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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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Litt Buchdruckerstreik?

preisen und bezahlen bedeutend niedrigere Löhne, als den Verbandsmitgliedern
bezahlt werden müssen; während sich z. B. der einfache Wochenlohn der tüchtigen
Durchschnittssetzer in Leipzig (ohne Überstunden) um 30 Mark dreht, beträgt
er in der Provinz nur 18 bis 19 Mark. Entsprechend ist es bei den Drncker-
löhnen usw. Daraus, und außerdem aus dem Umstände, daß die Provmzial-
drnckereien billigere Werkstätten und andre Ersparnisse haben, entspringt ihre
Konkurrenzfähigkeit.

Aus diesen Verhältnissen ergiebt sich um folgendes. Die Provinzial-
druckereien sind natürlich nicht imstande, in allen Dingen mit den Großstadt-
drnckereien zu konkurriren. Es giebt hundert Dinge, die besondre Einrichtungen,
besondres Material, besonders geschulte Kräfte, das Ineinandergreifen ganz ver-
schiedner Betriebe und Gewerbe erfordern; daraus ist eben die großartige Entwick¬
lung der Hauptdrnckstätten hervorgegangen, und nicht jede Provinzialstadt kann
sich das nach Belieben schaffen. Aber bei der überwiegenden Masse der glatten
und einfachen Arbeit, die auch den großen Plätzen die Hnupteinnahme schafft,
kann die Provinz mit Leichtigkeit kvnkurrirend auftreten, und sie thut es in
immer stärkeren Maße. Ja es kann sehr leicht in einem für die Großstädte
verhängnisvollen Umfange geschehen, und das ist es, worauf die Lohnerhöhung,
die von den Verbcmdslenten gefordert wird und durch den Streik erzwungen
werden soll, hinführen würde. Nissen die Provinzialstädte einen großen Teil
der Arbeit an sich, die jetzt den Grvßstadtdruckereien ihren Gewinn bringen,
so könnten diese trotz der besondern Leistungen auf manchen Gebieten, die
mir sie bieten können, leicht ruinirt werden. Ein blühendes Gewerbe könnte
vernichtet werden und damit die Existenz des besten und wertvollsten Ar¬
beiterteils, der jetzt sein gutes Auskommen hat.

Der Berlagsbuchhandel hat um ein großes Interesse daran, daß dieser
Unsinn nicht zustande kommt. Ein großer Teil aller bessern und schwierigern
Druckarbeit verlangt wohleingerichtete Mittelpunkte, in denen sich alles ver¬
einigt, was der Industrie dienen kann, und gutgeschulte Arbeiter, und der Buch¬
handel muß sie lebensfähig erhalten und schützen, das ist sonnenklar, denn
es ist eine Lebensfrage für ihn selbst. Er kann sie aber nur schützen, wenn er
ein Hinaufschrauben der Löhne auf eine Höhe verhindert, die der Provinz
das Übergewicht giebt. Das ist der Grund, weshalb auch der Verleger dieser
Zeitschrift, woraus ihm die sozialdemokratischen Blätter einen Vorwurf machen,


der dich festhalten, obgleich die Arbeiter den Tarif nicht formell angenommen habe". -- Mit
dem oben Dargelegten soll übrigens nicht gesagt werden, daß die Verbands- und Nichtverbnnds-
arbeiter durchaus örtlich getrennt stünden. In der Provinz arbeiten Verbandsmitglieder zu
den dort üblichen Preisen, und an den Hanptplntzen Nichtverbandsleule, "Wilde," zu Taris¬
preisen und höhern. Z. V. in den Druckereien großer Zeitungen werden dem geschulten Per¬
sonal Lohne gezahlt, die die Arbeiter über den Tarif und die Streike hinwegsehen -- zum
Verdruß der Verbandsleitung.
Litt Buchdruckerstreik?

preisen und bezahlen bedeutend niedrigere Löhne, als den Verbandsmitgliedern
bezahlt werden müssen; während sich z. B. der einfache Wochenlohn der tüchtigen
Durchschnittssetzer in Leipzig (ohne Überstunden) um 30 Mark dreht, beträgt
er in der Provinz nur 18 bis 19 Mark. Entsprechend ist es bei den Drncker-
löhnen usw. Daraus, und außerdem aus dem Umstände, daß die Provmzial-
drnckereien billigere Werkstätten und andre Ersparnisse haben, entspringt ihre
Konkurrenzfähigkeit.

Aus diesen Verhältnissen ergiebt sich um folgendes. Die Provinzial-
druckereien sind natürlich nicht imstande, in allen Dingen mit den Großstadt-
drnckereien zu konkurriren. Es giebt hundert Dinge, die besondre Einrichtungen,
besondres Material, besonders geschulte Kräfte, das Ineinandergreifen ganz ver-
schiedner Betriebe und Gewerbe erfordern; daraus ist eben die großartige Entwick¬
lung der Hauptdrnckstätten hervorgegangen, und nicht jede Provinzialstadt kann
sich das nach Belieben schaffen. Aber bei der überwiegenden Masse der glatten
und einfachen Arbeit, die auch den großen Plätzen die Hnupteinnahme schafft,
kann die Provinz mit Leichtigkeit kvnkurrirend auftreten, und sie thut es in
immer stärkeren Maße. Ja es kann sehr leicht in einem für die Großstädte
verhängnisvollen Umfange geschehen, und das ist es, worauf die Lohnerhöhung,
die von den Verbcmdslenten gefordert wird und durch den Streik erzwungen
werden soll, hinführen würde. Nissen die Provinzialstädte einen großen Teil
der Arbeit an sich, die jetzt den Grvßstadtdruckereien ihren Gewinn bringen,
so könnten diese trotz der besondern Leistungen auf manchen Gebieten, die
mir sie bieten können, leicht ruinirt werden. Ein blühendes Gewerbe könnte
vernichtet werden und damit die Existenz des besten und wertvollsten Ar¬
beiterteils, der jetzt sein gutes Auskommen hat.

