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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

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Gin N?ort zum deutsch-dänischen Streit

machen. Was sollte es denn heißen, daß der obengenannte Redakteur Hauffer,
als er in einem Vortrag andeutungsweise auf diese Zukunftshoffnungen hin¬
gewiesen hatte, gefänglich eingezogen wurde, um sich wegen Hochverrats zu
verantworten? Die gewissenhaften Vertreter der deutschen Interessen in Nord¬
schleswig hatten herausgefunden, daß Hcmssens ganze politische Thätigkeit eigent¬
lich eine Vorbereitung auf ein hochverräterisches Unternehmen sei. Herr Hauffer
wurde zwar auf Anordnung der obern Behörden bald wieder freigelassen, aber
die guten Absichten, die man mit ihm hatte, sind doch kennzeichnend für die
Auffassung der untern Behörden. Man denke sich, daß alle Führer der So¬
zialdemokratie eingesperrt würden, weil ihre ganze Thätigkeit eine Vorbereitung
auf ein gegen den Staat geplantes Verbrechen, den Umsturz der gesellschaft¬
lichen Ordnung, sei!

Überhaupt ist gerade dieser Führer der Jungdänen und künftige Abgeord¬
nete beständigen Verfolgungen ausgesetzt gewesen. Das von ihm herausgegebne
Blatt war es, dem der famose Prozeß wegen des Wortes "Sönderjhlland"
angehängt wurde; er hat auch sonst mehrfach politische Prozesse zu bestehen
gehabt, weil er sich in scharfen Ausdrücken über die Verdrängung der Mutter¬
sprache aus der nordschleswigschen Volksschule und andre Maßregeln der deut¬
schen Behörden ausgesprochen hatte.

Das Mißtrauen und die Feindseligkeit der Behörden gegen alle dänischen
Bestrebungen äußert sich auch in den gegen die dänische Vereinsthätigkeit er¬
griffnen Maßregeln. Die Dänen haben eine Anzahl von Vereinen, sogenannte
"Foredragsfoeninger," gegründet, wo von fähigen Leuten regelmäßig Vor¬
träge gehalten werden. Von deutscher Seite wird nun behauptet, daß, ob¬
gleich angeblich nur harmlose unpolitische Gegenstände besprochen werden, der
Zweck der Vereine dennoch sei, der nationaldänischen Propaganda zu dienen.
Das ist unzweifelhaft richtig, denn die Dänen verfolgen diesen Zweck bei allem,
was sie vornehmen, und ihre Zusammenkünfte können auch daun zur Stärkung
des Nationalbewußtseins benutzt werden, wenn nicht gerade über Politik ver¬
handelt wird. Bei der Stimmung der Dänen ist es aber begreiflich, daß es
den Rednern auf diesen Versammlungen schwer wird, politische Erörterungen
ganz zu vermeiden. Mehrmals ist die Abhaltung der Versammlungen verboten
worden, weil die gehaltnen Vorträge als politische anzusehen waren. Vor
einiger Zeit ist auch in dieser Angelegenheit ein Urteil von grundsätzlicher Be¬
deutung gefällt worden, das dahin lautet, daß diese Vereine als politische zu
betrachten seien und die Rechte unpolitischer nicht zu beanspruchen hätten, und
daß die Ortsbehörden befugt seien, die Bereine zu schließen, wenn sie das für
zweckmäßig fänden. So hängt denn über den dänischen Vereinen das Schwert,
das ihnen zu jeder Zeit den Lebensfaden abschneiden kann.

Die dänischgesinnte Bevölkerung hat dieses Vereinsleben lieb gewonnen,
und ich habe mich darüber gewundert, daß es die Dänen verstanden haben,


Gin N?ort zum deutsch-dänischen Streit

machen. Was sollte es denn heißen, daß der obengenannte Redakteur Hauffer,
als er in einem Vortrag andeutungsweise auf diese Zukunftshoffnungen hin¬
gewiesen hatte, gefänglich eingezogen wurde, um sich wegen Hochverrats zu
verantworten? Die gewissenhaften Vertreter der deutschen Interessen in Nord¬
schleswig hatten herausgefunden, daß Hcmssens ganze politische Thätigkeit eigent¬
lich eine Vorbereitung auf ein hochverräterisches Unternehmen sei. Herr Hauffer
wurde zwar auf Anordnung der obern Behörden bald wieder freigelassen, aber
die guten Absichten, die man mit ihm hatte, sind doch kennzeichnend für die
Auffassung der untern Behörden. Man denke sich, daß alle Führer der So¬
zialdemokratie eingesperrt würden, weil ihre ganze Thätigkeit eine Vorbereitung
auf ein gegen den Staat geplantes Verbrechen, den Umsturz der gesellschaft¬
lichen Ordnung, sei!

Überhaupt ist gerade dieser Führer der Jungdänen und künftige Abgeord¬
nete beständigen Verfolgungen ausgesetzt gewesen. Das von ihm herausgegebne
Blatt war es, dem der famose Prozeß wegen des Wortes „Sönderjhlland"
angehängt wurde; er hat auch sonst mehrfach politische Prozesse zu bestehen
gehabt, weil er sich in scharfen Ausdrücken über die Verdrängung der Mutter¬
sprache aus der nordschleswigschen Volksschule und andre Maßregeln der deut¬
schen Behörden ausgesprochen hatte.

