Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Lin Buchdruckerstreik?

trotz seiner Arbeiterfreuudlichkeit, in der That aber wegen ihr, die Verleger-
crklärnng unterzeichnet but, die sich gegen die Lohnerhöhung -- oder vielmehr
gegen die Bewilligung höherer Druckpreise -- wendet und den Streik zu ver¬
hindern sucht, und er wird mit allen Mitteln eine Vereinigung des gesamten
Verlagsbuchhandels herbeizuführen suchen, die imstande sein wird, einen ent¬
scheidenden Einfluß auf die Lvhnverhültnisse zu gewinnen. Es handelt sich
nicht um die Versagung berechtigter Wünsche, im Gegenteil, er gäbe von Herzen
gern mehr, wo es ginge und wo er könnte; sondern es handelt sich um die
Notwendigkeit der Erhaltung eines wertvollen und vernünftigen Bestehenden,
und um den Schutz der Arbeiter selbst. Nicht aus einer vorhandnen Not sind
sie zu retten, sondern vor einer drohenden sind sie zu bewahren, in die sie
gestürzt werden sollen.

Denn was würde mit ihnen geschehen, wenn sie sich durch deu Streik
die geforderte Lohnerhöhung zu erzwingen suchten und wirklich erzwangen?
Die Verleger haben unter sich selbst scharfe Konkurrenz. Ein Buch, das billig
in der Provinz gedruckt werden kann, schlägt leicht eines, das in deu Hanpt-
druckstädten mit höhern Kosten gedruckt wird und deshalb auch einen höhern
Preis haben muß oder andernfalls nur weniger abwerfen kann. Die Verleger,
die sich der Prvvinzialdruckereien bedienen, sind also in vielen Dingen leistungs¬
fähiger als die andern. Der Wettstreit hat aber seine Grenzen, und die sichere
Folge der vom Verband erzwungnen Lohn- und Preiserhöhung wäre, daß
alle Verleger mit allen Druckauftrügen, bei denen es möglich wäre, in die
Provinz, also dahin, wo es billig ist, gingen und gehe" müßten. Und die
Folge für die Arbeiter wäre, daß sie ihre gute Arbeit an den Hauvtplcitzen
verlören -- in weit größerm Umfange, als sie ahnen, denn es würden nicht
nur etliche Hände frei werden, sondern dnrch die unbedingt eintretende Schließung
einer Reihe von Betrieben, deren tausende --, und daß sie der Arbeit in die
Provinz folgen und sich ihr auf Gnade und Ungnade ergeben müßten. Sie
würde" nicht ihren Tarif mit hinaustragen können, sondern zu den Be¬
dingungen frohnten müsse", zu denen es die Provinzialarbeiter schon zu
thun gezwungen sind. Jeder, der die Dinge kennt, weiß, wie es dort steht,
und daß es eine Unmöglichkeit für die Sozialdemokratie ist, die Streitbewegung
in die Provinz hinaufzutragen. Sie hat nur Macht, wo sie sich auf die ge¬
schlossene Gewerkschaft stützen kann, und das kann sie nur in den großen Städten.

Der Streik wäre ein unerhörter Frevel gegen die Arbeiter. Das sagen
wir der sozialdemokratischen Leitung und auch deu Arbeitern, die es hören
wollen und verstehen können. Es würden wieder laufende von Familien ins Elend
gestürzt werden -- was ein Streik für die Familien der Arbeiter bedeutet,
bleibt ja gewöhnlich verborgen, aber man blicke dann nur in die Arbeiter¬
häuser! --, und nicht mir vorübergehend, sondern für immer. Die Arbeiter
haben zum Teil jetzt noch an den Folgen, des letzten mißlungnen Streiks zu


Lin Buchdruckerstreik?

trotz seiner Arbeiterfreuudlichkeit, in der That aber wegen ihr, die Verleger-
crklärnng unterzeichnet but, die sich gegen die Lohnerhöhung — oder vielmehr
gegen die Bewilligung höherer Druckpreise — wendet und den Streik zu ver¬
hindern sucht, und er wird mit allen Mitteln eine Vereinigung des gesamten
Verlagsbuchhandels herbeizuführen suchen, die imstande sein wird, einen ent¬
scheidenden Einfluß auf die Lvhnverhültnisse zu gewinnen. Es handelt sich
nicht um die Versagung berechtigter Wünsche, im Gegenteil, er gäbe von Herzen
gern mehr, wo es ginge und wo er könnte; sondern es handelt sich um die
Notwendigkeit der Erhaltung eines wertvollen und vernünftigen Bestehenden,
und um den Schutz der Arbeiter selbst. Nicht aus einer vorhandnen Not sind
sie zu retten, sondern vor einer drohenden sind sie zu bewahren, in die sie
gestürzt werden sollen.

