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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

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so Viel Interesse hierfür zu erwecken. Auf dem Lande ist es natürlich viel
schwerer, solche Einrichtungen zu gründen und am Leben zu erhalten, als in
den Städten. Nicht nur die örtlichen Verhältnisse wirken erschwerend, sondern
meistens auch die Denkart der Bevölkerung. Ich glaube auch, daß es ohne
die weckende Kraft des nationalen Kampfes den Dünen nicht gelungen wäre,
ihr Vereinsleben zu der Blüte zu bringen, die es namentlich in den letzten
Jahren erlangt hat. Übrigens ist zuzugeben, daß die Dänen sich durch diese
Vorträge zugleich ein Verdienst um Volksbildung erwerben. Man denke sich
nun aber, wie auf die Stimmung der Dänen dieser Kampf gegen ihre Vereine
einwirken muß; man denke sich den Verdruß derer, die, wenn sie eine" längern
Weg gemacht und sich auf einen genußreichen Abend gefreut haben, durch ein
Polizeiverbot um diesen Genuß gebracht werden!

An den von diesen Vereinen abgehaltnen Versammlungen durften sonst
auch Frauen teilnehmen. Seitdem aber von den Behörden die Ansicht ver¬
treten wird, daß die Vereine als politische zu betrachten seien, ist mehrmals
den Frauen die Teilnahme an den Versammlungen verwehrt worden. Diese
Teilnahme der Frauen am Vereinsleben ist höchst bemerkenswert. Daß sie
mit herangezogen werden konnten, beweist wieder, wie geschickt die Dänen
zu Werke gegangen sind. Wer die Frauen auf dem Lande und besonders die
der dortigen Gegenden kennt, der weiß, daß in ihnen gar nichts steckt von dein
Geiste der Vorkämpferinnen sür Frauenrechte, daß sie nicht große Neigung zur
Teilnahme am öffentlichen Leben und besondres Verständnis sür politische
Fragen oder sonstige Fragen des öffentlichen Lebens haben. Ich glaube darum
auch, daß, wenn Frauen Neigung zur Teilnahme an diesen Versammlungen
haben, dabei das Bedürfnis nach Geselligkeit stark mitwirkt, und daß ihre An¬
wesenheit und das Streben, ihnen die Versammlungen anziehend zu machen,
eher geeignet ist, den Zusammenkünften einen harmlosen Charakter zu geben,
als das Gegenteil.

Es mag ja befürchtet werden, daß die Frauen durch das Vereinsleben
ausgebildet werden zu Vorkämpferinnen des Dänentums, daß sie mit nach
Hanse nehmen, was man im Hause uicht gepflegt haben will, erstarken in einer
Gesinnung, die man ans dem Hause verbannen möchte. Die Frau wird heute
von den Parteien umworben. An die Frauen richtet der Altreichskanzler seine
Mahnungen; Frauen werden von den Landwirtsbündlern als Vertreterinnen
ihrer Wünsche vorgeschickt. Im ganzen aber wird bei diesem Werben doch
wohl mehr an das Wirken der Fran im Hause gedacht, als an ihre Teilnahme
am öffentlichen Leben. Die Frau soll als Erzieherin die Anschauungen der
Jugend beeinflussen. In dieser ihrer Eigenschaft wissen auch die Dänen die
Frau zu schätzen und erbitten ihre Mithilfe; und die "taufte Qvindc" hat
sich bisher schon als eine treue Mithelferin im nationalen Kampf bewährt.
Denn wenn auch, wie gesagt, die Frauen den Fragen des öffentlichen


Grenzboten II 1896 7g
Lin Wort zum deutsch-dänischen Streit

so Viel Interesse hierfür zu erwecken. Auf dem Lande ist es natürlich viel
schwerer, solche Einrichtungen zu gründen und am Leben zu erhalten, als in
den Städten. Nicht nur die örtlichen Verhältnisse wirken erschwerend, sondern
meistens auch die Denkart der Bevölkerung. Ich glaube auch, daß es ohne
die weckende Kraft des nationalen Kampfes den Dünen nicht gelungen wäre,
ihr Vereinsleben zu der Blüte zu bringen, die es namentlich in den letzten
Jahren erlangt hat. Übrigens ist zuzugeben, daß die Dänen sich durch diese
Vorträge zugleich ein Verdienst um Volksbildung erwerben. Man denke sich
nun aber, wie auf die Stimmung der Dänen dieser Kampf gegen ihre Vereine
einwirken muß; man denke sich den Verdruß derer, die, wenn sie eine» längern
Weg gemacht und sich auf einen genußreichen Abend gefreut haben, durch ein
Polizeiverbot um diesen Genuß gebracht werden!

An den von diesen Vereinen abgehaltnen Versammlungen durften sonst
auch Frauen teilnehmen. Seitdem aber von den Behörden die Ansicht ver¬
treten wird, daß die Vereine als politische zu betrachten seien, ist mehrmals
den Frauen die Teilnahme an den Versammlungen verwehrt worden. Diese
Teilnahme der Frauen am Vereinsleben ist höchst bemerkenswert. Daß sie
mit herangezogen werden konnten, beweist wieder, wie geschickt die Dänen
zu Werke gegangen sind. Wer die Frauen auf dem Lande und besonders die
der dortigen Gegenden kennt, der weiß, daß in ihnen gar nichts steckt von dein
Geiste der Vorkämpferinnen sür Frauenrechte, daß sie nicht große Neigung zur
Teilnahme am öffentlichen Leben und besondres Verständnis sür politische
Fragen oder sonstige Fragen des öffentlichen Lebens haben. Ich glaube darum
auch, daß, wenn Frauen Neigung zur Teilnahme an diesen Versammlungen
haben, dabei das Bedürfnis nach Geselligkeit stark mitwirkt, und daß ihre An¬
wesenheit und das Streben, ihnen die Versammlungen anziehend zu machen,
eher geeignet ist, den Zusammenkünften einen harmlosen Charakter zu geben,
als das Gegenteil.

