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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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Der Dresdner Kongreß

nach dem Tode festzusetzen, bessere Aussicht auf Berücksichtigung haben, da hier¬
nach nur Deutschland, die Schweiz und Luxemburg ihre Schutzfrist zu ver¬
länger" hätten, während Italien und Großbritannien ohnehin auch schon nach
dein ersten Vorschlage ihr Verfahren, das nicht auf dem Tode des Autors,
sondern auf der Erscheinungszeit des Werks begründet ist, zu ändern hätten);
die Einbeziehung der Erzeugnisse der Baukunst und der Photographie in den
Bereich des Urheberrechts (wovon schon vorher die Rede war); der Schutz
gegen unbefugte Übersetzungen, Bearbeitungen und Ausführungen, gegen den
Nachdruck längerer Zeitungsartikel, gegen Entlehnungen ohne Quellenangabe,
gegen die unbefugte Verwendung von Stücken für mechanische Musikinstru¬
mente; die Trennung des Autor-(Neproduktions-)rechts von dem Besitz am
Werke, wonach die Mitübertragung des Autorrechts ausdrücklich ausgemacht
werden muß (in dieser gegen die erste Fassung etwas veränderten Form wurde
der Antrag des Herrn Vaunois angenommen); endlich der Schutz gegen die
betrügerische Verwendung (Nachahmung) eines Autornamens oder -zeichens.

Dann kam der Antrag Lerminas auf Begründung eines Verzeichnisses
sämtlicher Werke der Wissenschaft, Litteratur und Kunst, das vom Berner
internationalen Bureau zu führen wäre, zur Sprache. Die Ungeheuerlichkeit
eines solchen Planes wurde von Grand-Carteret scharf gegeißelt. Da aber
wenige Wochen vorher, auf der zu Anfang September in Brüssel abgehaltnen
ersten internationalen Besprechung der Bibliographen, die Herren La Fontaine
und Otlet das von ihnen aus Amerika nach Europa übertragne Dezimalsystem
der Titelklassifizirung mit so glänzendem Erfolg hatten vorführen können, daß
die Begründung eines internationalen Instituts für Bibliographie in Brüssel
beschlossen worden war, so wurde dem Lermincischen Antrag im Prinzip we¬
nigstens beigestimmt; denn wenn sich das Vrüssler Institut, wie es den vor¬
gewiesenen Proben nach allen Anschein hat, bewährt, so braucht das Verner
Bureau nur die in Brüssel hergestellten gedruckten Titelzettel, die für jeder¬
mann käuflich sind, zu beziehen und für deren Aufstellung zu sorgen.

Den dritten Punkt bildeten die Abweichungen, die zur Zeit noch in der
Gesetzgebung der zur Union gehörenden Staaten in Bezug auf einzelne Fragen
bestehen (von Röthlisberger und Paul Schmidt sehr klar zusammengefaßt), und
weiterhin die Grundlage, auf der eine Einigung am ehesten erwartet werden
könnte. Der ausführliche, dabei aber ungemein knappe und einheitliche Be¬
richt, den der junge Advokat Maillard, die rechte Hand des Präsidenten Pouillet,
verfaßt hatte und mit kraftvoller, von allen Scheinmitteln freier Beredsamkeit
verteidigte, bildete ohne Frage den Glanzpunkt des Arbeitswerth dieses Kon¬
gresses und trug seinem Verfasser den wohlverdienten Dank der Versammlung
ein. Es ist eine Freude, diese lichtvolle, auf der einheitlichen Durchführung
eines Grundgedankens aufgebaute Auseinandersetzung (in der deutschen Aus¬
gabe der Berichte auf Seite 42 fg. abgedruckt) zu lesen, die den wehend-


Der Dresdner Kongreß

nach dem Tode festzusetzen, bessere Aussicht auf Berücksichtigung haben, da hier¬
nach nur Deutschland, die Schweiz und Luxemburg ihre Schutzfrist zu ver¬
länger» hätten, während Italien und Großbritannien ohnehin auch schon nach
dein ersten Vorschlage ihr Verfahren, das nicht auf dem Tode des Autors,
sondern auf der Erscheinungszeit des Werks begründet ist, zu ändern hätten);
die Einbeziehung der Erzeugnisse der Baukunst und der Photographie in den
Bereich des Urheberrechts (wovon schon vorher die Rede war); der Schutz
gegen unbefugte Übersetzungen, Bearbeitungen und Ausführungen, gegen den
Nachdruck längerer Zeitungsartikel, gegen Entlehnungen ohne Quellenangabe,
gegen die unbefugte Verwendung von Stücken für mechanische Musikinstru¬
mente; die Trennung des Autor-(Neproduktions-)rechts von dem Besitz am
Werke, wonach die Mitübertragung des Autorrechts ausdrücklich ausgemacht
werden muß (in dieser gegen die erste Fassung etwas veränderten Form wurde
der Antrag des Herrn Vaunois angenommen); endlich der Schutz gegen die
betrügerische Verwendung (Nachahmung) eines Autornamens oder -zeichens.

