Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Kampf in den Vstmcn'ken

entsprechend handelt der H.K.T.-Verein, und seine Bundesgenossenschaft ist
daher hoch zu schätzen. Aber nicht zu hoch. Es ist nicht zu erwarten, daß
der Verein über die von ihm selbst ursprünglich bezeichneten, aber innerlich
wohl nicht ernstlich als Grenze gemeinten Ziele hinaus wirksam sein wird.
Er wird hoffentlich das Deutschtum in seinem jetzigen Bestände schützen, aber
schwerlich die Verdeutschung der jetzt ganz polnischen Landesteile Preußens
herbeiführen, die doch zur Sicherheit Deutschlands unbedingt notwendig ist.
Bei allen derartigen Vereinen, dem deutschen Schulverein, der deutschen
Kolonialgesellschaft, dem allgemeinen deutschen Verbände und auch dem H.K.T.-
Verein ist die Verfassung viel zu lose, als daß den achtungswerten und
schätzbaren Bestrebungen ein Erfolg gegenüberstehen könnte, der auch nur den
aufgewandten Geldmitteln entspräche, geschweige denn der opfervoller Arbeit
einzelner Mitglieder. Ein Verein, der mit der römischen Kirche kämpfen will,
soweit sich diese dem Polentum dienstbar macht, muß eine Verfassung haben,
'die an Vereinszucht und Ergreifung der ganzen Persönlichkeit seiner Mitglieder
mit der römischen Kirche wetteifert. Die anfängliche Begeisterung verfliegt
rasch, wenn die tägliche Not und Drangsal aufhört; und gar zum Angriffe
bedarf es einer innerlich lodernden Begeisterung, die des äußern Anreizes ent¬
behren kann. Wir brauchen daher einen Verein, der seine Mitglieder ganz
und gar ergreift, sie gleichsam auflöst und sie dann zu ausschließlichen Werk¬
zeugen seiner idealen Ziele neu formt, also nicht eigentlich einen Verein, sondern
einen Orden nach dein Vorbilde des deutschen Ordens, doch mit noch strengerer
Zucht, nämlich mit der Zucht des Jesuitenordens. Wir halten einen solchen
Orden, dessen ideale Grundlage die deutsche Gesittung sein muß, auch in unsrer
angeblich nüchternen, in Wirklichkeit aber sehr begeisterungsfähigen Zeit durchaus
für möglich, ja sogar für zeitgemäß. Es erscheint denkbar, daß ein solcher
Orden aus dem H.K.T.-Verein hervorgeht, vielleicht wenn sich dieser Verein
einmal in dem Hochschlosfe der Deutschmeister zu Marienburg versammelt
und die alten Erinnerungen unter dem Eindruck jenes steinernen Heldengedichts
wach werden.

Wir haben in Deutschland zur Zeit eine ganze Reihe schwärmerischer
Naturen, die neben einer gewissen Überschwänglichkeit doch eine unbeugsame
Willenskraft haben, und deren trotziges Selbstbewußtsein durch die Ordenszucht
erst gezähmt, daun aber zum Herrschen im Orden berufen werden kann. Sind
nicht die jetzt zum Teil unthätigen und grollenden Bahnbrecher unsrer Kvlonial-
bemegung solche Männer? Und ist nicht schon nach ihnen ein neues Geschlecht
herangewachsen, in dem es gewiß zahlreiche, im Geheimen nach ähnlichen
Thaten dürstende Jünglinge giebt? Warum sollen wir diese Kräfte ungenutzt
lassen?

Aus sorgfältig erprobten, nicht zu zahlreichen Ordensrittern muß sich dieser
neue Orden zusammensetzen, die unter selbstgewählten Obern ein strenger Ordens-


Der Kampf in den Vstmcn'ken

entsprechend handelt der H.K.T.-Verein, und seine Bundesgenossenschaft ist
daher hoch zu schätzen. Aber nicht zu hoch. Es ist nicht zu erwarten, daß
der Verein über die von ihm selbst ursprünglich bezeichneten, aber innerlich
wohl nicht ernstlich als Grenze gemeinten Ziele hinaus wirksam sein wird.
Er wird hoffentlich das Deutschtum in seinem jetzigen Bestände schützen, aber
schwerlich die Verdeutschung der jetzt ganz polnischen Landesteile Preußens
herbeiführen, die doch zur Sicherheit Deutschlands unbedingt notwendig ist.
Bei allen derartigen Vereinen, dem deutschen Schulverein, der deutschen
Kolonialgesellschaft, dem allgemeinen deutschen Verbände und auch dem H.K.T.-
Verein ist die Verfassung viel zu lose, als daß den achtungswerten und
schätzbaren Bestrebungen ein Erfolg gegenüberstehen könnte, der auch nur den
aufgewandten Geldmitteln entspräche, geschweige denn der opfervoller Arbeit
einzelner Mitglieder. Ein Verein, der mit der römischen Kirche kämpfen will,
soweit sich diese dem Polentum dienstbar macht, muß eine Verfassung haben,
'die an Vereinszucht und Ergreifung der ganzen Persönlichkeit seiner Mitglieder
mit der römischen Kirche wetteifert. Die anfängliche Begeisterung verfliegt
rasch, wenn die tägliche Not und Drangsal aufhört; und gar zum Angriffe
bedarf es einer innerlich lodernden Begeisterung, die des äußern Anreizes ent¬
behren kann. Wir brauchen daher einen Verein, der seine Mitglieder ganz
und gar ergreift, sie gleichsam auflöst und sie dann zu ausschließlichen Werk¬
zeugen seiner idealen Ziele neu formt, also nicht eigentlich einen Verein, sondern
einen Orden nach dein Vorbilde des deutschen Ordens, doch mit noch strengerer
Zucht, nämlich mit der Zucht des Jesuitenordens. Wir halten einen solchen
Orden, dessen ideale Grundlage die deutsche Gesittung sein muß, auch in unsrer
angeblich nüchternen, in Wirklichkeit aber sehr begeisterungsfähigen Zeit durchaus
für möglich, ja sogar für zeitgemäß. Es erscheint denkbar, daß ein solcher
Orden aus dem H.K.T.-Verein hervorgeht, vielleicht wenn sich dieser Verein
einmal in dem Hochschlosfe der Deutschmeister zu Marienburg versammelt
und die alten Erinnerungen unter dem Eindruck jenes steinernen Heldengedichts
wach werden.

