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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

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Duell und Holzkomment

Händen gelassen!" Alles in maiersm Aloriam des sogenannten "Ehrenkodex,"
des xoint ä'QovnLui-, wie man früher sagte! Ja, was will man denn? Das
"Standesbewußtsein" und das "Ehrgefühl" dürfen sich doch wohl zur Geltung
bringen!

Heute steht es ja nun anders auf den Universitäten. Wodurch ist
aber die Änderung herbeigeführt worden? Man spricht von dem Fortschritt
der "Bildung und Kultur." Ganz richtig! Aber einen wesentlichen Be¬
standteil des Fortschritts der Bildung auf den Universitäten macht auch die
Einschränkung des Dnellwesens aus. Der Frühlingshauch eiues erhöhten
Geisteslebens, der am Ende des vorigen Jahrhunderts durch Deutschland
ging, der Aufschwung der Wissenschaft, der Deutschland in unserm Jahrhundert
dem Auslande überlegen macht, sie sind untrennbar verbunden mit einer
Einschränkung des Duellwesens auf den Universitäten, ja beruhen zum großen
Teil daraus. Heute siud Hetzpeitsche und Nachttopf aus dem Verkehr der
Studenten verschwunden, und das Duell beherrscht die Universitäten nicht
mehr. Die Sitten sind wahrlich nicht schlechter, sondern ganz wesentlich besser
geworden, seitdem das Duell von seinem Throne gestürzt worden ist. Und
was uns die Betrachtung der Geschichte und der Gegenwart lehrt, hat schon
ein witziger alter Korpsstudent treffend ausgesprochen. Der verstorbne Ober-
prüsident von Ernsthausen sagt in seineu Erinnerungen (S. 41) mit seiner
Ironie, indem er die Nachsicht des akademischen Senats in Heidelberg gegen
die Paukereien erwähnt: "Der Senat glaubte wohl an das geltende Dogma,
daß ohne Mensuren der Holzkomment einreihen würde." Ja, in der That,
^ giebt solche "Dogmen," an die man glaubt, weil es so bequem ist. Die
Korsen haben auch das "Dogma" gehabt, daß alles aus Rand und Band
gehen müsse, wenn die Vendetta abgeschafft würde. Und viele nehmen es ja
auch sehr ernst mit dem "Dogma," daß jemand ein um so braverer Man
sei, je mehr Räusche er habe.

Mau hat aber nicht bloß behauptet, daß das Duell den Holzkommcnt
ausschließe, sondern auch, daß es die Zahl der Beleidigungen vermindere.
Das will ich in einer gewissen Beschränkung zugeben. Es giebt Beleidigungen,
die nicht der Berechtigung entbehren. Es ist berechtigt, öffentliche Schäden
wie einem scharfen Wort zu belegen, das oft erst dann wirkt, wenn es be¬
leidigend ist. Vollkommen feste Charaktere werden sich auch dann nicht scheuen,
ein solches Wort auszusprechen, wenn ihnen von dem Verbrecher die Pistole
entgegengehalten wird. Aber es giebt andrerseits Männer, denen man zwar
auch Charakter nicht absprechen kann, die aber dennoch, wenn ihnen der Ver¬
brecher mit der Pistole droht, lieber über das Verbrechen schweigen. Also
wird das Duell in der That manches kräftige Wort verhindern. Ob das
jedoch wünschenswert ist? Ich denke, darauf giebt uus der oben angeführte
Satz aus dem Deutschen Adelsblatt die rechte Antwort. Das Duell kann


Duell und Holzkomment

Händen gelassen!" Alles in maiersm Aloriam des sogenannten „Ehrenkodex,"
des xoint ä'QovnLui-, wie man früher sagte! Ja, was will man denn? Das
»Standesbewußtsein" und das „Ehrgefühl" dürfen sich doch wohl zur Geltung
bringen!

Heute steht es ja nun anders auf den Universitäten. Wodurch ist
aber die Änderung herbeigeführt worden? Man spricht von dem Fortschritt
der „Bildung und Kultur." Ganz richtig! Aber einen wesentlichen Be¬
standteil des Fortschritts der Bildung auf den Universitäten macht auch die
Einschränkung des Dnellwesens aus. Der Frühlingshauch eiues erhöhten
Geisteslebens, der am Ende des vorigen Jahrhunderts durch Deutschland
ging, der Aufschwung der Wissenschaft, der Deutschland in unserm Jahrhundert
dem Auslande überlegen macht, sie sind untrennbar verbunden mit einer
Einschränkung des Duellwesens auf den Universitäten, ja beruhen zum großen
Teil daraus. Heute siud Hetzpeitsche und Nachttopf aus dem Verkehr der
Studenten verschwunden, und das Duell beherrscht die Universitäten nicht
mehr. Die Sitten sind wahrlich nicht schlechter, sondern ganz wesentlich besser
geworden, seitdem das Duell von seinem Throne gestürzt worden ist. Und
was uns die Betrachtung der Geschichte und der Gegenwart lehrt, hat schon
ein witziger alter Korpsstudent treffend ausgesprochen. Der verstorbne Ober-
prüsident von Ernsthausen sagt in seineu Erinnerungen (S. 41) mit seiner
Ironie, indem er die Nachsicht des akademischen Senats in Heidelberg gegen
die Paukereien erwähnt: „Der Senat glaubte wohl an das geltende Dogma,
daß ohne Mensuren der Holzkomment einreihen würde." Ja, in der That,
^ giebt solche „Dogmen," an die man glaubt, weil es so bequem ist. Die
Korsen haben auch das „Dogma" gehabt, daß alles aus Rand und Band
gehen müsse, wenn die Vendetta abgeschafft würde. Und viele nehmen es ja
auch sehr ernst mit dem „Dogma," daß jemand ein um so braverer Man
sei, je mehr Räusche er habe.

