Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.Die arischen Religionen und das Christentum Rudra, und das schlimme Gezücht kleiner, böser Dämonen macht sich nicht ') Das Wort Varuna hängt nicht mit 0-^"/^^ zusammen, wie man anfänglich geglaubt hat. Bei einer andern Gelegenheit macht Otterberg aus die Irrtümer aufmerksam, zu denen sich die Forscher eine Zeit lang durch Gleichklänge von Namen haben verleiten lassen; gerade solche Götter sind identisch, deren Namen gar nicht sprachverwandt sind, wie Indra und Thor. Grenzboten II 1896 M
Die arischen Religionen und das Christentum Rudra, und das schlimme Gezücht kleiner, böser Dämonen macht sich nicht ') Das Wort Varuna hängt nicht mit 0-^«/^^ zusammen, wie man anfänglich geglaubt hat. Bei einer andern Gelegenheit macht Otterberg aus die Irrtümer aufmerksam, zu denen sich die Forscher eine Zeit lang durch Gleichklänge von Namen haben verleiten lassen; gerade solche Götter sind identisch, deren Namen gar nicht sprachverwandt sind, wie Indra und Thor. Grenzboten II 1896 M
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Die arischen Religionen und das Christentum
Rudra, und das schlimme Gezücht kleiner, böser Dämonen macht sich nicht
breit. Daß in vorvedischer Zeit auch Menschenopfer vorgekommen seien, davon
hat der Verfasser nur eine einzige Spur gefunden; es handelt sich dabei übrigens
nicht um ein eigentliches Opfer, sondern um den abergläubischen Brauch, durch
Einmauerung der Häupter von fünf „Opfertieren" (Mensch, Roß, Rind, Schaf¬
bock, Ziegenbock) dem Hausbau Festigkeit zu verleihen. nationaler Liebling ist
Indra, der Gewittergott, ein ganz germanisch anmutender, etwas ungeschlachter
und humorvoller Haudegen, der sich gern einen Rausch trinkt, und der Liebes¬
abenteuer nicht verschmäht, eine gemütliche Haut, mit der auf gutem Fuß zu
stehen für einen rechtschaffnen Kerl gar nicht schwer ist. Die Vertreter der
höhern und reinern Sittlichkeit, Varuna*) mit den Adityas und Mitra, sind
nach Otterberg semitischen und zwar chaldäischen Ursprungs. Varuna und
Mitra waren ursprünglich Mond und Sonne, die Adityas Planeten. Aber
w der vedischen Zeit sind sie schon so weit vergeistigt, daß die Sonne nur
noch als Auge Mitras und Varunas erscheint; einmal sind Sonne und Mond
die beiden Augen Varunas; im allgemeinen aber erscheint Vnruna als der
Herr der Gestirne; sie gehorchen seinen Befehlen. Diese ihre ursprüngliche Be¬
deutung weist auf Chaldäa hin, die Wiege des Sterndienstes und der Astro¬
nomie, und auch ihr ethischer Charakter läßt, wie wenigstens Otterberg meint,
auf semitischen Ursprung schließen, da die Semiten früher als die Arier zur
Ethisirung der Naturgötter fortgeschritten seien. Diese entlehnten Götter halten
die körperliche und die sittliche Weltordnung aufrecht, die in den vedischen
Liedern Rita genannt wird. Das ethische Bewußtsein, das, meint Otterberg,
aus dem Gesellschaftsleben entspringt — zunächst in der Form des Bewußt¬
seins von Recht und Unrecht — hat ursprünglich mit der Religion nichts zu
thun. „Das Bild der Götter trägt ethische Züge nur oberflächlich an sich."
Soweit sie menschenähnlich gedacht werden, schreibt man ihnen unter andern
menschlichen Eigenschaften natürlich auch moralische zu, aber eben acht bloß
Tugenden, sondern auch Laster. Diese ethischen Eigenschaften interessiren jedoch
den Verehrer zunächst nnr insofern, als er davon Vorteil zu erwarten oder
Schaden zu fürchten hat; die Hauptsache ist für ihn die Macht des Gottes
und seine Gunst. Ein andres Verhältnis aber zum Sittlichen, als das, das
der Gott als Gott hat, kann das Verhältnis sein, das ihm kraft seines in¬
dividuellen Charakters zukommt. Die Gestirngötter sind ethische Götter ge¬
worden,' weil sie als Träger der festen und unveränderlichen Ordnung am
Himmel von vornherein Ordnung schaffende Wesen sind. So konnte denn
auch der Begriff der Sünde, als des Bruches der sittlichen Weltordnung, und
') Das Wort Varuna hängt nicht mit 0-^«/^^ zusammen, wie man anfänglich geglaubt
hat. Bei einer andern Gelegenheit macht Otterberg aus die Irrtümer aufmerksam, zu denen
sich die Forscher eine Zeit lang durch Gleichklänge von Namen haben verleiten lassen; gerade
solche Götter sind identisch, deren Namen gar nicht sprachverwandt sind, wie Indra und Thor.
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