Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.Litteratur Die wirtschaftliche Entwicklung. Jahresbericht der Firma Alexander Jnhn und Komp. Ein sehr merkwürdiges Buch, das die Leser nicht wenig überraschen wird! Litteratur Die wirtschaftliche Entwicklung. Jahresbericht der Firma Alexander Jnhn und Komp. Ein sehr merkwürdiges Buch, das die Leser nicht wenig überraschen wird! <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0197" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/222501"/> </div> </div> <div n="1"> <head> Litteratur</head><lb/> <p xml:id="ID_545"> Die wirtschaftliche Entwicklung. Jahresbericht der Firma Alexander Jnhn und Komp.<lb/> in Hamburg. Herausgegeben vom Inhaber R. E. May. Hamburg, Dezember Z8V6</p><lb/> <p xml:id="ID_546" next="#ID_547"> Ein sehr merkwürdiges Buch, das die Leser nicht wenig überraschen wird!<lb/> Vom Geschäftsbericht der Firma ist gar nichts zu spüren; anstatt dessen bekommt<lb/> man eine Überschau über das gesamte Wirtschaftsleben der Welt, deren Ergebnis —<lb/> so ungefähr die Aussicht auf die Verwirklichung von Bellamys Utopie ist. Der<lb/> Verfasser behandelt u. a. die Zentralisation der Produktion, der Banken und der<lb/> Arbeit, die steigende Bewegung der Arbeitslöhne und das Wachstum der Spar¬<lb/> tasseneinlagen, deu Rückgang der Unternehmergewinne und des Zinsfußes, die Ver¬<lb/> nichtung des Zwischenhandels, das Emporkommen des vierten Standes, die Ver¬<lb/> staatlichungen und das Versicherungswesen, den Internationalismus und die Lage<lb/> der Landwirtschaft. Er findet, daß alle diese wirtschaftlichen Bewegungen kon-<lb/> vergirend einem gemeinsamen Ziele zustreben: der Vernichtung des Zinses, also<lb/> des Gcldkapitals und der Privatrente, und dem Übergange der Früchte der Arbeit,<lb/> des Volks- oder vielmehr Welteinkommens an die Arbeit. Der Verfasser findet,<lb/> daß der Privatunternehmer heute keinen Anspruch mehr habe auf eine höhere Ent¬<lb/> schädigung als sein Arbeiter. „Es ist nur gerecht, daß der erste Kapitalist, der<lb/> den Erfinder unterstützte, für das absolut riskirte Kapital einen höhern Nutzen<lb/> erhielt als der Arbeiter, dem es gleich war, bei wem er seinen sichern Lohn ver¬<lb/> diente. Es ist nur gerecht, daß der Fabrikant und Händler, die dem Vertrieb<lb/> ihre Zeit widmeten, ohne zu wissen, ob sich die Maschine bewahren und einführen<lb/> werde, einen entsprechend höhern Gewinn hatten als der Arbeiter, der sie mecha¬<lb/> nisch ohne Risiko anfertigte. Heute ist sie eingeführt die Rechenmaschine. (?) Der<lb/> Kapitalist weiß geuau, wie wenig er riskirt, wenn er dem Fabrikanten das Geld<lb/> zur Herstellung giebt; ebenso wissen Fabrikant und Zwischenhändler genau, wie<lb/> wenig sie riskiren, wenn sie ihre Zeit der Herstellung und dem Vertriebe derselben<lb/> widmen. Mit welchem Recht also sollen heute Kapitalist, Fabrikant und Zwischen¬<lb/> händler von der geistigen Arbeit des längst verstorbnen Erfinders mehr Nutzen<lb/> haben als die Arbeiter, die sie herstellen, als die Welt, der sie nützt? . . . Wenn<lb/> uns heute durch die geistige Arbeit eines Watt, eines Stephenson, eines Volta,<lb/> Morse, Reiß, Siemers ein billigeres und dem Arbeiter gleichzeitig ein besseres<lb/> Leben ermöglicht wird, weil die geistige Hinterlassenschaft dieser Erfinder Konsu¬<lb/> menten und Produzenten in den Stand setzt, die Zwischenglieder zu entbehren, die<lb/> sie vorher mit ernähren mußten, mit welchem Recht will man sie da zwingen, sie<lb/> dennoch mit zu schleppen?" (S. 137.) Daß auch der Unternehmer, soweit er als<lb/> Kapitalist fungirt, zu den überflüssigen Zwischengliedern gehört, beweise Neuseeland,<lb/> wo der Arbeiter König ist, wo alle gemeinnützigen Arbeiten, anch die Eisenbahn-<lb/> bauten, vom Staate, d. i. von der Gesamtheit der steuerzahlenden Arbeiter aus¬<lb/> geführt werden; die Leitung wird den vom Staate angestellte» Ingenieuren, die<lb/> Ausführung Genossenschaften von Arbeitern übertragen (S. 139). Daher ist die<lb/> Anhäufung von Geldkapitalien zweckwidrig; alles, was den rollenden Thaler auf¬<lb/> hält: das Sparen, die Beschränkung der Koalitionsfreiheit der nach höhern Lohnen,<lb/> d. h. nach höherer Kanfkraft strebenden Arbeiter, Privilegien und Monopole, alles<lb/> das fesselt die Produktion nud hindert die gewaltigen Produktivkräfte unsrer Zeit,<lb/> den Segen zu stifte», deu sie stiften können. Die Arbeiter sollten ihr gewaltiges<lb/> Spartassenkapital ans genossenschaftliche Produktion verwenden, anstatt daß es jetzt</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0197]
Litteratur
Die wirtschaftliche Entwicklung. Jahresbericht der Firma Alexander Jnhn und Komp.
