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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

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Lin wort zum deutsch-dänischen Streit

nicht günstig wirken, wenn, ebenso wie in den polnischen Landesteilen, dieses
Vorgehen als eine Kampfmaßregel empfunden und dementsprechend von dänischer
Seite dazu Stellung genommen wird. Außerdem heißt es die Kapitalkraft der
Dänen stärken, wenn man ihnen in einer Zeit, wo Landbesitzungen im allge¬
meinen schwer loszuwerden sind, Gelegenheit zu günstigem Verkauf verschafft.
Sodann könnte es auch leicht sein, daß, wenn solche Ankäufe in einer Art von
nationaler Hurrastimmung vorgenommen werden, dadurch das Urteil bestochen
und die Solidität der Unternehmungen beeinträchtigt wird. Werden doch den
jungen Landwirten heute vielfach und nicht mit Unrecht leichtsinnige Ankäufe
zum Vorwurf gemacht. Wer nun von Süden her nach Nordschleswig zieht,
ist meistens nicht allzu stark mit Kapital ausgerüstet, und der verhältnismäßig
billige Preis der Grundstücke verführt leicht dazu, daß man die mit diesem Preis¬
unterschied zusammenhängende Minderwertigkeit, sei es, daß sie auf Boden¬
beschaffenheit, örtlicher Lage oder sonstigen wirtschaftlichen Verhältnissen be¬
ruht, nicht genügend anschlägt. Außerdem ist keine unbedingte Gewähr dafür
gegeben, daß nicht diese Ansiedler mit der Zeit danisirt werden, wenn auch
nicht der Sprache, so doch der Gesinnung nach.

Die Hauptaufgabe des Deutschtums besteht nicht darin, die Dünen zu
verdrängen oder ihres Volkstums zu berauben, sondern sie mit den bestehenden
Verhältnissen auszusöhnen. Alle Bemühungen der erstern Art sind für diese
Aufgabe hinderlich. Eine Einwirkung der Zeit auf die Denkart der nord-
schleswigschen Dänen ist schon bemerkbar. Als Landtagsabgeordneter ist vor
einiger Zeit der Zeitungsverleger und Redakteur Hauffer in Apenrade gewählt
worden. Dieser ist der Führer der sogenannten jungdünischen Richtung in
Nordschleswig, die sich in manchen Dingen von dem Programm der ältern
Richtung losgesagt hat und deshalb von dem Hauptvertreter dieser letztern,
dem Redakteur Jessen in Flensburg, besonders in der letzten Zeit, ehe die
obige Entscheidung siel, heftig bekämpft worden ist. Diese Jungdänen nähern
sich den Anschauungen der Linkenpartei in Dänemark. Sie haben eine unbe¬
fangnere Auffassung von der heutigen politischen Lage, haben manche von
den irrtümlichen Vorstellungen fahren lassen, die für die Dünen so ver¬
hängnisvoll geworden sind und zum Teil noch festgehalten werden, namentlich
die Vorstellung, daß es eine Hauptsorge befreundeter und wohlwollender Gro߬
mächte sei, Dänemark in seinem bestehenden Umfang zu erhalten, ja sogar ihm
einen Teil des entrissenen Ländergebiets wieder erwerben zu helfen.

Sollte nun diese Ernüchterung der Denkart nicht eine Verständigung er¬
leichtern? Es ist wahr, auch die Jungdünen halten die Hoffnung auf Wieder¬
vereinigung Nordschleswigs mit Dänemark fest. Wie sie sich die Verwirk¬
lichung dieser Hoffnung denken, mag ihre Sorge sein. Von unsrer Seite aber
ist es durchaus verkehrt gehandelt, die Träger dieser Zukünftsträ'une als
staatsgeführliche Verbrecher zu verfolgen und sie dadurch zu Märtyrern zu


Lin wort zum deutsch-dänischen Streit

nicht günstig wirken, wenn, ebenso wie in den polnischen Landesteilen, dieses
Vorgehen als eine Kampfmaßregel empfunden und dementsprechend von dänischer
Seite dazu Stellung genommen wird. Außerdem heißt es die Kapitalkraft der
Dänen stärken, wenn man ihnen in einer Zeit, wo Landbesitzungen im allge¬
meinen schwer loszuwerden sind, Gelegenheit zu günstigem Verkauf verschafft.
Sodann könnte es auch leicht sein, daß, wenn solche Ankäufe in einer Art von
nationaler Hurrastimmung vorgenommen werden, dadurch das Urteil bestochen
und die Solidität der Unternehmungen beeinträchtigt wird. Werden doch den
jungen Landwirten heute vielfach und nicht mit Unrecht leichtsinnige Ankäufe
zum Vorwurf gemacht. Wer nun von Süden her nach Nordschleswig zieht,
ist meistens nicht allzu stark mit Kapital ausgerüstet, und der verhältnismäßig
billige Preis der Grundstücke verführt leicht dazu, daß man die mit diesem Preis¬
unterschied zusammenhängende Minderwertigkeit, sei es, daß sie auf Boden¬
beschaffenheit, örtlicher Lage oder sonstigen wirtschaftlichen Verhältnissen be¬
ruht, nicht genügend anschlägt. Außerdem ist keine unbedingte Gewähr dafür
gegeben, daß nicht diese Ansiedler mit der Zeit danisirt werden, wenn auch
nicht der Sprache, so doch der Gesinnung nach.

