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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

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Duell und Holzkomment

dem Vorsatz von Hause fort, eine Schlägerforderung zu provoziren." Und
Seite 8: "Man provozirt oft eine schwere Forderung." Also: man beleidigt,
um sich duelliren zu können! Der Grund, weshalb man sich duelliren will,
ist bei den Studenten meist nur der Wunsch, mit dem Duell renommiren zu
können. In andern Kreisen wird aber manchmal ein Duell auch aus sehr
niedrigen Gründen provozirt. Nun ist es jedoch nicht ganz leicht, mit Worten
gleich so stark zu beleidigen, daß daraus unbedingt ein Duell folgen müßte.
Es giebt aber ein Mittel, das unbedingt zu erreichen: das ist die Prügelei.
Denn wie es in den "Konventionellen Gebräuchen beim Zweikampf" heißt:
"Die schärfste Beleidigung ist die durch einen Schlag." Prügelt nur einen
^ sagt der sogenannte "Ehrenkodex" --, so dürft ihr mit Sicherheit ans ein
Duell hoffen. '

Man sieht also, daß das Duellwesen auf den genannten beiden Wegen
wie Notwendigkeit zur Holzerei führt. Ich glaube aber, daß noch ein tieferer
Zusammenhang zwischen Duell und Holzerei besteht. Beide sind als Schö߬
linge aus einer Wurzel zu betrachten. Das Duell ist nur die durch feste
Regeln bestimmte Schlägerei. Wie ein paar Metzgergesellen ihren Wortstreit
Ul einer einfachen Schlägerei fortsetzen, so setzen "satisfaktionsfähige" Personen
ihren Wortstreit in der Form des Duells fort; hier wie dort steht man auf
dem Standpunkt, man dürfe sich "nichts gefallen lassen," sondern müsse den
Streit bis zum Exzeß fortführen. Der Unterschied ist nur der, daß das Duell,
seinem donquixotischen Ursprung entsprechend, vor der einfachen Schlägerei den
Vorzug der Verdrehtheit hat -- wie ein Korse sagte"'): das Duell ist "nichts
andres als eine verfeinerte Vendetta, mit der größten Dummheit gepaart."
Die innere Verwandtschaft zwischen Duell und Schlügerei wird aber die
Duellanten immer geneigt machen, gelegentlich auch zur Holzerei zu greifen.
Eine solche Prügelei wie die, die vor ewigen Wochen in Königsberg schließlich
zur Erschießung eines armen Artillerieleutnants führte, kommt in den gebildeten
Kreisen, die nicht auf dem Duellstandpnnkte stehen, schwerlich vor. Übrigens
ist es nicht unmöglich, daß hier wieder einmal geprügelt wurde, um ein Duell
zu provoziren.

Was sich uns eben aus der Betrachtung der Gegenwart ergeben hat, lehrt
aber auch die geschichtliche Entwicklung.

Das Duell ist aufgekommen in einem Zeitalter des Meuchelmords.**) Wie
Man zur Verteidigung des Duells geltend macht, daß es den Holzkomment
ausschließe, so rühmt man auch von ihm, daß es im Gegensatz zum Meuchel¬
mord stehe. Aber das Duell kann dieses Lob gar nicht in Anspruch nehmen.
Der elende Heinrich III. von Frankreich, der das Duell schützte und pflegte,




*) Ferdinand Graf Eckbrecht Dürckheim, Erinnerungen alter und neuer Zeit, Band II
<1W7), Seite 158.
**).Bgl. meine Schrift: Das Duell und der germanische Ehrliegriff, Seite 44.
Grenzboten II 1396 38
Duell und Holzkomment

dem Vorsatz von Hause fort, eine Schlägerforderung zu provoziren." Und
Seite 8: „Man provozirt oft eine schwere Forderung." Also: man beleidigt,
um sich duelliren zu können! Der Grund, weshalb man sich duelliren will,
ist bei den Studenten meist nur der Wunsch, mit dem Duell renommiren zu
können. In andern Kreisen wird aber manchmal ein Duell auch aus sehr
niedrigen Gründen provozirt. Nun ist es jedoch nicht ganz leicht, mit Worten
gleich so stark zu beleidigen, daß daraus unbedingt ein Duell folgen müßte.
Es giebt aber ein Mittel, das unbedingt zu erreichen: das ist die Prügelei.
Denn wie es in den „Konventionellen Gebräuchen beim Zweikampf" heißt:
»Die schärfste Beleidigung ist die durch einen Schlag." Prügelt nur einen
^ sagt der sogenannte „Ehrenkodex" —, so dürft ihr mit Sicherheit ans ein
Duell hoffen. '

