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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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Die Verwirrung in der Schreibung unsrer Straßennamen

genügenden Sprachkenntnisse haben. Wie aber kann Besserung erzielt werden?
Nun, die Sprachvereine mögen die städtischen Behörden auffordern, die An¬
nahme falsch geschriebner Schilder zu verweigern. Auch wäre es gut, wenn
den Fabriken, die solche Schilder herstellen -- sehr viele werden es ja wohl
nicht sein --, die Regeln über einheitliche und regelrechte Schreibung der
Straßennamen zur Beachtung mitgeteilt würden. Besonders bedauerlich ist es,
wenn in ein und derselben Straße alte und neue Schilder mit richtigen und
falschen Bezeichnungen neben einander vorkommen, oder gar lauter neue mit ver-
schiednen Schreibungen, z.B. in Bonn Meckenheimer Straße, Meckenheimer-Straße,
Meckenheimerstraße; nur die Schilder mit der ersten Schreibung sind richtig.
Oder: Wenzel-Gasse neben Wenzelgasse; nur Schilder der einen oder der andern
Art sollten angebracht werden. Der Klagen über solche Unregelmäßigkeit ent¬
halten meine Antworten viele. 2. In der Negel wird als Grund dafür, daß
in den Zeitungen und Wvhnungsanzeigern meist die Schreibung aller Straßen¬
namen in einem Worte vorherrscht, die Raumersparnis angeführt. Läßt man
diese Entschuldigung gelten, so können die Drucker nächstens mit allen mög¬
lichen andern Willkürlichkeiten herankommen und Raumersparnis vorschützen.
Nimmt Adler-Straße wirklich so viel mehr Raum ein als Adlerstraße, so möge
man bei dieser letzten Schreibung bleiben, sie ist ja richtig; aber statt Breite¬
straße drücke man -- wenn nicht Breite Straße -- so wenigstens Breite Ser.,
statt Französischestraße -- Französische Ser., statt Bernbnrgerstraße -- Bern-
burger Ser. usw. 3. Dr. Horst in Straßburg i. E. hat durch einen Schüler
eine Anzahl Straßennamen an Ort und Stelle abschreiben lassen; wenn der
Junge richtig und genau geschrieben hat -- und daS scheint der Fall zu
sein --, so sind nur wenige Schilder in Straßburg richtig geschrieben; es
heißt da z. B. Bei deu Gedeckteu-Brücken, Schwanen Gäßchen, Gedeckte Brückeu-
platz, Hirten Gäßchen, Große Nenn Gasse, Gerber Graben Platz usw.; selbst
die neuen Schilder zeigen dort ein wildes Durcheinander.

Meine dritte Frage lautete: "Wie ist es mit den alten Flnrbezeichnungen
und ähnlichem? z.B. "in der Kante." Sind hier die Präpositionen in letzter
Zeit bei amtlicher Bezeichnung gefallen?" Aus deu Beautwortuugen geht hervor,
daß in achtunddreißig Städten die Verhältniswörter (Präpositionen) noch er¬
halten sind; bemerkenswert ist dabei die Schreibung "Hintern lieben Frauen"
in Braunschweig, und "An der Herzogin Garten" in Dresden. Man brauchte
sich nicht zu Wundern, wenn über kurz oder laug diese Straßenbenennuugen
zu "Liebfrauenstraße" und "Herzogingartenstraße" abgeändert würden; hoffent¬
lich aber gelingt es den Sprachvereinen in jenen achtunddreißig Städten, solche
und ähnliche Änderungen zu verhüten, sie erfülle" damit auch eine kultur¬
geschichtliche Aufgabe. Zum Teil erhalten, zum Teil aber gefallen sind die
Verhältniswörter in dreiundzwanzig Städten; ans einzelnen sei erwähnt, daß
in Elberfeld Bezeichnungen wie Altenmarkt, Hvhlenscheid, Neucnhans vor-


