstandes legen. Wir kommen nun zu der Gruppe ^. Wir stellen uns auch hier auf den Boden des geltenden Rechts, wonach der wohlhabenden Frau die Verwaltung ihres Vermögens, abgesehen von einigen Vorbehalten, nicht zusteht, und wir beschäftigen uns zuerst mit dem Zinsertrage, dann mit dem Kapital selbst. Über die Verwendung des Zinsertrags für den gemeinsamen Haushalt pflegen sich Mann und Frau zu einigen. Es ist wenigstens niemals anzu¬ nehmen, daß die Frau nicht darum wüßte oder wissen könnte, wenn sie es wissen wollte. Sollte es aber dennoch der Fall sein, so wäre es ihre eigne Schuld. Weiß sie also darum und nimmt sie mit ihren Gedanken trotz des fehlenden formellen Rechts teil an der Ordnung dieser Angelegenheit, und es entstehen dann Meinungsverschiedenheiten zwischen Mann und Frau, wobei das geltende Recht auf seiten des stärkern Mannes steht, so sind es jedenfalls

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/118
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/118>, abgerufen am 01.09.2024.