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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

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Duell und Holzkomment

Aufmerksamkeit gewidmet. Man kann daher einstweilen nur aus Grund pri¬
vater Beobachtungen urteilen. Ich glaube nun hier mitsprechen zu können.
Ich habe zwei Semester in Königsberg, eins in Berlin und sechs in Bonn studirt
und bin jetzt bereits an der dritten Hochschule akademischer Lehrer; ich bin
also ziemlich in der Welt herumgekommen. Nach meinen Beobachtungen haben
an den Holzereien verhältnismäßig und -- ich glaube -- auch absolut den
stärksten Anteil die sogenannten "schlagenden" Verbindungen. Dieser Name
kommt ihnen in doppeltem Sinne zu, indem sie nicht bloß die "blanke Waffe,"
sondern auch die Faust und den Stock gebrauchen. Ich bin in Bonn Mit¬
glied eines wissenschaftlichen Vereins gewesen. Zu meiner Zeit ist in diesem
und ebenso in den verwandten Vereinen, deren Verhältnisse mir bekannt waren,
weder ein Duell noch eine Holzerei vorgekommen. Wenn ein Fall vorlag (ich
erinnere mich nur eines einzigen), der anderswo vielleicht zu einem Duell ge¬
führt hätte, so hatten wir bessere Mittel, einen solchen Fall beizulegen. Wir
waren zu vornehm, zu der moäs oarbg-rs zu greifen, wie Friedrich der Große
das Duell nennt. Wie gesagt, das sind meine Privatbeobachtungen. Aber
sie können gewiß von jedem andern bestätigt werden. Alle Beobachtungen
werden wohl das Ergebnis liefern, daß zwar auch andre als duellirende Stu¬
denten an Holzereien Anteil haben, daß aber in der Mehrzahl der Fülle die
studentischen Holzereien unmittelbar oder mittelbar durch die "schlagenden Cou¬
leuren" hervorgerufen werden.

Die Holzereien werden nach meiner Auffassung gerade durch das Duellwesen
hervorgerufen. Zunächst nämlich dadurch, daß die "schlagenden" Verbindungen
den ihnen nicht gleichartigen die Anerkennung versagen. In A. v. Sommerfelds
Schrift: "Mensur, Duell und Verruf," Seite 13, findet sich folgendes Urteil:
"Die meiste Achtung haben mir noch einige nützliche wissenschaftliche Vereine
eingeflößt, wo ich das echte Studentenleben noch in feiner harmlosen, deutschen
Art vorfand. Diese kennen die unerquicklichen Stänkereien, das kindische Bei¬
stecken der schlagenden Couleuren nicht." Die "unerquicklichen Stänkereien,"
dieser "sinnlose Hader" (Sommerfeld, S. 16) machen einen Hauptteil des Lebens
der "schlagenden Couleurcu" aus. Wie helfen sich nun ihre Mitglieder, wenn
sie mit Mitgliedern andrer Korporationen in Streit geraten? Zum Teil läßt
es sich so machen, daß eine Herausforderung zum Duell erfolgt. Zum Teil
aber wird auch geholzt. Namentlich wenn der andre grundsätzlich Gegner des
Duells ist, wird mit wahrem Vergnügen eine Holzerei aufgeführt. Man sieht
also, das Dnellwesen ruft hier die Holzerei hervor. Weil der "schlagende"
Couleurstudent den einseitigen Duellstandpuukt einnimmt und gar keine andre
Art der Erledigung eines Ehrenhandels kennt, greift er, wenn das Duell uicht
anwendbar ist. zu dem rohen Mittel der Prügelei. Ein zweiter Weg, wie
das Duellwesen zur Holzerei führt, ist folgender. "Man möchte -- heißt es
bei A. v. Sommerfeld, S. 13 -- einmal eine Mensur schlagen und geht mit


Duell und Holzkomment

Aufmerksamkeit gewidmet. Man kann daher einstweilen nur aus Grund pri¬
vater Beobachtungen urteilen. Ich glaube nun hier mitsprechen zu können.
Ich habe zwei Semester in Königsberg, eins in Berlin und sechs in Bonn studirt
und bin jetzt bereits an der dritten Hochschule akademischer Lehrer; ich bin
also ziemlich in der Welt herumgekommen. Nach meinen Beobachtungen haben
an den Holzereien verhältnismäßig und — ich glaube — auch absolut den
stärksten Anteil die sogenannten „schlagenden" Verbindungen. Dieser Name
kommt ihnen in doppeltem Sinne zu, indem sie nicht bloß die „blanke Waffe,"
sondern auch die Faust und den Stock gebrauchen. Ich bin in Bonn Mit¬
glied eines wissenschaftlichen Vereins gewesen. Zu meiner Zeit ist in diesem
und ebenso in den verwandten Vereinen, deren Verhältnisse mir bekannt waren,
weder ein Duell noch eine Holzerei vorgekommen. Wenn ein Fall vorlag (ich
erinnere mich nur eines einzigen), der anderswo vielleicht zu einem Duell ge¬
führt hätte, so hatten wir bessere Mittel, einen solchen Fall beizulegen. Wir
waren zu vornehm, zu der moäs oarbg-rs zu greifen, wie Friedrich der Große
das Duell nennt. Wie gesagt, das sind meine Privatbeobachtungen. Aber
sie können gewiß von jedem andern bestätigt werden. Alle Beobachtungen
werden wohl das Ergebnis liefern, daß zwar auch andre als duellirende Stu¬
denten an Holzereien Anteil haben, daß aber in der Mehrzahl der Fülle die
studentischen Holzereien unmittelbar oder mittelbar durch die „schlagenden Cou¬
leuren" hervorgerufen werden.