Es mag ja befürchtet werden, daß die Frauen durch das Vereinsleben
ausgebildet werden zu Vorkämpferinnen des Dänentums, daß sie mit nach
Hanse nehmen, was man im Hause uicht gepflegt haben will, erstarken in einer
Gesinnung, die man ans dem Hause verbannen möchte. Die Frau wird heute
von den Parteien umworben. An die Frauen richtet der Altreichskanzler seine
Mahnungen; Frauen werden von den Landwirtsbündlern als Vertreterinnen
ihrer Wünsche vorgeschickt. Im ganzen aber wird bei diesem Werben doch
wohl mehr an das Wirken der Fran im Hause gedacht, als an ihre Teilnahme
am öffentlichen Leben. Die Frau soll als Erzieherin die Anschauungen der
Jugend beeinflussen. In dieser ihrer Eigenschaft wissen auch die Dänen die
Frau zu schätzen und erbitten ihre Mithilfe; und die „taufte Qvindc" hat
sich bisher schon als eine treue Mithelferin im nationalen Kampf bewährt.
Denn wenn auch, wie gesagt, die Frauen den Fragen des öffentlichen


Grenzboten II 1896 7g
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[0601] Lin Wort zum deutsch-dänischen Streit so Viel Interesse hierfür zu erwecken. Auf dem Lande ist es natürlich viel schwerer, solche Einrichtungen zu gründen und am Leben zu erhalten, als in den Städten. Nicht nur die örtlichen Verhältnisse wirken erschwerend, sondern meistens auch die Denkart der Bevölkerung. Ich glaube auch, daß es ohne die weckende Kraft des nationalen Kampfes den Dünen nicht gelungen wäre, ihr Vereinsleben zu der Blüte zu bringen, die es namentlich in den letzten Jahren erlangt hat. Übrigens ist zuzugeben, daß die Dänen sich durch diese Vorträge zugleich ein Verdienst um Volksbildung erwerben. Man denke sich nun aber, wie auf die Stimmung der Dänen dieser Kampf gegen ihre Vereine einwirken muß; man denke sich den Verdruß derer, die, wenn sie eine» längern Weg gemacht und sich auf einen genußreichen Abend gefreut haben, durch ein Polizeiverbot um diesen Genuß gebracht werden! An den von diesen Vereinen abgehaltnen Versammlungen durften sonst auch Frauen teilnehmen. Seitdem aber von den Behörden die Ansicht ver¬ treten wird, daß die Vereine als politische zu betrachten seien, ist mehrmals den Frauen die Teilnahme an den Versammlungen verwehrt worden. Diese Teilnahme der Frauen am Vereinsleben ist höchst bemerkenswert. Daß sie mit herangezogen werden konnten, beweist wieder, wie geschickt die Dänen zu Werke gegangen sind. Wer die Frauen auf dem Lande und besonders die der dortigen Gegenden kennt, der weiß, daß in ihnen gar nichts steckt von dein Geiste der Vorkämpferinnen sür Frauenrechte, daß sie nicht große Neigung zur Teilnahme am öffentlichen Leben und besondres Verständnis sür politische Fragen oder sonstige Fragen des öffentlichen Lebens haben. Ich glaube darum auch, daß, wenn Frauen Neigung zur Teilnahme an diesen Versammlungen haben, dabei das Bedürfnis nach Geselligkeit stark mitwirkt, und daß ihre An¬ wesenheit und das Streben, ihnen die Versammlungen anziehend zu machen, eher geeignet ist, den Zusammenkünften einen harmlosen Charakter zu geben, als das Gegenteil. Es mag ja befürchtet werden, daß die Frauen durch das Vereinsleben ausgebildet werden zu Vorkämpferinnen des Dänentums, daß sie mit nach Hanse nehmen, was man im Hause uicht gepflegt haben will, erstarken in einer Gesinnung, die man ans dem Hause verbannen möchte. Die Frau wird heute von den Parteien umworben. An die Frauen richtet der Altreichskanzler seine Mahnungen; Frauen werden von den Landwirtsbündlern als Vertreterinnen ihrer Wünsche vorgeschickt. Im ganzen aber wird bei diesem Werben doch wohl mehr an das Wirken der Fran im Hause gedacht, als an ihre Teilnahme am öffentlichen Leben. Die Frau soll als Erzieherin die Anschauungen der Jugend beeinflussen. In dieser ihrer Eigenschaft wissen auch die Dänen die Frau zu schätzen und erbitten ihre Mithilfe; und die „taufte Qvindc" hat sich bisher schon als eine treue Mithelferin im nationalen Kampf bewährt. Denn wenn auch, wie gesagt, die Frauen den Fragen des öffentlichen Grenzboten II 1896 7g

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/601>, abgerufen am 25.06.2024.