Mau hat aber nicht bloß behauptet, daß das Duell den Holzkommcnt
ausschließe, sondern auch, daß es die Zahl der Beleidigungen vermindere.
Das will ich in einer gewissen Beschränkung zugeben. Es giebt Beleidigungen,
die nicht der Berechtigung entbehren. Es ist berechtigt, öffentliche Schäden
wie einem scharfen Wort zu belegen, das oft erst dann wirkt, wenn es be¬
leidigend ist. Vollkommen feste Charaktere werden sich auch dann nicht scheuen,
ein solches Wort auszusprechen, wenn ihnen von dem Verbrecher die Pistole
entgegengehalten wird. Aber es giebt andrerseits Männer, denen man zwar
auch Charakter nicht absprechen kann, die aber dennoch, wenn ihnen der Ver¬
brecher mit der Pistole droht, lieber über das Verbrechen schweigen. Also
wird das Duell in der That manches kräftige Wort verhindern. Ob das
jedoch wünschenswert ist? Ich denke, darauf giebt uus der oben angeführte
Satz aus dem Deutschen Adelsblatt die rechte Antwort. Das Duell kann


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[0307] Duell und Holzkomment Händen gelassen!" Alles in maiersm Aloriam des sogenannten „Ehrenkodex," des xoint ä'QovnLui-, wie man früher sagte! Ja, was will man denn? Das »Standesbewußtsein" und das „Ehrgefühl" dürfen sich doch wohl zur Geltung bringen! Heute steht es ja nun anders auf den Universitäten. Wodurch ist aber die Änderung herbeigeführt worden? Man spricht von dem Fortschritt der „Bildung und Kultur." Ganz richtig! Aber einen wesentlichen Be¬ standteil des Fortschritts der Bildung auf den Universitäten macht auch die Einschränkung des Dnellwesens aus. Der Frühlingshauch eiues erhöhten Geisteslebens, der am Ende des vorigen Jahrhunderts durch Deutschland ging, der Aufschwung der Wissenschaft, der Deutschland in unserm Jahrhundert dem Auslande überlegen macht, sie sind untrennbar verbunden mit einer Einschränkung des Duellwesens auf den Universitäten, ja beruhen zum großen Teil daraus. Heute siud Hetzpeitsche und Nachttopf aus dem Verkehr der Studenten verschwunden, und das Duell beherrscht die Universitäten nicht mehr. Die Sitten sind wahrlich nicht schlechter, sondern ganz wesentlich besser geworden, seitdem das Duell von seinem Throne gestürzt worden ist. Und was uns die Betrachtung der Geschichte und der Gegenwart lehrt, hat schon ein witziger alter Korpsstudent treffend ausgesprochen. Der verstorbne Ober- prüsident von Ernsthausen sagt in seineu Erinnerungen (S. 41) mit seiner Ironie, indem er die Nachsicht des akademischen Senats in Heidelberg gegen die Paukereien erwähnt: „Der Senat glaubte wohl an das geltende Dogma, daß ohne Mensuren der Holzkomment einreihen würde." Ja, in der That, ^ giebt solche „Dogmen," an die man glaubt, weil es so bequem ist. Die Korsen haben auch das „Dogma" gehabt, daß alles aus Rand und Band gehen müsse, wenn die Vendetta abgeschafft würde. Und viele nehmen es ja auch sehr ernst mit dem „Dogma," daß jemand ein um so braverer Man sei, je mehr Räusche er habe. Mau hat aber nicht bloß behauptet, daß das Duell den Holzkommcnt ausschließe, sondern auch, daß es die Zahl der Beleidigungen vermindere. Das will ich in einer gewissen Beschränkung zugeben. Es giebt Beleidigungen, die nicht der Berechtigung entbehren. Es ist berechtigt, öffentliche Schäden wie einem scharfen Wort zu belegen, das oft erst dann wirkt, wenn es be¬ leidigend ist. Vollkommen feste Charaktere werden sich auch dann nicht scheuen, ein solches Wort auszusprechen, wenn ihnen von dem Verbrecher die Pistole entgegengehalten wird. Aber es giebt andrerseits Männer, denen man zwar auch Charakter nicht absprechen kann, die aber dennoch, wenn ihnen der Ver¬ brecher mit der Pistole droht, lieber über das Verbrechen schweigen. Also wird das Duell in der That manches kräftige Wort verhindern. Ob das jedoch wünschenswert ist? Ich denke, darauf giebt uus der oben angeführte Satz aus dem Deutschen Adelsblatt die rechte Antwort. Das Duell kann

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Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/307>, abgerufen am 15.01.2025.