Die Verwirrung in der Schreibung unsrer Straßennamen

genügenden Sprachkenntnisse haben. Wie aber kann Besserung erzielt werden?
Nun, die Sprachvereine mögen die städtischen Behörden auffordern, die An¬
nahme falsch geschriebner Schilder zu verweigern. Auch wäre es gut, wenn
den Fabriken, die solche Schilder herstellen — sehr viele werden es ja wohl
nicht sein —, die Regeln über einheitliche und regelrechte Schreibung der
Straßennamen zur Beachtung mitgeteilt würden. Besonders bedauerlich ist es,
wenn in ein und derselben Straße alte und neue Schilder mit richtigen und
falschen Bezeichnungen neben einander vorkommen, oder gar lauter neue mit ver-
schiednen Schreibungen, z.B. in Bonn Meckenheimer Straße, Meckenheimer-Straße,
Meckenheimerstraße; nur die Schilder mit der ersten Schreibung sind richtig.
Oder: Wenzel-Gasse neben Wenzelgasse; nur Schilder der einen oder der andern
Art sollten angebracht werden. Der Klagen über solche Unregelmäßigkeit ent¬
halten meine Antworten viele. 2. In der Negel wird als Grund dafür, daß
in den Zeitungen und Wvhnungsanzeigern meist die Schreibung aller Straßen¬
namen in einem Worte vorherrscht, die Raumersparnis angeführt. Läßt man
diese Entschuldigung gelten, so können die Drucker nächstens mit allen mög¬
lichen andern Willkürlichkeiten herankommen und Raumersparnis vorschützen.
Nimmt Adler-Straße wirklich so viel mehr Raum ein als Adlerstraße, so möge
man bei dieser letzten Schreibung bleiben, sie ist ja richtig; aber statt Breite¬
straße drücke man — wenn nicht Breite Straße — so wenigstens Breite Ser.,
statt Französischestraße — Französische Ser., statt Bernbnrgerstraße — Bern-
burger Ser. usw. 3. Dr. Horst in Straßburg i. E. hat durch einen Schüler
eine Anzahl Straßennamen an Ort und Stelle abschreiben lassen; wenn der
Junge richtig und genau geschrieben hat — und daS scheint der Fall zu
sein —, so sind nur wenige Schilder in Straßburg richtig geschrieben; es
heißt da z. B. Bei deu Gedeckteu-Brücken, Schwanen Gäßchen, Gedeckte Brückeu-
platz, Hirten Gäßchen, Große Nenn Gasse, Gerber Graben Platz usw.; selbst
die neuen Schilder zeigen dort ein wildes Durcheinander.

Meine dritte Frage lautete: „Wie ist es mit den alten Flnrbezeichnungen
und ähnlichem? z.B. »in der Kante.« Sind hier die Präpositionen in letzter
Zeit bei amtlicher Bezeichnung gefallen?" Aus deu Beautwortuugen geht hervor,
daß in achtunddreißig Städten die Verhältniswörter (Präpositionen) noch er¬
halten sind; bemerkenswert ist dabei die Schreibung „Hintern lieben Frauen"
in Braunschweig, und „An der Herzogin Garten" in Dresden. Man brauchte
sich nicht zu Wundern, wenn über kurz oder laug diese Straßenbenennuugen
zu „Liebfrauenstraße" und „Herzogingartenstraße" abgeändert würden; hoffent¬
lich aber gelingt es den Sprachvereinen in jenen achtunddreißig Städten, solche
und ähnliche Änderungen zu verhüten, sie erfülle» damit auch eine kultur¬
geschichtliche Aufgabe. Zum Teil erhalten, zum Teil aber gefallen sind die
Verhältniswörter in dreiundzwanzig Städten; ans einzelnen sei erwähnt, daß
in Elberfeld Bezeichnungen wie Altenmarkt, Hvhlenscheid, Neucnhans vor-