Dann kam der Antrag Lerminas auf Begründung eines Verzeichnisses
sämtlicher Werke der Wissenschaft, Litteratur und Kunst, das vom Berner
internationalen Bureau zu führen wäre, zur Sprache. Die Ungeheuerlichkeit
eines solchen Planes wurde von Grand-Carteret scharf gegeißelt. Da aber
wenige Wochen vorher, auf der zu Anfang September in Brüssel abgehaltnen
ersten internationalen Besprechung der Bibliographen, die Herren La Fontaine
und Otlet das von ihnen aus Amerika nach Europa übertragne Dezimalsystem
der Titelklassifizirung mit so glänzendem Erfolg hatten vorführen können, daß
die Begründung eines internationalen Instituts für Bibliographie in Brüssel
beschlossen worden war, so wurde dem Lermincischen Antrag im Prinzip we¬
nigstens beigestimmt; denn wenn sich das Vrüssler Institut, wie es den vor¬
gewiesenen Proben nach allen Anschein hat, bewährt, so braucht das Verner
Bureau nur die in Brüssel hergestellten gedruckten Titelzettel, die für jeder¬
mann käuflich sind, zu beziehen und für deren Aufstellung zu sorgen.

Den dritten Punkt bildeten die Abweichungen, die zur Zeit noch in der
Gesetzgebung der zur Union gehörenden Staaten in Bezug auf einzelne Fragen
bestehen (von Röthlisberger und Paul Schmidt sehr klar zusammengefaßt), und
weiterhin die Grundlage, auf der eine Einigung am ehesten erwartet werden
könnte. Der ausführliche, dabei aber ungemein knappe und einheitliche Be¬
richt, den der junge Advokat Maillard, die rechte Hand des Präsidenten Pouillet,
verfaßt hatte und mit kraftvoller, von allen Scheinmitteln freier Beredsamkeit
verteidigte, bildete ohne Frage den Glanzpunkt des Arbeitswerth dieses Kon¬
gresses und trug seinem Verfasser den wohlverdienten Dank der Versammlung
ein. Es ist eine Freude, diese lichtvolle, auf der einheitlichen Durchführung
eines Grundgedankens aufgebaute Auseinandersetzung (in der deutschen Aus¬
gabe der Berichte auf Seite 42 fg. abgedruckt) zu lesen, die den wehend-


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[0090] Der Dresdner Kongreß nach dem Tode festzusetzen, bessere Aussicht auf Berücksichtigung haben, da hier¬ nach nur Deutschland, die Schweiz und Luxemburg ihre Schutzfrist zu ver¬ länger» hätten, während Italien und Großbritannien ohnehin auch schon nach dein ersten Vorschlage ihr Verfahren, das nicht auf dem Tode des Autors, sondern auf der Erscheinungszeit des Werks begründet ist, zu ändern hätten); die Einbeziehung der Erzeugnisse der Baukunst und der Photographie in den Bereich des Urheberrechts (wovon schon vorher die Rede war); der Schutz gegen unbefugte Übersetzungen, Bearbeitungen und Ausführungen, gegen den Nachdruck längerer Zeitungsartikel, gegen Entlehnungen ohne Quellenangabe, gegen die unbefugte Verwendung von Stücken für mechanische Musikinstru¬ mente; die Trennung des Autor-(Neproduktions-)rechts von dem Besitz am Werke, wonach die Mitübertragung des Autorrechts ausdrücklich ausgemacht werden muß (in dieser gegen die erste Fassung etwas veränderten Form wurde der Antrag des Herrn Vaunois angenommen); endlich der Schutz gegen die betrügerische Verwendung (Nachahmung) eines Autornamens oder -zeichens. Dann kam der Antrag Lerminas auf Begründung eines Verzeichnisses sämtlicher Werke der Wissenschaft, Litteratur und Kunst, das vom Berner internationalen Bureau zu führen wäre, zur Sprache. Die Ungeheuerlichkeit eines solchen Planes wurde von Grand-Carteret scharf gegeißelt. Da aber wenige Wochen vorher, auf der zu Anfang September in Brüssel abgehaltnen ersten internationalen Besprechung der Bibliographen, die Herren La Fontaine und Otlet das von ihnen aus Amerika nach Europa übertragne Dezimalsystem der Titelklassifizirung mit so glänzendem Erfolg hatten vorführen können, daß die Begründung eines internationalen Instituts für Bibliographie in Brüssel beschlossen worden war, so wurde dem Lermincischen Antrag im Prinzip we¬ nigstens beigestimmt; denn wenn sich das Vrüssler Institut, wie es den vor¬ gewiesenen Proben nach allen Anschein hat, bewährt, so braucht das Verner Bureau nur die in Brüssel hergestellten gedruckten Titelzettel, die für jeder¬ mann käuflich sind, zu beziehen und für deren Aufstellung zu sorgen. Den dritten Punkt bildeten die Abweichungen, die zur Zeit noch in der Gesetzgebung der zur Union gehörenden Staaten in Bezug auf einzelne Fragen bestehen (von Röthlisberger und Paul Schmidt sehr klar zusammengefaßt), und weiterhin die Grundlage, auf der eine Einigung am ehesten erwartet werden könnte. Der ausführliche, dabei aber ungemein knappe und einheitliche Be¬ richt, den der junge Advokat Maillard, die rechte Hand des Präsidenten Pouillet, verfaßt hatte und mit kraftvoller, von allen Scheinmitteln freier Beredsamkeit verteidigte, bildete ohne Frage den Glanzpunkt des Arbeitswerth dieses Kon¬ gresses und trug seinem Verfasser den wohlverdienten Dank der Versammlung ein. Es ist eine Freude, diese lichtvolle, auf der einheitlichen Durchführung eines Grundgedankens aufgebaute Auseinandersetzung (in der deutschen Aus¬ gabe der Berichte auf Seite 42 fg. abgedruckt) zu lesen, die den wehend-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/90>, abgerufen am 28.06.2024.