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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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Ivandlunge" des Ich im Zeitenstrome

den die gedrückte Hierarchie ihrerseits "och auszuüben vermochte, weil es dieser
und nicht der Druck des Staates war, den ich selbst empfand. Der Fürst¬
bischof ("In hohem Auftrage: Peschke") schrieb mir unter dem 14. Juli 1873:
"Der Deutsche Reichs- und Preußische Staatsanzeiger brachte jüngst die zu¬
nächst von Schlesische" Katholiken aus Anlaß der neuen sogenannten Kirchen-
gesetze ausgegangne Adresse an Se. Majestät den Kaiser und König, in welcher
wir Bischöfe der Störung des konfessionelle" Friedens, der Mißachtung be¬
stehender Gesetze, der Erhebung uuberechtigter Ansprüche, der Erregung eiues
unheilvollen Streites zwischen Staat und Kirche, des Mißverständnisses und
der Leidenschaft usw. angeklagt werden und jedes selbständige Recht der Kirche
geleugnet wird. Laut des Anzeigers vom 11. dieses Monats sind auch Euer
Ehrwürden dieser Adresse beigetreten. Wir veranlasse" Sie zu baldiger Er¬
klärung: ob Sie den Beitritt als Ihrerseits erfolgt anerkenne", ob Sie die
Adresse nicht gelesen habe", u"d wie Sie das der Diözese abermals gegebne
öffentliche Ärgernis entschuldige" und wieder gut "rächen wollen."

Als Antwort schickte ich dem Bischof unverschnmterweise eine lange Ab¬
handlung ein ^ Zeit hatte ich ja --, deren Hciuptstcllen ich, um das Ärgernis
wieder gut zu macheu, mitteilen will, denn die Grenzbvtenleser werde" das
Gegenteil von Ärgernis dabei empfinden. "Euer usw. erwidre ich ganz ge¬
horsamst, daß ich es für eine Verletzung der Seiner Majestät dem Kaiser und
König schuldigen Unterthanen- und Veamtentreue ansehen würde ^als Lokal¬
schulinspektor war ich ein Stückchen vo" einen: königlichen Beamten^, wollte
ich wegen Beteiligung an einer Höchstdemselben gewidmeten Ergebe"heitsadresse
mich verantworten oder entschuldigen. Wenn ich dennoch auf die in der Hohen
Zuschrift enthaltnen Fragen eingehe, so geschieht dies nicht in Anerkennung
einer Verpflichtung, sondern nur aus persönlicher Ehrfurcht gegen Eure Fürst¬
liche Gnaden. Die fragliche Adresse habe ich gelesen, meine Beitrittserklärung
aber erst längere Zeit nachher, ohne ein Exemplar der Adresse vor mir zu
haben, eingesandt. Auch jetzt ist mir kein Exemplar zur Hand, noch habe ich
ihre" Wortlaut im Gedächtnis. So viel erinnere ich mich, daß Anschuldigungen
gegen die Hochwürdigsten Herren Bischöfe darin nicht vorkommen. Anschul¬
digungen werden darin erhoben gegen eine Partei in der katholischen Kirche;
über etwaige Beziehungen der Hochwürdigste" Bischöfe zu dieser Partei wird
-- so viel ich mich erinnere -- nichts gesagt, wie auch ich mir ein Urteil
darüber uicht anmaße. Auch kann ich mich nicht erinnern, daß in der Adresse
"jedes selbständige Recht der Kirche geleugnet" würde. Das Recht der Kirche,
zu glauben, was sie will, zu lehren, was sie will, die heiligen Sakramente zu
spenden wie, wo und wem sie will, ihr Vermögen zu verwalten jdas Gesetz
liber die Verwaltung des Kirche"vermöge"s wurde erst später erlassen^, das
Recht, die Kirchenbeamtcn anzustellen (allerdings mit gewissen Einschränkungen,
wie sie immer und überall bestanden haben), über diese die Disziplinargewalt