Wir haben in Deutschland zur Zeit eine ganze Reihe schwärmerischer
Naturen, die neben einer gewissen Überschwänglichkeit doch eine unbeugsame
Willenskraft haben, und deren trotziges Selbstbewußtsein durch die Ordenszucht
erst gezähmt, daun aber zum Herrschen im Orden berufen werden kann. Sind
nicht die jetzt zum Teil unthätigen und grollenden Bahnbrecher unsrer Kvlonial-
bemegung solche Männer? Und ist nicht schon nach ihnen ein neues Geschlecht
herangewachsen, in dem es gewiß zahlreiche, im Geheimen nach ähnlichen
Thaten dürstende Jünglinge giebt? Warum sollen wir diese Kräfte ungenutzt
lassen?

Aus sorgfältig erprobten, nicht zu zahlreichen Ordensrittern muß sich dieser
neue Orden zusammensetzen, die unter selbstgewählten Obern ein strenger Ordens-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0460" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/222106"/>
          <fw type="header" place="top"> Der Kampf in den Vstmcn'ken</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1534" prev="#ID_1533"> entsprechend handelt der H.K.T.-Verein, und seine Bundesgenossenschaft ist<lb/>
daher hoch zu schätzen. Aber nicht zu hoch. Es ist nicht zu erwarten, daß<lb/>
der Verein über die von ihm selbst ursprünglich bezeichneten, aber innerlich<lb/>
wohl nicht ernstlich als Grenze gemeinten Ziele hinaus wirksam sein wird.<lb/>
Er wird hoffentlich das Deutschtum in seinem jetzigen Bestände schützen, aber<lb/>
schwerlich die Verdeutschung der jetzt ganz polnischen Landesteile Preußens<lb/>
herbeiführen, die doch zur Sicherheit Deutschlands unbedingt notwendig ist.<lb/>
Bei allen derartigen Vereinen, dem deutschen Schulverein, der deutschen<lb/>
Kolonialgesellschaft, dem allgemeinen deutschen Verbände und auch dem H.K.T.-<lb/>
Verein ist die Verfassung viel zu lose, als daß den achtungswerten und<lb/>
schätzbaren Bestrebungen ein Erfolg gegenüberstehen könnte, der auch nur den<lb/>
aufgewandten Geldmitteln entspräche, geschweige denn der opfervoller Arbeit<lb/>
einzelner Mitglieder. Ein Verein, der mit der römischen Kirche kämpfen will,<lb/>
soweit sich diese dem Polentum dienstbar macht, muß eine Verfassung haben,<lb/>
'die an Vereinszucht und Ergreifung der ganzen Persönlichkeit seiner Mitglieder<lb/>
mit der römischen Kirche wetteifert. Die anfängliche Begeisterung verfliegt<lb/>
rasch, wenn die tägliche Not und Drangsal aufhört; und gar zum Angriffe<lb/>
bedarf es einer innerlich lodernden Begeisterung, die des äußern Anreizes ent¬<lb/>
behren kann. Wir brauchen daher einen Verein, der seine Mitglieder ganz<lb/>
und gar ergreift, sie gleichsam auflöst und sie dann zu ausschließlichen Werk¬<lb/>
zeugen seiner idealen Ziele neu formt, also nicht eigentlich einen Verein, sondern<lb/>
einen Orden nach dein Vorbilde des deutschen Ordens, doch mit noch strengerer<lb/>
Zucht, nämlich mit der Zucht des Jesuitenordens. Wir halten einen solchen<lb/>
Orden, dessen ideale Grundlage die deutsche Gesittung sein muß, auch in unsrer<lb/>
angeblich nüchternen, in Wirklichkeit aber sehr begeisterungsfähigen Zeit durchaus<lb/>
für möglich, ja sogar für zeitgemäß. Es erscheint denkbar, daß ein solcher<lb/>
Orden aus dem H.K.T.-Verein hervorgeht, vielleicht wenn sich dieser Verein<lb/>
einmal in dem Hochschlosfe der Deutschmeister zu Marienburg versammelt<lb/>
und die alten Erinnerungen unter dem Eindruck jenes steinernen Heldengedichts<lb/>
wach werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1535"> Wir haben in Deutschland zur Zeit eine ganze Reihe schwärmerischer<lb/>
Naturen, die neben einer gewissen Überschwänglichkeit doch eine unbeugsame<lb/>
Willenskraft haben, und deren trotziges Selbstbewußtsein durch die Ordenszucht<lb/>
erst gezähmt, daun aber zum Herrschen im Orden berufen werden kann. Sind<lb/>
