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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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Der Dresdner Kongreß

nicht oder noch nicht genügend geschlitzten Erzeugnisse des menschlichen Geistes
auf andern als dem bereits durch besondre Gesetze geschützten Gebiete der
Mechanik in den Kreis ihrer Wirksamkeit zu ziehen, so z. B. die in Deutsch¬
land als solche noch nicht geschützte Baukunst, die öffentlichen Denkmäler u. s. w.
Wenn die Assoziativ" weiterhin darauf ausgeht, die Photographie, später viel¬
leicht auch noch die Jngenieurkmist in den Bereich des Urheberrechts zu ziehen,
weil die Erzeugnisse dieser Gebiete vielfach einen künstlerischen Charakter haben,
jedenfalls häusig ähnlich wie die Kunstwerke zu behandeln sind, so fragt es
sich, wie weit die für das Frühjahr 1896 nach Paris berufne diplomatische
Konferenz bereit sein wird, solchen auf eine völlige Verwischung des Unter¬
schieds zwischen Gewerbe- und Kuustschutz hinarbeitenden Anregungen Folge
zu geben. Daß die Grenze zwischen beiden Gebieten flüssig ist, rechtfertigt
noch nicht deren Verschmelzung; läßt sich auch auf dem Wege der Logik keine
ausreichende Unterscheidung herstellen, so fordert doch die Praxis gebieterisch
eine Trennung der beiden Gebiete. Vielleicht entschließt man sich dazu, für
Gewerbe, die wie die angeführten an der Grenze der Kunst stehen -- die
Baukunst gehört eigentlich auch hierher --, die Frage durch besondre Gesetze
zu regeln, wie dies von den Gemäßigter" gewünscht wird und für die Photo¬
graphie in Deutschland innerhalb bestimmter Grenzen wenigstens thatsächlich
durchgeführt ist. Kommt dabei im einzelnen Fall der künstlerische Charakter
eines Werks in Frage, so wird die Entscheidung hierüber, wenn nötig, den
Sachverständigen anheimzustellen sein. Das ist jn mißlich, aber im letzten
Grunde wird man sich bei Kunstfragen überhaupt stets auf den Wahrspruch
der Sachverständigen verwiesen sehen, also mit einer Einrichtung zu rechnen
haben, die uns deutlicher als jede andre die Schwäche der menschlichen Natur
bekundet, und zwar mehr noch durch die Schwierigkeit, die wirklichen Sach¬
verständigen ausfindig zu machen, als durch die Gefahr des Irrtums, der jeder
Mensch, der schließlich selbst der berufsmäßig geschulte Jurist unterworfen ist.
Doch zurück zu dem Gegenstande der Verhandlungen.

Der erste Punkt betraf die künftige Revision der Berner Konvention,
sowie die Aussicht auf den Beitritt der noch nicht zu ihr gehörenden Staaten,
namentlich Amerikas, Österreichs, Rußlands, Dänemarks und Hollands. Es
wurde beschlossen, der bevorstehenden Pariser Konferenz achtzehn Wünsche, die
die Beschlüsse aller vorhergehenden Kongresse zusammenfassen, mit dem Er¬
suchen um wohlwollende Beachtung zu übermitteln. Die wichtigsten dieser
Wünsche sind: Festsetzung der Schutzfrist des Urheberrechts in allen Ländern
auf achtzig Jahre nach dem Tode des Autors; (da hierbei aber nur einfach die
längste überhaupt in einer Gesetzgebung, nämlich in der spanischen, festgesetzte
Schutzdauer als maßgebend angenommen worden ist, wodurch sich alle übrigen
Länder genötigt sehen würden, die ihrige zu verlängern, so dürfte der weiter¬
hin zu erwähnende Vorschlag Maillards, diese Dauer aus fünfzig Jahre


