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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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Die sozialen Zustände der Türkei und der Jslcnn

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Werke "Der Islam im Morgen- und Abendland" (Bd. I, Berlin, 1835)
treffend hervor, wie Muhammed die Gelüste seines Herzens mit den Bestim¬
mungen Allahs "verwechselte," und was für traurige Folgen dies für den
ganzen Orient gehabt hat. Selbst der Anfang, der in Ägypten mit der Frauen¬
bildung gemacht ist -- nach der Statistik erhalten neben 155186 Schülern
2837 Schülerinnen Unterricht --, wird ans die allgemeine Anschauung, daß
das Weib eine Ware, ein Ding ist, noch lange Zeit keinen Einfluß üben.

Diese Proben sollen nur den Beweis liefern, wie befangen selbst ein in
Europa gebildeter Muslim heute noch sein und wie trefflich er es verstehen
kann, dem Publikum Sand in die Augen zu streuen. Die letzten Kapitel des
Buches sichren uns nun wieder zu unserm eigentlichen Gegenstande zurück, da
sie wesentlich eine Verteidigung des Islams als Religion enthalten. Verteidiger
will übrigens Kassen nicht sein; nach ihm ist der Islam überhaupt die natür¬
liche Religion, die beste Fahne, unter die sich die gesamte Menschheit scharen
könnte, kurz die Religion der Zukunft. In dieser Beziehung giebt er auch nur
der allgemeinen natürlichen Ansicht seiner Glaubensgenossen Ausdruck. Dem An¬
spruch, allgemeine Weltreligion zu werden, entsagt der heutige Islam weniger als
je; neu und verblüffend sind nur die von ihm vorgebrachten Gründe. Gleich¬
wohl verlohnte es sich wohl kaum der Mühe, sich weiter damit zu beschäftigen,
wenn nicht in einer viel gelesenen Zeitschrift (Berliner Rundschau vom 10. Juli
1895) ein hervorragender Reisender, G. Schweinfurth, unter dem Titel "Die
Wiedergeburt Ägyptens im Lichte eines aufgeklärten Islam" Kasfems Arbeit
einem größern Leserkreise gegenüber mehr als nötig herausgestrichen hätte. Er
sagt geradezu: "Die Thatsache, daß ein mohammedanischer Ägypter imstande
war, in so vorurteilsfreier, so warmfühlender Weise und zugleich so philo¬
sophisch klar, wie es Kassen-Emin gethan, seine Ansichten niederzuschreiben,
ist ein Ereignis von mehr als litterarischer Bedeutung und zugleich der beste
Beweis für die Richtigkeit (sie) der in dem Buche verfochtenen Ansichten."

Schweinfurth hat völlig Recht, wenn er betont, daß der Europäer die
Tugenden, z.B. die Ehrenhaftigkeit, die Mäßigkeit, die Gastfreundlichkeit der Mus¬
limen im Orient oft genug erprobt und schätzen lernt, auch im Grunde von Fana¬
tismus nicht zu leiden hat. Mir ist es aber immer so vorgekommen, als sei
im allgemeinen der Charakter diesen Orientalen angeboren und von der Re¬
ligion unabhängig. Der Grundzug von dem, was der Araber wuruvg, und
llilni, d. h. virtus, Charakter in eminenten Sinne nennt, ist namentlich auch
bei den Muslimen nicht zu verkennen, die mit sogenannter Kultur, oder besser


Die sozialen Zustände der Türkei und der Jslcnn

Mi g, roglisv esttv glAgntssquö entrspriso, ait Is lorups as wöusr ig, vis et'un
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amour. — Lgxicmti sgt. Im geraden Gegensatz dazu hebt A. Müller in seinem
Werke „Der Islam im Morgen- und Abendland" (Bd. I, Berlin, 1835)
treffend hervor, wie Muhammed die Gelüste seines Herzens mit den Bestim¬
mungen Allahs „verwechselte," und was für traurige Folgen dies für den
ganzen Orient gehabt hat. Selbst der Anfang, der in Ägypten mit der Frauen¬
bildung gemacht ist — nach der Statistik erhalten neben 155186 Schülern
2837 Schülerinnen Unterricht —, wird ans die allgemeine Anschauung, daß
das Weib eine Ware, ein Ding ist, noch lange Zeit keinen Einfluß üben.

Diese Proben sollen nur den Beweis liefern, wie befangen selbst ein in
Europa gebildeter Muslim heute noch sein und wie trefflich er es verstehen
kann, dem Publikum Sand in die Augen zu streuen. Die letzten Kapitel des
Buches sichren uns nun wieder zu unserm eigentlichen Gegenstande zurück, da
sie wesentlich eine Verteidigung des Islams als Religion enthalten. Verteidiger
will übrigens Kassen nicht sein; nach ihm ist der Islam überhaupt die natür¬
liche Religion, die beste Fahne, unter die sich die gesamte Menschheit scharen
könnte, kurz die Religion der Zukunft. In dieser Beziehung giebt er auch nur
der allgemeinen natürlichen Ansicht seiner Glaubensgenossen Ausdruck. Dem An¬
spruch, allgemeine Weltreligion zu werden, entsagt der heutige Islam weniger als
je; neu und verblüffend sind nur die von ihm vorgebrachten Gründe. Gleich¬
wohl verlohnte es sich wohl kaum der Mühe, sich weiter damit zu beschäftigen,
wenn nicht in einer viel gelesenen Zeitschrift (Berliner Rundschau vom 10. Juli
1895) ein hervorragender Reisender, G. Schweinfurth, unter dem Titel „Die
Wiedergeburt Ägyptens im Lichte eines aufgeklärten Islam" Kasfems Arbeit
einem größern Leserkreise gegenüber mehr als nötig herausgestrichen hätte. Er
sagt geradezu: „Die Thatsache, daß ein mohammedanischer Ägypter imstande
war, in so vorurteilsfreier, so warmfühlender Weise und zugleich so philo¬
sophisch klar, wie es Kassen-Emin gethan, seine Ansichten niederzuschreiben,
ist ein Ereignis von mehr als litterarischer Bedeutung und zugleich der beste
Beweis für die Richtigkeit (sie) der in dem Buche verfochtenen Ansichten."