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[0326] Die Verwirrung in der Schreibung unsrer Straßennamen genügenden Sprachkenntnisse haben. Wie aber kann Besserung erzielt werden? Nun, die Sprachvereine mögen die städtischen Behörden auffordern, die An¬ nahme falsch geschriebner Schilder zu verweigern. Auch wäre es gut, wenn den Fabriken, die solche Schilder herstellen — sehr viele werden es ja wohl nicht sein —, die Regeln über einheitliche und regelrechte Schreibung der Straßennamen zur Beachtung mitgeteilt würden. Besonders bedauerlich ist es, wenn in ein und derselben Straße alte und neue Schilder mit richtigen und falschen Bezeichnungen neben einander vorkommen, oder gar lauter neue mit ver- schiednen Schreibungen, z.B. in Bonn Meckenheimer Straße, Meckenheimer-Straße, Meckenheimerstraße; nur die Schilder mit der ersten Schreibung sind richtig. Oder: Wenzel-Gasse neben Wenzelgasse; nur Schilder der einen oder der andern Art sollten angebracht werden. Der Klagen über solche Unregelmäßigkeit ent¬ halten meine Antworten viele. 2. In der Negel wird als Grund dafür, daß in den Zeitungen und Wvhnungsanzeigern meist die Schreibung aller Straßen¬ namen in einem Worte vorherrscht, die Raumersparnis angeführt. Läßt man diese Entschuldigung gelten, so können die Drucker nächstens mit allen mög¬ lichen andern Willkürlichkeiten herankommen und Raumersparnis vorschützen. Nimmt Adler-Straße wirklich so viel mehr Raum ein als Adlerstraße, so möge man bei dieser letzten Schreibung bleiben, sie ist ja richtig; aber statt Breite¬ straße drücke man — wenn nicht Breite Straße — so wenigstens Breite Ser., statt Französischestraße — Französische Ser., statt Bernbnrgerstraße — Bern- burger Ser. usw. 3. Dr. Horst in Straßburg i. E. hat durch einen Schüler eine Anzahl Straßennamen an Ort und Stelle abschreiben lassen; wenn der Junge richtig und genau geschrieben hat — und daS scheint der Fall zu sein —, so sind nur wenige Schilder in Straßburg richtig geschrieben; es heißt da z. B. Bei deu Gedeckteu-Brücken, Schwanen Gäßchen, Gedeckte Brückeu- platz, Hirten Gäßchen, Große Nenn Gasse, Gerber Graben Platz usw.; selbst die neuen Schilder zeigen dort ein wildes Durcheinander. Meine dritte Frage lautete: „Wie ist es mit den alten Flnrbezeichnungen und ähnlichem? z.B. »in der Kante.« Sind hier die Präpositionen in letzter Zeit bei amtlicher Bezeichnung gefallen?" Aus deu Beautwortuugen geht hervor, daß in achtunddreißig Städten die Verhältniswörter (Präpositionen) noch er¬ halten sind; bemerkenswert ist dabei die Schreibung „Hintern lieben Frauen" in Braunschweig, und „An der Herzogin Garten" in Dresden. Man brauchte sich nicht zu Wundern, wenn über kurz oder laug diese Straßenbenennuugen zu „Liebfrauenstraße" und „Herzogingartenstraße" abgeändert würden; hoffent¬ lich aber gelingt es den Sprachvereinen in jenen achtunddreißig Städten, solche und ähnliche Änderungen zu verhüten, sie erfülle» damit auch eine kultur¬ geschichtliche Aufgabe. Zum Teil erhalten, zum Teil aber gefallen sind die Verhältniswörter in dreiundzwanzig Städten; ans einzelnen sei erwähnt, daß in Elberfeld Bezeichnungen wie Altenmarkt, Hvhlenscheid, Neucnhans vor-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/326>, abgerufen am 01.09.2024.