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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

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Landwirtschaftliche Reinertrage

sind von ein und demselben Sachverständigen bearbeitet.*) Hier dürfen wir
also doch eine annähernde Übereinstimmung in den Berechnungsgrundsätzen
annehmen. Trotzdem der erstaunliche Abstand von 3? Mark und 136 Mark!
Die schlesischen Wirtschaften bestehen, wie ja schon aus den bereits mitgeteilten
Zahlen erkennbar ist, aus drei verschiednen örtlichen Gruppen, je einem Ritter¬
gut, einem Bauerngut und einer Stelle. Die erste Gruppe liegt im Kreise
Glogau, auf Sandboden mit Roggen- und Kartosfelbau. Die zweite im Kreise
Liegnitz, auf gutem Boden mit Weizen- und Anfängen von Zuckerrübenbau.
Die dritte gehört den Kreisen Breslau-Neumarkt an, sie hat sehr guten Boden,
intensiven Betrieb und stärkern Rübenbau.

In die Augen springt sofort, namentlich in der ersten und zweiten Gruppe,
daß der Reinertrag mit dein größern Umfange des Betriebs abnimmt. Mit aller
Bestimmtheit wird dies auch von dem Sachverständigen ausgesprochen. Daß in
der ersten Gruppe (Vreslau-Neumarkt) das Rittergut einen höhern Reinertrag
aufweist als das Bauerngut, wird auf zufällige Umstände zurückgeführt, die
an der Regel nichts ändern können. Auch der Sachverständige für die beiden
Wirtschaften im Kreise Paine (Hannover) -- um das gleich hier zu erwähnen --
bezeichnet es als eine von ihm ganz allgemein beobachtete Thatsache, daß der
kleinbäuerliche Betrieb -- von der Parzellenwirtschaft abgesehen -- höhere
Reinertrage ermögliche als der größere Betrieb. Wir sehen dadurch die von
Professor I. Conrad seit Jahren verfochtene Ansicht bestätigt, daß der Bauer
der agrarischen Krisis widerstandsfähiger gegenübersteht, als der Ritterguts¬
besitzer, und daß die neuen Verhältnisse viel eher eine Verminderung der Gro߬
betriebe zu bedingen scheinen, als daß sie einen besondern künstlichen Schutz
der Bauerngüter gegen die Latifundienbildnng nötig machten. Mit Recht wird
von dem schlesischen Sachverständigen betont, wie tröstlich diese Erscheinung
namentlich auch im Hinblick auf die in den Ostprovinzen unter staatlicher För¬
derung rasch fortschreitende Bildung von Nentengütern sei, da ja für diese
Bestrebungen nur ein Mißerfolg vorauszusehen wäre, wenn wirklich in der
Landwirtschaft, wie es sür die Industrie behauptet wird, der Großbetrieb kraft
seiner angeblichen wirtschaftlichen Überlegenheit den Kleinbetrieb aufzusaugen
und so den landwirtschaftlichen Mittelstand zu vernichten drohte.

Aber werfen wir nun einen flüchtigen Blick in die einzelnen Wirtschaften
und die darüber aufgestellten Berechnungen.

Das Rittergut im Kreise Glogau, mit dem geringsten Reinertrag (37 Mark
für den Hektar), hat eine Gesamtfläche von 1033 Hektar, von der etwa 240 Hektar
auf Holzungen, 22^/z auf Ödland, 2 auf Wasser und 26 auf Hofraum und
Gurten kommen, sodaß nach Annahme des Sachverständigen nur 475^ Hektar



*) Stumpfe, Über die Konkurrenzfähigkeit des kleinen und mittlern Grundbesitzes gegenüber
dem Großgrundbesitz.
Landwirtschaftliche Reinertrage

sind von ein und demselben Sachverständigen bearbeitet.*) Hier dürfen wir
also doch eine annähernde Übereinstimmung in den Berechnungsgrundsätzen
annehmen. Trotzdem der erstaunliche Abstand von 3? Mark und 136 Mark!
Die schlesischen Wirtschaften bestehen, wie ja schon aus den bereits mitgeteilten
Zahlen erkennbar ist, aus drei verschiednen örtlichen Gruppen, je einem Ritter¬
gut, einem Bauerngut und einer Stelle. Die erste Gruppe liegt im Kreise
Glogau, auf Sandboden mit Roggen- und Kartosfelbau. Die zweite im Kreise
Liegnitz, auf gutem Boden mit Weizen- und Anfängen von Zuckerrübenbau.
Die dritte gehört den Kreisen Breslau-Neumarkt an, sie hat sehr guten Boden,
intensiven Betrieb und stärkern Rübenbau.