in Hamburg. Herausgegeben vom Inhaber R. E. May. Hamburg, Dezember Z8V6
Ein sehr merkwürdiges Buch, das die Leser nicht wenig überraschen wird!
Vom Geschäftsbericht der Firma ist gar nichts zu spüren; anstatt dessen bekommt
man eine Überschau über das gesamte Wirtschaftsleben der Welt, deren Ergebnis —
so ungefähr die Aussicht auf die Verwirklichung von Bellamys Utopie ist. Der
Verfasser behandelt u. a. die Zentralisation der Produktion, der Banken und der
Arbeit, die steigende Bewegung der Arbeitslöhne und das Wachstum der Spar¬
tasseneinlagen, deu Rückgang der Unternehmergewinne und des Zinsfußes, die Ver¬
nichtung des Zwischenhandels, das Emporkommen des vierten Standes, die Ver¬
staatlichungen und das Versicherungswesen, den Internationalismus und die Lage
der Landwirtschaft. Er findet, daß alle diese wirtschaftlichen Bewegungen kon-
vergirend einem gemeinsamen Ziele zustreben: der Vernichtung des Zinses, also
des Gcldkapitals und der Privatrente, und dem Übergange der Früchte der Arbeit,
des Volks- oder vielmehr Welteinkommens an die Arbeit. Der Verfasser findet,
daß der Privatunternehmer heute keinen Anspruch mehr habe auf eine höhere Ent¬
schädigung als sein Arbeiter. „Es ist nur gerecht, daß der erste Kapitalist, der
den Erfinder unterstützte, für das absolut riskirte Kapital einen höhern Nutzen
erhielt als der Arbeiter, dem es gleich war, bei wem er seinen sichern Lohn ver¬
diente. Es ist nur gerecht, daß der Fabrikant und Händler, die dem Vertrieb
ihre Zeit widmeten, ohne zu wissen, ob sich die Maschine bewahren und einführen
werde, einen entsprechend höhern Gewinn hatten als der Arbeiter, der sie mecha¬
nisch ohne Risiko anfertigte. Heute ist sie eingeführt die Rechenmaschine. (?) Der
Kapitalist weiß geuau, wie wenig er riskirt, wenn er dem Fabrikanten das Geld
zur Herstellung giebt; ebenso wissen Fabrikant und Zwischenhändler genau, wie
wenig sie riskiren, wenn sie ihre Zeit der Herstellung und dem Vertriebe derselben
widmen. Mit welchem Recht also sollen heute Kapitalist, Fabrikant und Zwischen¬
händler von der geistigen Arbeit des längst verstorbnen Erfinders mehr Nutzen
haben als die Arbeiter, die sie herstellen, als die Welt, der sie nützt? . . . Wenn
uns heute durch die geistige Arbeit eines Watt, eines Stephenson, eines Volta,
Morse, Reiß, Siemers ein billigeres und dem Arbeiter gleichzeitig ein besseres
Leben ermöglicht wird, weil die geistige Hinterlassenschaft dieser Erfinder Konsu¬
menten und Produzenten in den Stand setzt, die Zwischenglieder zu entbehren, die
sie vorher mit ernähren mußten, mit welchem Recht will man sie da zwingen, sie
dennoch mit zu schleppen?" (S. 137.) Daß auch der Unternehmer, soweit er als
Kapitalist fungirt, zu den überflüssigen Zwischengliedern gehört, beweise Neuseeland,
wo der Arbeiter König ist, wo alle gemeinnützigen Arbeiten, anch die Eisenbahn-
bauten, vom Staate, d. i. von der Gesamtheit der steuerzahlenden Arbeiter aus¬
geführt werden; die Leitung wird den vom Staate angestellte» Ingenieuren, die
Ausführung Genossenschaften von Arbeitern übertragen (S. 139). Daher ist die
Anhäufung von Geldkapitalien zweckwidrig; alles, was den rollenden Thaler auf¬
hält: das Sparen, die Beschränkung der Koalitionsfreiheit der nach höhern Lohnen,
d. h. nach höherer Kanfkraft strebenden Arbeiter, Privilegien und Monopole, alles
das fesselt die Produktion nud hindert die gewaltigen Produktivkräfte unsrer Zeit,
den Segen zu stifte», deu sie stiften können. Die Arbeiter sollten ihr gewaltiges
Spartassenkapital ans genossenschaftliche Produktion verwenden, anstatt daß es jetzt
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