Das Mißtrauen und die Feindseligkeit der Behörden gegen alle dänischen
Bestrebungen äußert sich auch in den gegen die dänische Vereinsthätigkeit er¬
griffnen Maßregeln. Die Dänen haben eine Anzahl von Vereinen, sogenannte
„Foredragsfoeninger," gegründet, wo von fähigen Leuten regelmäßig Vor¬
träge gehalten werden. Von deutscher Seite wird nun behauptet, daß, ob¬
gleich angeblich nur harmlose unpolitische Gegenstände besprochen werden, der
Zweck der Vereine dennoch sei, der nationaldänischen Propaganda zu dienen.
Das ist unzweifelhaft richtig, denn die Dänen verfolgen diesen Zweck bei allem,
was sie vornehmen, und ihre Zusammenkünfte können auch daun zur Stärkung
des Nationalbewußtseins benutzt werden, wenn nicht gerade über Politik ver¬
handelt wird. Bei der Stimmung der Dänen ist es aber begreiflich, daß es
den Rednern auf diesen Versammlungen schwer wird, politische Erörterungen
ganz zu vermeiden. Mehrmals ist die Abhaltung der Versammlungen verboten
worden, weil die gehaltnen Vorträge als politische anzusehen waren. Vor
einiger Zeit ist auch in dieser Angelegenheit ein Urteil von grundsätzlicher Be¬
deutung gefällt worden, das dahin lautet, daß diese Vereine als politische zu
betrachten seien und die Rechte unpolitischer nicht zu beanspruchen hätten, und
daß die Ortsbehörden befugt seien, die Bereine zu schließen, wenn sie das für
zweckmäßig fänden. So hängt denn über den dänischen Vereinen das Schwert,
das ihnen zu jeder Zeit den Lebensfaden abschneiden kann.

Die dänischgesinnte Bevölkerung hat dieses Vereinsleben lieb gewonnen,
und ich habe mich darüber gewundert, daß es die Dänen verstanden haben,


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[0600] Gin N?ort zum deutsch-dänischen Streit machen. Was sollte es denn heißen, daß der obengenannte Redakteur Hauffer, als er in einem Vortrag andeutungsweise auf diese Zukunftshoffnungen hin¬ gewiesen hatte, gefänglich eingezogen wurde, um sich wegen Hochverrats zu verantworten? Die gewissenhaften Vertreter der deutschen Interessen in Nord¬ schleswig hatten herausgefunden, daß Hcmssens ganze politische Thätigkeit eigent¬ lich eine Vorbereitung auf ein hochverräterisches Unternehmen sei. Herr Hauffer wurde zwar auf Anordnung der obern Behörden bald wieder freigelassen, aber die guten Absichten, die man mit ihm hatte, sind doch kennzeichnend für die Auffassung der untern Behörden. Man denke sich, daß alle Führer der So¬ zialdemokratie eingesperrt würden, weil ihre ganze Thätigkeit eine Vorbereitung auf ein gegen den Staat geplantes Verbrechen, den Umsturz der gesellschaft¬ lichen Ordnung, sei! Überhaupt ist gerade dieser Führer der Jungdänen und künftige Abgeord¬ nete beständigen Verfolgungen ausgesetzt gewesen. Das von ihm herausgegebne Blatt war es, dem der famose Prozeß wegen des Wortes „Sönderjhlland" angehängt wurde; er hat auch sonst mehrfach politische Prozesse zu bestehen gehabt, weil er sich in scharfen Ausdrücken über die Verdrängung der Mutter¬ sprache aus der nordschleswigschen Volksschule und andre Maßregeln der deut¬ schen Behörden ausgesprochen hatte. Das Mißtrauen und die Feindseligkeit der Behörden gegen alle dänischen Bestrebungen äußert sich auch in den gegen die dänische Vereinsthätigkeit er¬ griffnen Maßregeln. Die Dänen haben eine Anzahl von Vereinen, sogenannte „Foredragsfoeninger," gegründet, wo von fähigen Leuten regelmäßig Vor¬ träge gehalten werden. Von deutscher Seite wird nun behauptet, daß, ob¬ gleich angeblich nur harmlose unpolitische Gegenstände besprochen werden, der Zweck der Vereine dennoch sei, der nationaldänischen Propaganda zu dienen. Das ist unzweifelhaft richtig, denn die Dänen verfolgen diesen Zweck bei allem, was sie vornehmen, und ihre Zusammenkünfte können auch daun zur Stärkung des Nationalbewußtseins benutzt werden, wenn nicht gerade über Politik ver¬ handelt wird. Bei der Stimmung der Dänen ist es aber begreiflich, daß es den Rednern auf diesen Versammlungen schwer wird, politische Erörterungen ganz zu vermeiden. Mehrmals ist die Abhaltung der Versammlungen verboten worden, weil die gehaltnen Vorträge als politische anzusehen waren. Vor einiger Zeit ist auch in dieser Angelegenheit ein Urteil von grundsätzlicher Be¬ deutung gefällt worden, das dahin lautet, daß diese Vereine als politische zu betrachten seien und die Rechte unpolitischer nicht zu beanspruchen hätten, und daß die Ortsbehörden befugt seien, die Bereine zu schließen, wenn sie das für zweckmäßig fänden. So hängt denn über den dänischen Vereinen das Schwert, das ihnen zu jeder Zeit den Lebensfaden abschneiden kann. Die dänischgesinnte Bevölkerung hat dieses Vereinsleben lieb gewonnen, und ich habe mich darüber gewundert, daß es die Dänen verstanden haben,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/600>, abgerufen am 28.09.2024.