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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

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Duell und Holzkomment

ferner wohl auch manche leichtfertige Beleidigung verhindern. Jedenfalls ist
aber unbedingt zu bestreikn, daß das Duell dazu dienen könne, die Zahl der
Beleidigungen überhaupt zu vermindern. Ich behaupte im Gegenteil, im
großen und ganzen vermehrt es sie. Den Beweis dafür hat ja soeben Graf
Bernstorff im Reichstage gebracht, indem er darauf hinwies, daß in dein
dnelllosen England der Ton besser sei als in den Ländern mit Duell. Mau
erinnere sich ferner der Länder mit parlamentarischem Duell, Frankreichs,
Italiens, Ungarns: hier giebt es Duelle, Prügeleien und Beleidigungen in
größter Zahl; so viel und so schwere Beleidigungen wie hier kommen in den
deutschen Parlamenten, die das Duell uicht kennen, nicht vor. Würde aber
das parlamentarische Duell in Deutschland üblich werden, so würde sich auch
der ganze Ton wesentlich verschlechtern. Es ist ganz natürlich: dieselbe Ge¬
waltthätigkeit, die das Duell hervorbringt, wird sich auch in Worten äußern.
Sodann ist es sür gewisse Leute außerordentlich angenehm, daß sie durch das
Duell vollkommen die Erörterung über die Frage abschneiden können, ob der
Beleidigung ein berechtigter Kern zu Grunde liege. Ferner werden, was ich
schon in anderm Zusammenhange hervorgehoben habe, viele Beleidigungen
ausgesprochen, weil man ein Duell provozircn will. Ich entnehme endlich
noch ein Beweismittel den studentischen Verhältnissen. Es ist bekannt, daß
von Rempeleien im allgemeinen der Student frei bleibt, der in dem Rufe eines
"guten Schlügers" steht. Wer dagegen diesen Ruf nicht genießt, der muß
sich auf Rempeleien gefaßt machen. Die Duellanten haben die mit wahrer
Ritterlichkeit doch nicht vereinbare Sitte, den durch Beleidigungen zum Duell
zu nötigen, dessen Waffen sie nicht glauben fürchten zu müssen.

Ein bekannter Philosoph will das berechtigte Duell uicht beseitigt sehen;
nur das "frivole" Duell müsse fallen. ' Als ob nicht alle Duelle "frivol"
wären! Zur Verteidigung des Duells leistet sich dieser Philosoph folgenden
Satz: "Die Ehrenlränknngen sollen aufhören; dann werden die Duelle von
selber nachfolgen." Nichts ist unrichtiger als das! Ich will den Satz nicht
vollständig umkehren; aber der Wahrheit wenigstens näher käme man, wenn
man behauptete: "Die Duelle sollen aufhören; dann werden die Ehrenkränkungcm
von selber nachfolgen."

Im vorstehenden habe ich vorzugsweise die Verhältnisse der Universitäten
als Beweismittel verwertet. Ich will mit meinen Bemerkungen aber gar kein
allgemeines Urteil über die verschiednen Korporationen und ihre Berechtigung,
über den Wert der Bestimmungsmensuren und ihr Verhältnis zu den ernsten
oder, richtiger gesagt, lebensgefährlichen Duellen abgegeben haben. Ich wollte
nur nachweisen, daß das Duell keineswegs die Kraft hat, den Holzkomment
auszuschließen, und daß mit der Beseitigung des Duells keineswegs der Holz¬
komment auftauchen würde. Ich habe u. a. nachgewiesen, daß die "schlagenden
Couleuren" ziemlich viel holzen. Nun, vielleicht ist das nicht so schlimm.


Duell und Holzkomment

ferner wohl auch manche leichtfertige Beleidigung verhindern. Jedenfalls ist
aber unbedingt zu bestreikn, daß das Duell dazu dienen könne, die Zahl der
Beleidigungen überhaupt zu vermindern. Ich behaupte im Gegenteil, im
großen und ganzen vermehrt es sie. Den Beweis dafür hat ja soeben Graf
Bernstorff im Reichstage gebracht, indem er darauf hinwies, daß in dein
dnelllosen England der Ton besser sei als in den Ländern mit Duell. Mau
erinnere sich ferner der Länder mit parlamentarischem Duell, Frankreichs,
Italiens, Ungarns: hier giebt es Duelle, Prügeleien und Beleidigungen in
größter Zahl; so viel und so schwere Beleidigungen wie hier kommen in den
deutschen Parlamenten, die das Duell uicht kennen, nicht vor. Würde aber
das parlamentarische Duell in Deutschland üblich werden, so würde sich auch
der ganze Ton wesentlich verschlechtern. Es ist ganz natürlich: dieselbe Ge¬
waltthätigkeit, die das Duell hervorbringt, wird sich auch in Worten äußern.
Sodann ist es sür gewisse Leute außerordentlich angenehm, daß sie durch das
Duell vollkommen die Erörterung über die Frage abschneiden können, ob der
Beleidigung ein berechtigter Kern zu Grunde liege. Ferner werden, was ich
schon in anderm Zusammenhange hervorgehoben habe, viele Beleidigungen
ausgesprochen, weil man ein Duell provozircn will. Ich entnehme endlich
noch ein Beweismittel den studentischen Verhältnissen. Es ist bekannt, daß
von Rempeleien im allgemeinen der Student frei bleibt, der in dem Rufe eines
„guten Schlügers" steht. Wer dagegen diesen Ruf nicht genießt, der muß
sich auf Rempeleien gefaßt machen. Die Duellanten haben die mit wahrer
Ritterlichkeit doch nicht vereinbare Sitte, den durch Beleidigungen zum Duell
zu nötigen, dessen Waffen sie nicht glauben fürchten zu müssen.

