Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.Englische historische Romane ein, ob der Reihe hohler und abgeschmackter Erfindungen, die unter dem Einfacher, natürlicher, aber nicht wesentlich poetischer ist der Roman Englische historische Romane ein, ob der Reihe hohler und abgeschmackter Erfindungen, die unter dem Einfacher, natürlicher, aber nicht wesentlich poetischer ist der Roman <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0198" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/221844"/> <fw type="header" place="top"> Englische historische Romane</fw><lb/> <p xml:id="ID_596" prev="#ID_595"> ein, ob der Reihe hohler und abgeschmackter Erfindungen, die unter dem<lb/> schützenden Mantel der Geschichte einherwandeln, noch ein paar mehr hinzu-<lb/> gesellt werden. Aber der feierliche Ton, neben dem schulmeisterliches Ungeschick<lb/> im Vortrag waltet (Redewendungen wie „Wenn wir diese Regel hier anwenden,"<lb/> „Da wir, Verfasser und Leser nicht zur Menge gehören und ein Interesse an<lb/> dem Manne nehmen, von dem uns mehr als ihnen bekannt ist," „Der Leser<lb/> wird die Höflichkeit, die in der Entsendung der Sänften für die beiden Damen<lb/> zum Ausdruck gelangte, zweifellos auf die Eifersucht zurückführen," „Es ist<lb/> vielleicht aufgefallen, daß usw. Bemühen wir uns diesen Widerspruch zu er--<lb/> klären" gehen dnrch beide Bände hindurch), und die eigentümliche Prätension,<lb/> die in der religionsphilosophischen Färbung des Ganzen bei vollkommen ge¬<lb/> wöhnlichen Romanvvrgängen liegt, fordern den schärfsten Widerspruch heraus.<lb/> Die Beziehung zu der stammverwandten englischen Litteratur ist vor Zeiten<lb/> der unsrigen zugute gekommen; wie die Dinge jetzt liegen, ist es vorteilhafter,<lb/> daß das Band beinahe durchschnitten ist. ,^ ></p><lb/> <p xml:id="ID_597" next="#ID_598"> Einfacher, natürlicher, aber nicht wesentlich poetischer ist der Roman<lb/> Loma Dovre von R. D. Blackmore, den die deutsche Übersetzerin Mar¬<lb/> garete Jacobi nach der sechsunddreißigsten Auflage des Originals „bearbeitet"<lb/> (d. h. beim Übersetzen vielfach und keineswegs überall zum Vorteil des Werkes<lb/> gekürzt) hat. „Loma Dovre" eröffnet die Bändereihe einer neuen „Ro¬<lb/> mantischen Bibliothek," die die Verlagsbuchhandlung von Robert Lutz in<lb/> Stuttgart herausgiebt. Die Romantik des Romans ist nichts mehr und nichts<lb/> weniger als ein Stück Räuberromantik, die Handlung spielt in den Tagen<lb/> Karls des Zweiten und Jakobs des Zweiten, des schrecklichen Lordoberrichters<lb/> Jeffreys, also auch der Geächteten, der Highwaymen, der beständigen Be-><lb/> drohungen alles Privatlebens und Privatglücks durch den jähen Wechsel der<lb/> öffentlichen Zustände und die Ohnmacht der Staatsgewalten. Der alte englische<lb/> Abenteurerroman, wie ihn De Fos begründet hat, und der Sittenroman der<lb/> Fielding und Smollet reichen sich in Blcickmores romantischer Erzählung die<lb/> Hand, der angeschlagne Ton eines Memoirenromans, den der Held John Ritt,<lb/> anfänglich Freisasse und später Sir John Ritt zu Oare in der Grafschaft<lb/> Somerset, selbst erzählt, ist ziemlich gut festgehalten. Der wackre Freisasse<lb/> aus alter, guter Familie, der unter hundert Lebensgefahren und drohenden<lb/> Hindernissen schließlich seine geliebte Loma Dovre heimführt, steht seinem An¬<lb/> schauung und Bildung nach näher bei Sauire Western als bei spätern feinern<lb/> Gentlemen der englischen Erzühlungskunst. Aber er hat das Herz auf dem<lb/> rechten Fleck, arbeitet sich durch alle Fährlichkeiten tapfer durch, kommt ein<lb/> paarmal mit blauem Ange davon, weil hinter seiner Treuherzigkeit selbst Lord<lb/> Jeffreys keinen Hochverrat wittern kann, und schlägt im übrigen mit Messer<lb/> oder Schwert eine so gute Klinge, als man von einem englischen Freisassen<lb/> des siebzehnten Jahrhunderts nur erwarten kann. Das Sittenbild, um das</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0198]