Schweinfurth hat völlig Recht, wenn er betont, daß der Europäer die
Tugenden, z.B. die Ehrenhaftigkeit, die Mäßigkeit, die Gastfreundlichkeit der Mus¬
limen im Orient oft genug erprobt und schätzen lernt, auch im Grunde von Fana¬
tismus nicht zu leiden hat. Mir ist es aber immer so vorgekommen, als sei
im allgemeinen der Charakter diesen Orientalen angeboren und von der Re¬
ligion unabhängig. Der Grundzug von dem, was der Araber wuruvg, und
llilni, d. h. virtus, Charakter in eminenten Sinne nennt, ist namentlich auch
bei den Muslimen nicht zu verkennen, die mit sogenannter Kultur, oder besser


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[0608] Die sozialen Zustände der Türkei und der Jslcnn Mi g, roglisv esttv glAgntssquö entrspriso, ait Is lorups as wöusr ig, vis et'un xstit erevv ?grisi6n? . . . LisrtöL, Noligniscl a alle „ein'it aiws les tsiuuiss,^ MW on Aurg.it tort 6'incluir c^u'it 1ö« giins xour lsur vorps. II los giins oonrins it giinc; ig xrivrö, xuisqu'it g, «onlonüu los clsux ägns um mßuiö amour. — Lgxicmti sgt. Im geraden Gegensatz dazu hebt A. Müller in seinem Werke „Der Islam im Morgen- und Abendland" (Bd. I, Berlin, 1835) treffend hervor, wie Muhammed die Gelüste seines Herzens mit den Bestim¬ mungen Allahs „verwechselte," und was für traurige Folgen dies für den ganzen Orient gehabt hat. Selbst der Anfang, der in Ägypten mit der Frauen¬ bildung gemacht ist — nach der Statistik erhalten neben 155186 Schülern 2837 Schülerinnen Unterricht —, wird ans die allgemeine Anschauung, daß das Weib eine Ware, ein Ding ist, noch lange Zeit keinen Einfluß üben. Diese Proben sollen nur den Beweis liefern, wie befangen selbst ein in Europa gebildeter Muslim heute noch sein und wie trefflich er es verstehen kann, dem Publikum Sand in die Augen zu streuen. Die letzten Kapitel des Buches sichren uns nun wieder zu unserm eigentlichen Gegenstande zurück, da sie wesentlich eine Verteidigung des Islams als Religion enthalten. Verteidiger will übrigens Kassen nicht sein; nach ihm ist der Islam überhaupt die natür¬ liche Religion, die beste Fahne, unter die sich die gesamte Menschheit scharen könnte, kurz die Religion der Zukunft. In dieser Beziehung giebt er auch nur der allgemeinen natürlichen Ansicht seiner Glaubensgenossen Ausdruck. Dem An¬ spruch, allgemeine Weltreligion zu werden, entsagt der heutige Islam weniger als je; neu und verblüffend sind nur die von ihm vorgebrachten Gründe. Gleich¬ wohl verlohnte es sich wohl kaum der Mühe, sich weiter damit zu beschäftigen, wenn nicht in einer viel gelesenen Zeitschrift (Berliner Rundschau vom 10. Juli 1895) ein hervorragender Reisender, G. Schweinfurth, unter dem Titel „Die Wiedergeburt Ägyptens im Lichte eines aufgeklärten Islam" Kasfems Arbeit einem größern Leserkreise gegenüber mehr als nötig herausgestrichen hätte. Er sagt geradezu: „Die Thatsache, daß ein mohammedanischer Ägypter imstande war, in so vorurteilsfreier, so warmfühlender Weise und zugleich so philo¬ sophisch klar, wie es Kassen-Emin gethan, seine Ansichten niederzuschreiben, ist ein Ereignis von mehr als litterarischer Bedeutung und zugleich der beste Beweis für die Richtigkeit (sie) der in dem Buche verfochtenen Ansichten." Schweinfurth hat völlig Recht, wenn er betont, daß der Europäer die Tugenden, z.B. die Ehrenhaftigkeit, die Mäßigkeit, die Gastfreundlichkeit der Mus¬ limen im Orient oft genug erprobt und schätzen lernt, auch im Grunde von Fana¬ tismus nicht zu leiden hat. Mir ist es aber immer so vorgekommen, als sei im allgemeinen der Charakter diesen Orientalen angeboren und von der Re¬ ligion unabhängig. Der Grundzug von dem, was der Araber wuruvg, und llilni, d. h. virtus, Charakter in eminenten Sinne nennt, ist namentlich auch bei den Muslimen nicht zu verkennen, die mit sogenannter Kultur, oder besser

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/608>, abgerufen am 26.11.2024.