Ein bekannter Philosoph will das berechtigte Duell uicht beseitigt sehen;
nur das „frivole" Duell müsse fallen. ' Als ob nicht alle Duelle „frivol"
wären! Zur Verteidigung des Duells leistet sich dieser Philosoph folgenden
Satz: „Die Ehrenlränknngen sollen aufhören; dann werden die Duelle von
selber nachfolgen." Nichts ist unrichtiger als das! Ich will den Satz nicht
vollständig umkehren; aber der Wahrheit wenigstens näher käme man, wenn
man behauptete: „Die Duelle sollen aufhören; dann werden die Ehrenkränkungcm
von selber nachfolgen."

Im vorstehenden habe ich vorzugsweise die Verhältnisse der Universitäten
als Beweismittel verwertet. Ich will mit meinen Bemerkungen aber gar kein
allgemeines Urteil über die verschiednen Korporationen und ihre Berechtigung,
über den Wert der Bestimmungsmensuren und ihr Verhältnis zu den ernsten
oder, richtiger gesagt, lebensgefährlichen Duellen abgegeben haben. Ich wollte
nur nachweisen, daß das Duell keineswegs die Kraft hat, den Holzkomment
auszuschließen, und daß mit der Beseitigung des Duells keineswegs der Holz¬
komment auftauchen würde. Ich habe u. a. nachgewiesen, daß die „schlagenden
Couleuren" ziemlich viel holzen. Nun, vielleicht ist das nicht so schlimm.


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[0308] Duell und Holzkomment ferner wohl auch manche leichtfertige Beleidigung verhindern. Jedenfalls ist aber unbedingt zu bestreikn, daß das Duell dazu dienen könne, die Zahl der Beleidigungen überhaupt zu vermindern. Ich behaupte im Gegenteil, im großen und ganzen vermehrt es sie. Den Beweis dafür hat ja soeben Graf Bernstorff im Reichstage gebracht, indem er darauf hinwies, daß in dein dnelllosen England der Ton besser sei als in den Ländern mit Duell. Mau erinnere sich ferner der Länder mit parlamentarischem Duell, Frankreichs, Italiens, Ungarns: hier giebt es Duelle, Prügeleien und Beleidigungen in größter Zahl; so viel und so schwere Beleidigungen wie hier kommen in den deutschen Parlamenten, die das Duell uicht kennen, nicht vor. Würde aber das parlamentarische Duell in Deutschland üblich werden, so würde sich auch der ganze Ton wesentlich verschlechtern. Es ist ganz natürlich: dieselbe Ge¬ waltthätigkeit, die das Duell hervorbringt, wird sich auch in Worten äußern. Sodann ist es sür gewisse Leute außerordentlich angenehm, daß sie durch das Duell vollkommen die Erörterung über die Frage abschneiden können, ob der Beleidigung ein berechtigter Kern zu Grunde liege. Ferner werden, was ich schon in anderm Zusammenhange hervorgehoben habe, viele Beleidigungen ausgesprochen, weil man ein Duell provozircn will. Ich entnehme endlich noch ein Beweismittel den studentischen Verhältnissen. Es ist bekannt, daß von Rempeleien im allgemeinen der Student frei bleibt, der in dem Rufe eines „guten Schlügers" steht. Wer dagegen diesen Ruf nicht genießt, der muß sich auf Rempeleien gefaßt machen. Die Duellanten haben die mit wahrer Ritterlichkeit doch nicht vereinbare Sitte, den durch Beleidigungen zum Duell zu nötigen, dessen Waffen sie nicht glauben fürchten zu müssen. Ein bekannter Philosoph will das berechtigte Duell uicht beseitigt sehen; nur das „frivole" Duell müsse fallen. ' Als ob nicht alle Duelle „frivol" wären! Zur Verteidigung des Duells leistet sich dieser Philosoph folgenden Satz: „Die Ehrenlränknngen sollen aufhören; dann werden die Duelle von selber nachfolgen." Nichts ist unrichtiger als das! Ich will den Satz nicht vollständig umkehren; aber der Wahrheit wenigstens näher käme man, wenn man behauptete: „Die Duelle sollen aufhören; dann werden die Ehrenkränkungcm von selber nachfolgen." Im vorstehenden habe ich vorzugsweise die Verhältnisse der Universitäten als Beweismittel verwertet. Ich will mit meinen Bemerkungen aber gar kein allgemeines Urteil über die verschiednen Korporationen und ihre Berechtigung, über den Wert der Bestimmungsmensuren und ihr Verhältnis zu den ernsten oder, richtiger gesagt, lebensgefährlichen Duellen abgegeben haben. Ich wollte nur nachweisen, daß das Duell keineswegs die Kraft hat, den Holzkomment auszuschließen, und daß mit der Beseitigung des Duells keineswegs der Holz¬ komment auftauchen würde. Ich habe u. a. nachgewiesen, daß die „schlagenden Couleuren" ziemlich viel holzen. Nun, vielleicht ist das nicht so schlimm.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/308>, abgerufen am 24.08.2024.