In die Augen springt sofort, namentlich in der ersten und zweiten Gruppe,
daß der Reinertrag mit dein größern Umfange des Betriebs abnimmt. Mit aller
Bestimmtheit wird dies auch von dem Sachverständigen ausgesprochen. Daß in
der ersten Gruppe (Vreslau-Neumarkt) das Rittergut einen höhern Reinertrag
aufweist als das Bauerngut, wird auf zufällige Umstände zurückgeführt, die
an der Regel nichts ändern können. Auch der Sachverständige für die beiden
Wirtschaften im Kreise Paine (Hannover) — um das gleich hier zu erwähnen —
bezeichnet es als eine von ihm ganz allgemein beobachtete Thatsache, daß der
kleinbäuerliche Betrieb — von der Parzellenwirtschaft abgesehen — höhere
Reinertrage ermögliche als der größere Betrieb. Wir sehen dadurch die von
Professor I. Conrad seit Jahren verfochtene Ansicht bestätigt, daß der Bauer
der agrarischen Krisis widerstandsfähiger gegenübersteht, als der Ritterguts¬
besitzer, und daß die neuen Verhältnisse viel eher eine Verminderung der Gro߬
betriebe zu bedingen scheinen, als daß sie einen besondern künstlichen Schutz
der Bauerngüter gegen die Latifundienbildnng nötig machten. Mit Recht wird
von dem schlesischen Sachverständigen betont, wie tröstlich diese Erscheinung
namentlich auch im Hinblick auf die in den Ostprovinzen unter staatlicher För¬
derung rasch fortschreitende Bildung von Nentengütern sei, da ja für diese
Bestrebungen nur ein Mißerfolg vorauszusehen wäre, wenn wirklich in der
Landwirtschaft, wie es sür die Industrie behauptet wird, der Großbetrieb kraft
seiner angeblichen wirtschaftlichen Überlegenheit den Kleinbetrieb aufzusaugen
und so den landwirtschaftlichen Mittelstand zu vernichten drohte.

Aber werfen wir nun einen flüchtigen Blick in die einzelnen Wirtschaften
und die darüber aufgestellten Berechnungen.

Das Rittergut im Kreise Glogau, mit dem geringsten Reinertrag (37 Mark
für den Hektar), hat eine Gesamtfläche von 1033 Hektar, von der etwa 240 Hektar
auf Holzungen, 22^/z auf Ödland, 2 auf Wasser und 26 auf Hofraum und
Gurten kommen, sodaß nach Annahme des Sachverständigen nur 475^ Hektar



*) Stumpfe, Über die Konkurrenzfähigkeit des kleinen und mittlern Grundbesitzes gegenüber
dem Großgrundbesitz.
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[0168] Landwirtschaftliche Reinertrage sind von ein und demselben Sachverständigen bearbeitet.*) Hier dürfen wir also doch eine annähernde Übereinstimmung in den Berechnungsgrundsätzen annehmen. Trotzdem der erstaunliche Abstand von 3? Mark und 136 Mark! Die schlesischen Wirtschaften bestehen, wie ja schon aus den bereits mitgeteilten Zahlen erkennbar ist, aus drei verschiednen örtlichen Gruppen, je einem Ritter¬ gut, einem Bauerngut und einer Stelle. Die erste Gruppe liegt im Kreise Glogau, auf Sandboden mit Roggen- und Kartosfelbau. Die zweite im Kreise Liegnitz, auf gutem Boden mit Weizen- und Anfängen von Zuckerrübenbau. Die dritte gehört den Kreisen Breslau-Neumarkt an, sie hat sehr guten Boden, intensiven Betrieb und stärkern Rübenbau. In die Augen springt sofort, namentlich in der ersten und zweiten Gruppe, daß der Reinertrag mit dein größern Umfange des Betriebs abnimmt. Mit aller Bestimmtheit wird dies auch von dem Sachverständigen ausgesprochen. Daß in der ersten Gruppe (Vreslau-Neumarkt) das Rittergut einen höhern Reinertrag aufweist als das Bauerngut, wird auf zufällige Umstände zurückgeführt, die an der Regel nichts ändern können. Auch der Sachverständige für die beiden Wirtschaften im Kreise Paine (Hannover) — um das gleich hier zu erwähnen — bezeichnet es als eine von ihm ganz allgemein beobachtete Thatsache, daß der kleinbäuerliche Betrieb — von der Parzellenwirtschaft abgesehen — höhere Reinertrage ermögliche als der größere Betrieb. Wir sehen dadurch die von Professor I. Conrad seit Jahren verfochtene Ansicht bestätigt, daß der Bauer der agrarischen Krisis widerstandsfähiger gegenübersteht, als der Ritterguts¬ besitzer, und daß die neuen Verhältnisse viel eher eine Verminderung der Gro߬ betriebe zu bedingen scheinen, als daß sie einen besondern künstlichen Schutz der Bauerngüter gegen die Latifundienbildnng nötig machten. Mit Recht wird von dem schlesischen Sachverständigen betont, wie tröstlich diese Erscheinung namentlich auch im Hinblick auf die in den Ostprovinzen unter staatlicher För¬ derung rasch fortschreitende Bildung von Nentengütern sei, da ja für diese Bestrebungen nur ein Mißerfolg vorauszusehen wäre, wenn wirklich in der Landwirtschaft, wie es sür die Industrie behauptet wird, der Großbetrieb kraft seiner angeblichen wirtschaftlichen Überlegenheit den Kleinbetrieb aufzusaugen und so den landwirtschaftlichen Mittelstand zu vernichten drohte. Aber werfen wir nun einen flüchtigen Blick in die einzelnen Wirtschaften und die darüber aufgestellten Berechnungen. Das Rittergut im Kreise Glogau, mit dem geringsten Reinertrag (37 Mark für den Hektar), hat eine Gesamtfläche von 1033 Hektar, von der etwa 240 Hektar auf Holzungen, 22^/z auf Ödland, 2 auf Wasser und 26 auf Hofraum und Gurten kommen, sodaß nach Annahme des Sachverständigen nur 475^ Hektar *) Stumpfe, Über die Konkurrenzfähigkeit des kleinen und mittlern Grundbesitzes gegenüber dem Großgrundbesitz.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/168>, abgerufen am 22.07.2024.