nicht die jetzt zum Teil unthätigen und grollenden Bahnbrecher unsrer Kvlonial-<lb/>
bemegung solche Männer? Und ist nicht schon nach ihnen ein neues Geschlecht<lb/>
herangewachsen, in dem es gewiß zahlreiche, im Geheimen nach ähnlichen<lb/>
Thaten dürstende Jünglinge giebt? Warum sollen wir diese Kräfte ungenutzt<lb/>
lassen?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1536" next="#ID_1537"> Aus sorgfältig erprobten, nicht zu zahlreichen Ordensrittern muß sich dieser<lb/>
neue Orden zusammensetzen, die unter selbstgewählten Obern ein strenger Ordens-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0460] Der Kampf in den Vstmcn'ken entsprechend handelt der H.K.T.-Verein, und seine Bundesgenossenschaft ist daher hoch zu schätzen. Aber nicht zu hoch. Es ist nicht zu erwarten, daß der Verein über die von ihm selbst ursprünglich bezeichneten, aber innerlich wohl nicht ernstlich als Grenze gemeinten Ziele hinaus wirksam sein wird. Er wird hoffentlich das Deutschtum in seinem jetzigen Bestände schützen, aber schwerlich die Verdeutschung der jetzt ganz polnischen Landesteile Preußens herbeiführen, die doch zur Sicherheit Deutschlands unbedingt notwendig ist. Bei allen derartigen Vereinen, dem deutschen Schulverein, der deutschen Kolonialgesellschaft, dem allgemeinen deutschen Verbände und auch dem H.K.T.- Verein ist die Verfassung viel zu lose, als daß den achtungswerten und schätzbaren Bestrebungen ein Erfolg gegenüberstehen könnte, der auch nur den aufgewandten Geldmitteln entspräche, geschweige denn der opfervoller Arbeit einzelner Mitglieder. Ein Verein, der mit der römischen Kirche kämpfen will, soweit sich diese dem Polentum dienstbar macht, muß eine Verfassung haben, 'die an Vereinszucht und Ergreifung der ganzen Persönlichkeit seiner Mitglieder mit der römischen Kirche wetteifert. Die anfängliche Begeisterung verfliegt rasch, wenn die tägliche Not und Drangsal aufhört; und gar zum Angriffe bedarf es einer innerlich lodernden Begeisterung, die des äußern Anreizes ent¬ behren kann. Wir brauchen daher einen Verein, der seine Mitglieder ganz und gar ergreift, sie gleichsam auflöst und sie dann zu ausschließlichen Werk¬ zeugen seiner idealen Ziele neu formt, also nicht eigentlich einen Verein, sondern einen Orden nach dein Vorbilde des deutschen Ordens, doch mit noch strengerer Zucht, nämlich mit der Zucht des Jesuitenordens. Wir halten einen solchen Orden, dessen ideale Grundlage die deutsche Gesittung sein muß, auch in unsrer angeblich nüchternen, in Wirklichkeit aber sehr begeisterungsfähigen Zeit durchaus für möglich, ja sogar für zeitgemäß. Es erscheint denkbar, daß ein solcher Orden aus dem H.K.T.-Verein hervorgeht, vielleicht wenn sich dieser Verein einmal in dem Hochschlosfe der Deutschmeister zu Marienburg versammelt und die alten Erinnerungen unter dem Eindruck jenes steinernen Heldengedichts wach werden. Wir haben in Deutschland zur Zeit eine ganze Reihe schwärmerischer Naturen, die neben einer gewissen Überschwänglichkeit doch eine unbeugsame Willenskraft haben, und deren trotziges Selbstbewußtsein durch die Ordenszucht erst gezähmt, daun aber zum Herrschen im Orden berufen werden kann. Sind nicht die jetzt zum Teil unthätigen und grollenden Bahnbrecher unsrer Kvlonial- bemegung solche Männer? Und ist nicht schon nach ihnen ein neues Geschlecht herangewachsen, in dem es gewiß zahlreiche, im Geheimen nach ähnlichen Thaten dürstende Jünglinge giebt? Warum sollen wir diese Kräfte ungenutzt lassen? Aus sorgfältig erprobten, nicht zu zahlreichen Ordensrittern muß sich dieser neue Orden zusammensetzen, die unter selbstgewählten Obern ein strenger Ordens-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/460
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/460>, abgerufen am 01.09.2024.