Die Hauptaufgabe des Deutschtums besteht nicht darin, die Dünen zu
verdrängen oder ihres Volkstums zu berauben, sondern sie mit den bestehenden
Verhältnissen auszusöhnen. Alle Bemühungen der erstern Art sind für diese
Aufgabe hinderlich. Eine Einwirkung der Zeit auf die Denkart der nord-
schleswigschen Dänen ist schon bemerkbar. Als Landtagsabgeordneter ist vor
einiger Zeit der Zeitungsverleger und Redakteur Hauffer in Apenrade gewählt
worden. Dieser ist der Führer der sogenannten jungdünischen Richtung in
Nordschleswig, die sich in manchen Dingen von dem Programm der ältern
Richtung losgesagt hat und deshalb von dem Hauptvertreter dieser letztern,
dem Redakteur Jessen in Flensburg, besonders in der letzten Zeit, ehe die
obige Entscheidung siel, heftig bekämpft worden ist. Diese Jungdänen nähern
sich den Anschauungen der Linkenpartei in Dänemark. Sie haben eine unbe¬
fangnere Auffassung von der heutigen politischen Lage, haben manche von
den irrtümlichen Vorstellungen fahren lassen, die für die Dünen so ver¬
hängnisvoll geworden sind und zum Teil noch festgehalten werden, namentlich
die Vorstellung, daß es eine Hauptsorge befreundeter und wohlwollender Gro߬
mächte sei, Dänemark in seinem bestehenden Umfang zu erhalten, ja sogar ihm
einen Teil des entrissenen Ländergebiets wieder erwerben zu helfen.

Sollte nun diese Ernüchterung der Denkart nicht eine Verständigung er¬
leichtern? Es ist wahr, auch die Jungdünen halten die Hoffnung auf Wieder¬
vereinigung Nordschleswigs mit Dänemark fest. Wie sie sich die Verwirk¬
lichung dieser Hoffnung denken, mag ihre Sorge sein. Von unsrer Seite aber
ist es durchaus verkehrt gehandelt, die Träger dieser Zukünftsträ'une als
staatsgeführliche Verbrecher zu verfolgen und sie dadurch zu Märtyrern zu


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[0599] Lin wort zum deutsch-dänischen Streit nicht günstig wirken, wenn, ebenso wie in den polnischen Landesteilen, dieses Vorgehen als eine Kampfmaßregel empfunden und dementsprechend von dänischer Seite dazu Stellung genommen wird. Außerdem heißt es die Kapitalkraft der Dänen stärken, wenn man ihnen in einer Zeit, wo Landbesitzungen im allge¬ meinen schwer loszuwerden sind, Gelegenheit zu günstigem Verkauf verschafft. Sodann könnte es auch leicht sein, daß, wenn solche Ankäufe in einer Art von nationaler Hurrastimmung vorgenommen werden, dadurch das Urteil bestochen und die Solidität der Unternehmungen beeinträchtigt wird. Werden doch den jungen Landwirten heute vielfach und nicht mit Unrecht leichtsinnige Ankäufe zum Vorwurf gemacht. Wer nun von Süden her nach Nordschleswig zieht, ist meistens nicht allzu stark mit Kapital ausgerüstet, und der verhältnismäßig billige Preis der Grundstücke verführt leicht dazu, daß man die mit diesem Preis¬ unterschied zusammenhängende Minderwertigkeit, sei es, daß sie auf Boden¬ beschaffenheit, örtlicher Lage oder sonstigen wirtschaftlichen Verhältnissen be¬ ruht, nicht genügend anschlägt. Außerdem ist keine unbedingte Gewähr dafür gegeben, daß nicht diese Ansiedler mit der Zeit danisirt werden, wenn auch nicht der Sprache, so doch der Gesinnung nach. Die Hauptaufgabe des Deutschtums besteht nicht darin, die Dünen zu verdrängen oder ihres Volkstums zu berauben, sondern sie mit den bestehenden Verhältnissen auszusöhnen. Alle Bemühungen der erstern Art sind für diese Aufgabe hinderlich. Eine Einwirkung der Zeit auf die Denkart der nord- schleswigschen Dänen ist schon bemerkbar. Als Landtagsabgeordneter ist vor einiger Zeit der Zeitungsverleger und Redakteur Hauffer in Apenrade gewählt worden. Dieser ist der Führer der sogenannten jungdünischen Richtung in Nordschleswig, die sich in manchen Dingen von dem Programm der ältern Richtung losgesagt hat und deshalb von dem Hauptvertreter dieser letztern, dem Redakteur Jessen in Flensburg, besonders in der letzten Zeit, ehe die obige Entscheidung siel, heftig bekämpft worden ist. Diese Jungdänen nähern sich den Anschauungen der Linkenpartei in Dänemark. Sie haben eine unbe¬ fangnere Auffassung von der heutigen politischen Lage, haben manche von den irrtümlichen Vorstellungen fahren lassen, die für die Dünen so ver¬ hängnisvoll geworden sind und zum Teil noch festgehalten werden, namentlich die Vorstellung, daß es eine Hauptsorge befreundeter und wohlwollender Gro߬ mächte sei, Dänemark in seinem bestehenden Umfang zu erhalten, ja sogar ihm einen Teil des entrissenen Ländergebiets wieder erwerben zu helfen. Sollte nun diese Ernüchterung der Denkart nicht eine Verständigung er¬ leichtern? Es ist wahr, auch die Jungdünen halten die Hoffnung auf Wieder¬ vereinigung Nordschleswigs mit Dänemark fest. Wie sie sich die Verwirk¬ lichung dieser Hoffnung denken, mag ihre Sorge sein. Von unsrer Seite aber ist es durchaus verkehrt gehandelt, die Träger dieser Zukünftsträ'une als staatsgeführliche Verbrecher zu verfolgen und sie dadurch zu Märtyrern zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/599>, abgerufen am 22.07.2024.