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den die gedrückte Hierarchie ihrerseits »och auszuüben vermochte, weil es dieser
und nicht der Druck des Staates war, den ich selbst empfand. Der Fürst¬
bischof („In hohem Auftrage: Peschke") schrieb mir unter dem 14. Juli 1873:
„Der Deutsche Reichs- und Preußische Staatsanzeiger brachte jüngst die zu¬
nächst von Schlesische» Katholiken aus Anlaß der neuen sogenannten Kirchen-
gesetze ausgegangne Adresse an Se. Majestät den Kaiser und König, in welcher
wir Bischöfe der Störung des konfessionelle» Friedens, der Mißachtung be¬
stehender Gesetze, der Erhebung uuberechtigter Ansprüche, der Erregung eiues
unheilvollen Streites zwischen Staat und Kirche, des Mißverständnisses und
der Leidenschaft usw. angeklagt werden und jedes selbständige Recht der Kirche
geleugnet wird. Laut des Anzeigers vom 11. dieses Monats sind auch Euer
Ehrwürden dieser Adresse beigetreten. Wir veranlasse» Sie zu baldiger Er¬
klärung: ob Sie den Beitritt als Ihrerseits erfolgt anerkenne», ob Sie die
Adresse nicht gelesen habe», u»d wie Sie das der Diözese abermals gegebne
öffentliche Ärgernis entschuldige» und wieder gut »rächen wollen."

Als Antwort schickte ich dem Bischof unverschnmterweise eine lange Ab¬
handlung ein ^ Zeit hatte ich ja —, deren Hciuptstcllen ich, um das Ärgernis
wieder gut zu macheu, mitteilen will, denn die Grenzbvtenleser werde» das
Gegenteil von Ärgernis dabei empfinden. „Euer usw. erwidre ich ganz ge¬
horsamst, daß ich es für eine Verletzung der Seiner Majestät dem Kaiser und
König schuldigen Unterthanen- und Veamtentreue ansehen würde ^als Lokal¬
schulinspektor war ich ein Stückchen vo» einen: königlichen Beamten^, wollte
ich wegen Beteiligung an einer Höchstdemselben gewidmeten Ergebe»heitsadresse
mich verantworten oder entschuldigen. Wenn ich dennoch auf die in der Hohen
Zuschrift enthaltnen Fragen eingehe, so geschieht dies nicht in Anerkennung
einer Verpflichtung, sondern nur aus persönlicher Ehrfurcht gegen Eure Fürst¬
liche Gnaden. Die fragliche Adresse habe ich gelesen, meine Beitrittserklärung
aber erst längere Zeit nachher, ohne ein Exemplar der Adresse vor mir zu
haben, eingesandt. Auch jetzt ist mir kein Exemplar zur Hand, noch habe ich
ihre» Wortlaut im Gedächtnis. So viel erinnere ich mich, daß Anschuldigungen
gegen die Hochwürdigsten Herren Bischöfe darin nicht vorkommen. Anschul¬
digungen werden darin erhoben gegen eine Partei in der katholischen Kirche;
über etwaige Beziehungen der Hochwürdigste» Bischöfe zu dieser Partei wird
— so viel ich mich erinnere — nichts gesagt, wie auch ich mir ein Urteil
darüber uicht anmaße. Auch kann ich mich nicht erinnern, daß in der Adresse
»jedes selbständige Recht der Kirche geleugnet« würde. Das Recht der Kirche,
zu glauben, was sie will, zu lehren, was sie will, die heiligen Sakramente zu
spenden wie, wo und wem sie will, ihr Vermögen zu verwalten jdas Gesetz
liber die Verwaltung des Kirche»vermöge»s wurde erst später erlassen^, das
Recht, die Kirchenbeamtcn anzustellen (allerdings mit gewissen Einschränkungen,
wie sie immer und überall bestanden haben), über diese die Disziplinargewalt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/336>, abgerufen am 01.09.2024.