Englische historische Romane
ein, ob der Reihe hohler und abgeschmackter Erfindungen, die unter dem
schützenden Mantel der Geschichte einherwandeln, noch ein paar mehr hinzu-
gesellt werden. Aber der feierliche Ton, neben dem schulmeisterliches Ungeschick
im Vortrag waltet (Redewendungen wie „Wenn wir diese Regel hier anwenden,"
„Da wir, Verfasser und Leser nicht zur Menge gehören und ein Interesse an
dem Manne nehmen, von dem uns mehr als ihnen bekannt ist," „Der Leser
wird die Höflichkeit, die in der Entsendung der Sänften für die beiden Damen
zum Ausdruck gelangte, zweifellos auf die Eifersucht zurückführen," „Es ist
vielleicht aufgefallen, daß usw. Bemühen wir uns diesen Widerspruch zu er--
klären" gehen dnrch beide Bände hindurch), und die eigentümliche Prätension,
die in der religionsphilosophischen Färbung des Ganzen bei vollkommen ge¬
wöhnlichen Romanvvrgängen liegt, fordern den schärfsten Widerspruch heraus.
Die Beziehung zu der stammverwandten englischen Litteratur ist vor Zeiten
der unsrigen zugute gekommen; wie die Dinge jetzt liegen, ist es vorteilhafter,
daß das Band beinahe durchschnitten ist. ,^ >
Einfacher, natürlicher, aber nicht wesentlich poetischer ist der Roman
Loma Dovre von R. D. Blackmore, den die deutsche Übersetzerin Mar¬
garete Jacobi nach der sechsunddreißigsten Auflage des Originals „bearbeitet"
(d. h. beim Übersetzen vielfach und keineswegs überall zum Vorteil des Werkes
gekürzt) hat. „Loma Dovre" eröffnet die Bändereihe einer neuen „Ro¬
mantischen Bibliothek," die die Verlagsbuchhandlung von Robert Lutz in
Stuttgart herausgiebt. Die Romantik des Romans ist nichts mehr und nichts
weniger als ein Stück Räuberromantik, die Handlung spielt in den Tagen
Karls des Zweiten und Jakobs des Zweiten, des schrecklichen Lordoberrichters
Jeffreys, also auch der Geächteten, der Highwaymen, der beständigen Be->
drohungen alles Privatlebens und Privatglücks durch den jähen Wechsel der
öffentlichen Zustände und die Ohnmacht der Staatsgewalten. Der alte englische
Abenteurerroman, wie ihn De Fos begründet hat, und der Sittenroman der
Fielding und Smollet reichen sich in Blcickmores romantischer Erzählung die
Hand, der angeschlagne Ton eines Memoirenromans, den der Held John Ritt,
anfänglich Freisasse und später Sir John Ritt zu Oare in der Grafschaft
Somerset, selbst erzählt, ist ziemlich gut festgehalten. Der wackre Freisasse
aus alter, guter Familie, der unter hundert Lebensgefahren und drohenden
Hindernissen schließlich seine geliebte Loma Dovre heimführt, steht seinem An¬
schauung und Bildung nach näher bei Sauire Western als bei spätern feinern
Gentlemen der englischen Erzühlungskunst. Aber er hat das Herz auf dem
rechten Fleck, arbeitet sich durch alle Fährlichkeiten tapfer durch, kommt ein
paarmal mit blauem Ange davon, weil hinter seiner Treuherzigkeit selbst Lord
Jeffreys keinen Hochverrat wittern kann, und schlägt im übrigen mit Messer
oder Schwert eine so gute Klinge, als man von einem englischen Freisassen
des siebzehnten Jahrhunderts nur erwarten kann. Das Sittenbild, um das
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