Der Berlagsbuchhandel hat um ein großes Interesse daran, daß dieser
Unsinn nicht zustande kommt. Ein großer Teil aller bessern und schwierigern
Druckarbeit verlangt wohleingerichtete Mittelpunkte, in denen sich alles ver¬
einigt, was der Industrie dienen kann, und gutgeschulte Arbeiter, und der Buch¬
handel muß sie lebensfähig erhalten und schützen, das ist sonnenklar, denn
es ist eine Lebensfrage für ihn selbst. Er kann sie aber nur schützen, wenn er
ein Hinaufschrauben der Löhne auf eine Höhe verhindert, die der Provinz
das Übergewicht giebt. Das ist der Grund, weshalb auch der Verleger dieser
Zeitschrift, woraus ihm die sozialdemokratischen Blätter einen Vorwurf machen,


der dich festhalten, obgleich die Arbeiter den Tarif nicht formell angenommen habe». — Mit
dem oben Dargelegten soll übrigens nicht gesagt werden, daß die Verbands- und Nichtverbnnds-
arbeiter durchaus örtlich getrennt stünden. In der Provinz arbeiten Verbandsmitglieder zu
den dort üblichen Preisen, und an den Hanptplntzen Nichtverbandsleule, „Wilde," zu Taris¬
preisen und höhern. Z. V. in den Druckereien großer Zeitungen werden dem geschulten Per¬
sonal Lohne gezahlt, die die Arbeiter über den Tarif und die Streike hinwegsehen — zum
Verdruß der Verbandsleitung.
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[0565] Litt Buchdruckerstreik? preisen und bezahlen bedeutend niedrigere Löhne, als den Verbandsmitgliedern bezahlt werden müssen; während sich z. B. der einfache Wochenlohn der tüchtigen Durchschnittssetzer in Leipzig (ohne Überstunden) um 30 Mark dreht, beträgt er in der Provinz nur 18 bis 19 Mark. Entsprechend ist es bei den Drncker- löhnen usw. Daraus, und außerdem aus dem Umstände, daß die Provmzial- drnckereien billigere Werkstätten und andre Ersparnisse haben, entspringt ihre Konkurrenzfähigkeit. Aus diesen Verhältnissen ergiebt sich um folgendes. Die Provinzial- druckereien sind natürlich nicht imstande, in allen Dingen mit den Großstadt- drnckereien zu konkurriren. Es giebt hundert Dinge, die besondre Einrichtungen, besondres Material, besonders geschulte Kräfte, das Ineinandergreifen ganz ver- schiedner Betriebe und Gewerbe erfordern; daraus ist eben die großartige Entwick¬ lung der Hauptdrnckstätten hervorgegangen, und nicht jede Provinzialstadt kann sich das nach Belieben schaffen. Aber bei der überwiegenden Masse der glatten und einfachen Arbeit, die auch den großen Plätzen die Hnupteinnahme schafft, kann die Provinz mit Leichtigkeit kvnkurrirend auftreten, und sie thut es in immer stärkeren Maße. Ja es kann sehr leicht in einem für die Großstädte verhängnisvollen Umfange geschehen, und das ist es, worauf die Lohnerhöhung, die von den Verbcmdslenten gefordert wird und durch den Streik erzwungen werden soll, hinführen würde. Nissen die Provinzialstädte einen großen Teil der Arbeit an sich, die jetzt den Grvßstadtdruckereien ihren Gewinn bringen, so könnten diese trotz der besondern Leistungen auf manchen Gebieten, die mir sie bieten können, leicht ruinirt werden. Ein blühendes Gewerbe könnte vernichtet werden und damit die Existenz des besten und wertvollsten Ar¬ beiterteils, der jetzt sein gutes Auskommen hat. Der Berlagsbuchhandel hat um ein großes Interesse daran, daß dieser Unsinn nicht zustande kommt. Ein großer Teil aller bessern und schwierigern Druckarbeit verlangt wohleingerichtete Mittelpunkte, in denen sich alles ver¬ einigt, was der Industrie dienen kann, und gutgeschulte Arbeiter, und der Buch¬ handel muß sie lebensfähig erhalten und schützen, das ist sonnenklar, denn es ist eine Lebensfrage für ihn selbst. Er kann sie aber nur schützen, wenn er ein Hinaufschrauben der Löhne auf eine Höhe verhindert, die der Provinz das Übergewicht giebt. Das ist der Grund, weshalb auch der Verleger dieser Zeitschrift, woraus ihm die sozialdemokratischen Blätter einen Vorwurf machen, der dich festhalten, obgleich die Arbeiter den Tarif nicht formell angenommen habe». — Mit dem oben Dargelegten soll übrigens nicht gesagt werden, daß die Verbands- und Nichtverbnnds- arbeiter durchaus örtlich getrennt stünden. In der Provinz arbeiten Verbandsmitglieder zu den dort üblichen Preisen, und an den Hanptplntzen Nichtverbandsleule, „Wilde," zu Taris¬ preisen und höhern. Z. V. in den Druckereien großer Zeitungen werden dem geschulten Per¬ sonal Lohne gezahlt, die die Arbeiter über den Tarif und die Streike hinwegsehen — zum Verdruß der Verbandsleitung.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/565>, abgerufen am 01.09.2024.