Man sieht also, daß das Duellwesen auf den genannten beiden Wegen
wie Notwendigkeit zur Holzerei führt. Ich glaube aber, daß noch ein tieferer
Zusammenhang zwischen Duell und Holzerei besteht. Beide sind als Schö߬
linge aus einer Wurzel zu betrachten. Das Duell ist nur die durch feste
Regeln bestimmte Schlägerei. Wie ein paar Metzgergesellen ihren Wortstreit
Ul einer einfachen Schlägerei fortsetzen, so setzen „satisfaktionsfähige" Personen
ihren Wortstreit in der Form des Duells fort; hier wie dort steht man auf
dem Standpunkt, man dürfe sich „nichts gefallen lassen," sondern müsse den
Streit bis zum Exzeß fortführen. Der Unterschied ist nur der, daß das Duell,
seinem donquixotischen Ursprung entsprechend, vor der einfachen Schlägerei den
Vorzug der Verdrehtheit hat — wie ein Korse sagte"'): das Duell ist „nichts
andres als eine verfeinerte Vendetta, mit der größten Dummheit gepaart."
Die innere Verwandtschaft zwischen Duell und Schlügerei wird aber die
Duellanten immer geneigt machen, gelegentlich auch zur Holzerei zu greifen.
Eine solche Prügelei wie die, die vor ewigen Wochen in Königsberg schließlich
zur Erschießung eines armen Artillerieleutnants führte, kommt in den gebildeten
Kreisen, die nicht auf dem Duellstandpnnkte stehen, schwerlich vor. Übrigens
ist es nicht unmöglich, daß hier wieder einmal geprügelt wurde, um ein Duell
zu provoziren.

Was sich uns eben aus der Betrachtung der Gegenwart ergeben hat, lehrt
aber auch die geschichtliche Entwicklung.

Das Duell ist aufgekommen in einem Zeitalter des Meuchelmords.**) Wie
Man zur Verteidigung des Duells geltend macht, daß es den Holzkomment
ausschließe, so rühmt man auch von ihm, daß es im Gegensatz zum Meuchel¬
mord stehe. Aber das Duell kann dieses Lob gar nicht in Anspruch nehmen.
Der elende Heinrich III. von Frankreich, der das Duell schützte und pflegte,




*) Ferdinand Graf Eckbrecht Dürckheim, Erinnerungen alter und neuer Zeit, Band II
<1W7), Seite 158.
**).Bgl. meine Schrift: Das Duell und der germanische Ehrliegriff, Seite 44.
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[0305] Duell und Holzkomment dem Vorsatz von Hause fort, eine Schlägerforderung zu provoziren." Und Seite 8: „Man provozirt oft eine schwere Forderung." Also: man beleidigt, um sich duelliren zu können! Der Grund, weshalb man sich duelliren will, ist bei den Studenten meist nur der Wunsch, mit dem Duell renommiren zu können. In andern Kreisen wird aber manchmal ein Duell auch aus sehr niedrigen Gründen provozirt. Nun ist es jedoch nicht ganz leicht, mit Worten gleich so stark zu beleidigen, daß daraus unbedingt ein Duell folgen müßte. Es giebt aber ein Mittel, das unbedingt zu erreichen: das ist die Prügelei. Denn wie es in den „Konventionellen Gebräuchen beim Zweikampf" heißt: »Die schärfste Beleidigung ist die durch einen Schlag." Prügelt nur einen ^ sagt der sogenannte „Ehrenkodex" —, so dürft ihr mit Sicherheit ans ein Duell hoffen. ' Man sieht also, daß das Duellwesen auf den genannten beiden Wegen wie Notwendigkeit zur Holzerei führt. Ich glaube aber, daß noch ein tieferer Zusammenhang zwischen Duell und Holzerei besteht. Beide sind als Schö߬ linge aus einer Wurzel zu betrachten. Das Duell ist nur die durch feste Regeln bestimmte Schlägerei. Wie ein paar Metzgergesellen ihren Wortstreit Ul einer einfachen Schlägerei fortsetzen, so setzen „satisfaktionsfähige" Personen ihren Wortstreit in der Form des Duells fort; hier wie dort steht man auf dem Standpunkt, man dürfe sich „nichts gefallen lassen," sondern müsse den Streit bis zum Exzeß fortführen. Der Unterschied ist nur der, daß das Duell, seinem donquixotischen Ursprung entsprechend, vor der einfachen Schlägerei den Vorzug der Verdrehtheit hat — wie ein Korse sagte"'): das Duell ist „nichts andres als eine verfeinerte Vendetta, mit der größten Dummheit gepaart." Die innere Verwandtschaft zwischen Duell und Schlügerei wird aber die Duellanten immer geneigt machen, gelegentlich auch zur Holzerei zu greifen. Eine solche Prügelei wie die, die vor ewigen Wochen in Königsberg schließlich zur Erschießung eines armen Artillerieleutnants führte, kommt in den gebildeten Kreisen, die nicht auf dem Duellstandpnnkte stehen, schwerlich vor. Übrigens ist es nicht unmöglich, daß hier wieder einmal geprügelt wurde, um ein Duell zu provoziren. Was sich uns eben aus der Betrachtung der Gegenwart ergeben hat, lehrt aber auch die geschichtliche Entwicklung. Das Duell ist aufgekommen in einem Zeitalter des Meuchelmords.**) Wie Man zur Verteidigung des Duells geltend macht, daß es den Holzkomment ausschließe, so rühmt man auch von ihm, daß es im Gegensatz zum Meuchel¬ mord stehe. Aber das Duell kann dieses Lob gar nicht in Anspruch nehmen. Der elende Heinrich III. von Frankreich, der das Duell schützte und pflegte, *) Ferdinand Graf Eckbrecht Dürckheim, Erinnerungen alter und neuer Zeit, Band II <1W7), Seite 158. **).Bgl. meine Schrift: Das Duell und der germanische Ehrliegriff, Seite 44. Grenzboten II 1396 38

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/305>, abgerufen am 15.01.2025.