Denn was würde mit ihnen geschehen, wenn sie sich durch deu Streik
die geforderte Lohnerhöhung zu erzwingen suchten und wirklich erzwangen?
Die Verleger haben unter sich selbst scharfe Konkurrenz. Ein Buch, das billig
in der Provinz gedruckt werden kann, schlägt leicht eines, das in deu Hanpt-
druckstädten mit höhern Kosten gedruckt wird und deshalb auch einen höhern
Preis haben muß oder andernfalls nur weniger abwerfen kann. Die Verleger,
die sich der Prvvinzialdruckereien bedienen, sind also in vielen Dingen leistungs¬
fähiger als die andern. Der Wettstreit hat aber seine Grenzen, und die sichere
Folge der vom Verband erzwungnen Lohn- und Preiserhöhung wäre, daß
alle Verleger mit allen Druckauftrügen, bei denen es möglich wäre, in die
Provinz, also dahin, wo es billig ist, gingen und gehe» müßten. Und die
Folge für die Arbeiter wäre, daß sie ihre gute Arbeit an den Hauvtplcitzen
verlören — in weit größerm Umfange, als sie ahnen, denn es würden nicht
nur etliche Hände frei werden, sondern dnrch die unbedingt eintretende Schließung
einer Reihe von Betrieben, deren tausende —, und daß sie der Arbeit in die
Provinz folgen und sich ihr auf Gnade und Ungnade ergeben müßten. Sie
würde» nicht ihren Tarif mit hinaustragen können, sondern zu den Be¬
dingungen frohnten müsse», zu denen es die Provinzialarbeiter schon zu
thun gezwungen sind. Jeder, der die Dinge kennt, weiß, wie es dort steht,
und daß es eine Unmöglichkeit für die Sozialdemokratie ist, die Streitbewegung
in die Provinz hinaufzutragen. Sie hat nur Macht, wo sie sich auf die ge¬
schlossene Gewerkschaft stützen kann, und das kann sie nur in den großen Städten.

Der Streik wäre ein unerhörter Frevel gegen die Arbeiter. Das sagen
wir der sozialdemokratischen Leitung und auch deu Arbeitern, die es hören
wollen und verstehen können. Es würden wieder laufende von Familien ins Elend
gestürzt werden — was ein Streik für die Familien der Arbeiter bedeutet,
bleibt ja gewöhnlich verborgen, aber man blicke dann nur in die Arbeiter¬
häuser! —, und nicht mir vorübergehend, sondern für immer. Die Arbeiter
haben zum Teil jetzt noch an den Folgen, des letzten mißlungnen Streiks zu