Die Holzereien werden nach meiner Auffassung gerade durch das Duellwesen
hervorgerufen. Zunächst nämlich dadurch, daß die „schlagenden" Verbindungen
den ihnen nicht gleichartigen die Anerkennung versagen. In A. v. Sommerfelds
Schrift: „Mensur, Duell und Verruf," Seite 13, findet sich folgendes Urteil:
„Die meiste Achtung haben mir noch einige nützliche wissenschaftliche Vereine
eingeflößt, wo ich das echte Studentenleben noch in feiner harmlosen, deutschen
Art vorfand. Diese kennen die unerquicklichen Stänkereien, das kindische Bei¬
stecken der schlagenden Couleuren nicht." Die „unerquicklichen Stänkereien,"
dieser „sinnlose Hader" (Sommerfeld, S. 16) machen einen Hauptteil des Lebens
der „schlagenden Couleurcu" aus. Wie helfen sich nun ihre Mitglieder, wenn
sie mit Mitgliedern andrer Korporationen in Streit geraten? Zum Teil läßt
es sich so machen, daß eine Herausforderung zum Duell erfolgt. Zum Teil
aber wird auch geholzt. Namentlich wenn der andre grundsätzlich Gegner des
Duells ist, wird mit wahrem Vergnügen eine Holzerei aufgeführt. Man sieht
also, das Dnellwesen ruft hier die Holzerei hervor. Weil der „schlagende"
Couleurstudent den einseitigen Duellstandpuukt einnimmt und gar keine andre
Art der Erledigung eines Ehrenhandels kennt, greift er, wenn das Duell uicht
anwendbar ist. zu dem rohen Mittel der Prügelei. Ein zweiter Weg, wie
das Duellwesen zur Holzerei führt, ist folgender. „Man möchte — heißt es
bei A. v. Sommerfeld, S. 13 — einmal eine Mensur schlagen und geht mit


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[0304] Duell und Holzkomment Aufmerksamkeit gewidmet. Man kann daher einstweilen nur aus Grund pri¬ vater Beobachtungen urteilen. Ich glaube nun hier mitsprechen zu können. Ich habe zwei Semester in Königsberg, eins in Berlin und sechs in Bonn studirt und bin jetzt bereits an der dritten Hochschule akademischer Lehrer; ich bin also ziemlich in der Welt herumgekommen. Nach meinen Beobachtungen haben an den Holzereien verhältnismäßig und — ich glaube — auch absolut den stärksten Anteil die sogenannten „schlagenden" Verbindungen. Dieser Name kommt ihnen in doppeltem Sinne zu, indem sie nicht bloß die „blanke Waffe," sondern auch die Faust und den Stock gebrauchen. Ich bin in Bonn Mit¬ glied eines wissenschaftlichen Vereins gewesen. Zu meiner Zeit ist in diesem und ebenso in den verwandten Vereinen, deren Verhältnisse mir bekannt waren, weder ein Duell noch eine Holzerei vorgekommen. Wenn ein Fall vorlag (ich erinnere mich nur eines einzigen), der anderswo vielleicht zu einem Duell ge¬ führt hätte, so hatten wir bessere Mittel, einen solchen Fall beizulegen. Wir waren zu vornehm, zu der moäs oarbg-rs zu greifen, wie Friedrich der Große das Duell nennt. Wie gesagt, das sind meine Privatbeobachtungen. Aber sie können gewiß von jedem andern bestätigt werden. Alle Beobachtungen werden wohl das Ergebnis liefern, daß zwar auch andre als duellirende Stu¬ denten an Holzereien Anteil haben, daß aber in der Mehrzahl der Fülle die studentischen Holzereien unmittelbar oder mittelbar durch die „schlagenden Cou¬ leuren" hervorgerufen werden. Die Holzereien werden nach meiner Auffassung gerade durch das Duellwesen hervorgerufen. Zunächst nämlich dadurch, daß die „schlagenden" Verbindungen den ihnen nicht gleichartigen die Anerkennung versagen. In A. v. Sommerfelds Schrift: „Mensur, Duell und Verruf," Seite 13, findet sich folgendes Urteil: „Die meiste Achtung haben mir noch einige nützliche wissenschaftliche Vereine eingeflößt, wo ich das echte Studentenleben noch in feiner harmlosen, deutschen Art vorfand. Diese kennen die unerquicklichen Stänkereien, das kindische Bei¬ stecken der schlagenden Couleuren nicht." Die „unerquicklichen Stänkereien," dieser „sinnlose Hader" (Sommerfeld, S. 16) machen einen Hauptteil des Lebens der „schlagenden Couleurcu" aus. Wie helfen sich nun ihre Mitglieder, wenn sie mit Mitgliedern andrer Korporationen in Streit geraten? Zum Teil läßt es sich so machen, daß eine Herausforderung zum Duell erfolgt. Zum Teil aber wird auch geholzt. Namentlich wenn der andre grundsätzlich Gegner des Duells ist, wird mit wahrem Vergnügen eine Holzerei aufgeführt. Man sieht also, das Dnellwesen ruft hier die Holzerei hervor. Weil der „schlagende" Couleurstudent den einseitigen Duellstandpuukt einnimmt und gar keine andre Art der Erledigung eines Ehrenhandels kennt, greift er, wenn das Duell uicht anwendbar ist. zu dem rohen Mittel der Prügelei. Ein zweiter Weg, wie das Duellwesen zur Holzerei führt, ist folgender. „Man möchte — heißt es bei A. v. Sommerfeld, S. 13 — einmal eine Mensur schlagen und geht mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/304>, abgerufen am 15.01.2025.