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0566" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/222212"/>
          <fw type="header" place="top"> Lin Buchdruckerstreik?</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2001" prev="#ID_2000"> trotz seiner Arbeiterfreuudlichkeit, in der That aber wegen ihr, die Verleger-<lb/>
crklärnng unterzeichnet but, die sich gegen die Lohnerhöhung &#x2014; oder vielmehr<lb/>
gegen die Bewilligung höherer Druckpreise &#x2014; wendet und den Streik zu ver¬<lb/>
hindern sucht, und er wird mit allen Mitteln eine Vereinigung des gesamten<lb/>
Verlagsbuchhandels herbeizuführen suchen, die imstande sein wird, einen ent¬<lb/>
scheidenden Einfluß auf die Lvhnverhültnisse zu gewinnen. Es handelt sich<lb/>
nicht um die Versagung berechtigter Wünsche, im Gegenteil, er gäbe von Herzen<lb/>
gern mehr, wo es ginge und wo er könnte; sondern es handelt sich um die<lb/>
Notwendigkeit der Erhaltung eines wertvollen und vernünftigen Bestehenden,<lb/>
und um den Schutz der Arbeiter selbst. Nicht aus einer vorhandnen Not sind<lb/>
sie zu retten, sondern vor einer drohenden sind sie zu bewahren, in die sie<lb/>
gestürzt werden sollen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2002"> Denn was würde mit ihnen geschehen, wenn sie sich durch deu Streik<lb/>
die geforderte Lohnerhöhung zu erzwingen suchten und wirklich erzwangen?<lb/>
Die Verleger haben unter sich selbst scharfe Konkurrenz. Ein Buch, das billig<lb/>
in der Provinz gedruckt werden kann, schlägt leicht eines, das in deu Hanpt-<lb/>
druckstädten mit höhern Kosten gedruckt wird und deshalb auch einen höhern<lb/>
Preis haben muß oder andernfalls nur weniger abwerfen kann. Die Verleger,<lb/>
die sich der Prvvinzialdruckereien bedienen, sind also in vielen Dingen leistungs¬<lb/>
fähiger als die andern. Der Wettstreit hat aber seine Grenzen, und die sichere<lb/>
Folge der vom Verband erzwungnen Lohn- und Preiserhöhung wäre, daß<lb/>
alle Verleger mit allen Druckauftrügen, bei denen es möglich wäre, in die<lb/>
Provinz, also dahin, wo es billig ist, gingen und gehe» müßten. Und die<lb/>
Folge für die Arbeiter wäre, daß sie ihre gute Arbeit an den Hauvtplcitzen<lb/>
verlören &#x2014; in weit größerm Umfange, als sie ahnen, denn es würden nicht<lb/>
nur etliche Hände frei werden, sondern dnrch die unbedingt eintretende Schließung<lb/>
einer Reihe von Betrieben, deren tausende &#x2014;, und daß sie der Arbeit in die<lb/>
Provinz folgen und sich ihr auf Gnade und Ungnade ergeben müßten. Sie<lb/>
würde» nicht ihren Tarif mit hinaustragen können, sondern zu den Be¬<lb/>
dingungen frohnten müsse», zu denen es die Provinzialarbeiter schon zu<lb/>
thun gezwungen sind. Jeder, der die Dinge kennt, weiß, wie es dort steht,<lb/>
und daß es eine Unmöglichkeit für die Sozialdemokratie ist, die Streitbewegung<lb/>
in die Provinz hinaufzutragen. Sie hat nur Macht, wo sie sich auf die ge¬<lb/>
schlossene Gewerkschaft stützen kann, und das kann sie nur in den großen Städten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2003" next="#ID_2004"> Der Streik wäre ein unerhörter Frevel gegen die Arbeiter. Das sagen<lb/>
wir der sozialdemokratischen Leitung und auch deu Arbeitern, die es hören<lb/>
wollen und verstehen können. Es würden wieder laufende von Familien ins Elend<lb/>
gestürzt werden &#x2014; was ein Streik für die Familien der Arbeiter bedeutet,<lb/>
bleibt ja gewöhnlich verborgen, aber man blicke dann nur in die Arbeiter¬<lb/>
häuser! &#x2014;, und nicht mir vorübergehend, sondern für immer. Die Arbeiter<lb/>
haben zum Teil jetzt noch an den Folgen, des letzten mißlungnen Streiks zu</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0566] Lin Buchdruckerstreik? trotz seiner Arbeiterfreuudlichkeit, in der That aber wegen ihr, die Verleger- crklärnng unterzeichnet but, die sich gegen die Lohnerhöhung — oder vielmehr gegen die Bewilligung höherer Druckpreise — wendet und den Streik zu ver¬ hindern sucht, und er wird mit allen Mitteln eine Vereinigung des gesamten Verlagsbuchhandels herbeizuführen suchen, die imstande sein wird, einen ent¬ scheidenden Einfluß auf die Lvhnverhültnisse zu gewinnen. Es handelt sich nicht um die Versagung berechtigter Wünsche, im Gegenteil, er gäbe von Herzen gern mehr, wo es ginge und wo er könnte; sondern es handelt sich um die Notwendigkeit der Erhaltung eines wertvollen und vernünftigen Bestehenden, und um den Schutz der Arbeiter selbst. Nicht aus einer vorhandnen Not sind sie zu retten, sondern vor einer drohenden sind sie zu bewahren, in die sie gestürzt werden sollen. Denn was würde mit ihnen geschehen, wenn sie sich durch deu Streik die geforderte Lohnerhöhung zu erzwingen suchten und wirklich erzwangen? Die Verleger haben unter sich selbst scharfe Konkurrenz. Ein Buch, das billig in der Provinz gedruckt werden kann, schlägt leicht eines, das in deu Hanpt- druckstädten mit höhern Kosten gedruckt wird und deshalb auch einen höhern Preis haben muß oder andernfalls nur weniger abwerfen kann. Die Verleger, die sich der Prvvinzialdruckereien bedienen, sind also in vielen Dingen leistungs¬ fähiger als die andern. Der Wettstreit hat aber seine Grenzen, und die sichere Folge der vom Verband erzwungnen Lohn- und Preiserhöhung wäre, daß alle Verleger mit allen Druckauftrügen, bei denen es möglich wäre, in die Provinz, also dahin, wo es billig ist, gingen und gehe» müßten. Und die Folge für die Arbeiter wäre, daß sie ihre gute Arbeit an den Hauvtplcitzen verlören — in weit größerm Umfange, als sie ahnen, denn es würden nicht nur etliche Hände frei werden, sondern dnrch die unbedingt eintretende Schließung einer Reihe von Betrieben, deren tausende —, und daß sie der Arbeit in die Provinz folgen und sich ihr auf Gnade und Ungnade ergeben müßten. Sie würde» nicht ihren Tarif mit hinaustragen können, sondern zu den Be¬ dingungen frohnten müsse», zu denen es die Provinzialarbeiter schon zu thun gezwungen sind. Jeder, der die Dinge kennt, weiß, wie es dort steht, und daß es eine Unmöglichkeit für die Sozialdemokratie ist, die Streitbewegung in die Provinz hinaufzutragen. Sie hat nur Macht, wo sie sich auf die ge¬ schlossene Gewerkschaft stützen kann, und das kann sie nur in den großen Städten. Der Streik wäre ein unerhörter Frevel gegen die Arbeiter. Das sagen wir der sozialdemokratischen Leitung und auch deu Arbeitern, die es hören wollen und verstehen können. Es würden wieder laufende von Familien ins Elend gestürzt werden — was ein Streik für die Familien der Arbeiter bedeutet, bleibt ja gewöhnlich verborgen, aber man blicke dann nur in die Arbeiter¬ häuser! —, und nicht mir vorübergehend, sondern für immer. Die Arbeiter haben zum Teil jetzt noch an den Folgen, des letzten mißlungnen Streiks zu

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/566
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/566>, abgerufen am 01.09.2024.