Grenzboten IV 1895 11
Der Dresdner Kongreß

nicht oder noch nicht genügend geschlitzten Erzeugnisse des menschlichen Geistes
auf andern als dem bereits durch besondre Gesetze geschützten Gebiete der
Mechanik in den Kreis ihrer Wirksamkeit zu ziehen, so z. B. die in Deutsch¬
land als solche noch nicht geschützte Baukunst, die öffentlichen Denkmäler u. s. w.
Wenn die Assoziativ» weiterhin darauf ausgeht, die Photographie, später viel¬
leicht auch noch die Jngenieurkmist in den Bereich des Urheberrechts zu ziehen,
weil die Erzeugnisse dieser Gebiete vielfach einen künstlerischen Charakter haben,
jedenfalls häusig ähnlich wie die Kunstwerke zu behandeln sind, so fragt es
sich, wie weit die für das Frühjahr 1896 nach Paris berufne diplomatische
Konferenz bereit sein wird, solchen auf eine völlige Verwischung des Unter¬
schieds zwischen Gewerbe- und Kuustschutz hinarbeitenden Anregungen Folge
zu geben. Daß die Grenze zwischen beiden Gebieten flüssig ist, rechtfertigt
noch nicht deren Verschmelzung; läßt sich auch auf dem Wege der Logik keine
ausreichende Unterscheidung herstellen, so fordert doch die Praxis gebieterisch
eine Trennung der beiden Gebiete. Vielleicht entschließt man sich dazu, für
Gewerbe, die wie die angeführten an der Grenze der Kunst stehen — die
Baukunst gehört eigentlich auch hierher —, die Frage durch besondre Gesetze
zu regeln, wie dies von den Gemäßigter» gewünscht wird und für die Photo¬
graphie in Deutschland innerhalb bestimmter Grenzen wenigstens thatsächlich
durchgeführt ist. Kommt dabei im einzelnen Fall der künstlerische Charakter
eines Werks in Frage, so wird die Entscheidung hierüber, wenn nötig, den
Sachverständigen anheimzustellen sein. Das ist jn mißlich, aber im letzten
Grunde wird man sich bei Kunstfragen überhaupt stets auf den Wahrspruch
der Sachverständigen verwiesen sehen, also mit einer Einrichtung zu rechnen
haben, die uns deutlicher als jede andre die Schwäche der menschlichen Natur
bekundet, und zwar mehr noch durch die Schwierigkeit, die wirklichen Sach¬
verständigen ausfindig zu machen, als durch die Gefahr des Irrtums, der jeder
Mensch, der schließlich selbst der berufsmäßig geschulte Jurist unterworfen ist.
Doch zurück zu dem Gegenstande der Verhandlungen.

Der erste Punkt betraf die künftige Revision der Berner Konvention,
sowie die Aussicht auf den Beitritt der noch nicht zu ihr gehörenden Staaten,
namentlich Amerikas, Österreichs, Rußlands, Dänemarks und Hollands. Es
wurde beschlossen, der bevorstehenden Pariser Konferenz achtzehn Wünsche, die
die Beschlüsse aller vorhergehenden Kongresse zusammenfassen, mit dem Er¬
suchen um wohlwollende Beachtung zu übermitteln. Die wichtigsten dieser
Wünsche sind: Festsetzung der Schutzfrist des Urheberrechts in allen Ländern
auf achtzig Jahre nach dem Tode des Autors; (da hierbei aber nur einfach die
längste überhaupt in einer Gesetzgebung, nämlich in der spanischen, festgesetzte
Schutzdauer als maßgebend angenommen worden ist, wodurch sich alle übrigen
Länder genötigt sehen würden, die ihrige zu verlängern, so dürfte der weiter¬
hin zu erwähnende Vorschlag Maillards, diese Dauer aus fünfzig Jahre


Grenzboten IV 1895 11
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[0089] Der Dresdner Kongreß nicht oder noch nicht genügend geschlitzten Erzeugnisse des menschlichen Geistes auf andern als dem bereits durch besondre Gesetze geschützten Gebiete der Mechanik in den Kreis ihrer Wirksamkeit zu ziehen, so z. B. die in Deutsch¬ land als solche noch nicht geschützte Baukunst, die öffentlichen Denkmäler u. s. w. Wenn die Assoziativ» weiterhin darauf ausgeht, die Photographie, später viel¬ leicht auch noch die Jngenieurkmist in den Bereich des Urheberrechts zu ziehen, weil die Erzeugnisse dieser Gebiete vielfach einen künstlerischen Charakter haben, jedenfalls häusig ähnlich wie die Kunstwerke zu behandeln sind, so fragt es sich, wie weit die für das Frühjahr 1896 nach Paris berufne diplomatische Konferenz bereit sein wird, solchen auf eine völlige Verwischung des Unter¬ schieds zwischen Gewerbe- und Kuustschutz hinarbeitenden Anregungen Folge zu geben. Daß die Grenze zwischen beiden Gebieten flüssig ist, rechtfertigt noch nicht deren Verschmelzung; läßt sich auch auf dem Wege der Logik keine ausreichende Unterscheidung herstellen, so fordert doch die Praxis gebieterisch eine Trennung der beiden Gebiete. Vielleicht entschließt man sich dazu, für Gewerbe, die wie die angeführten an der Grenze der Kunst stehen — die Baukunst gehört eigentlich auch hierher —, die Frage durch besondre Gesetze zu regeln, wie dies von den Gemäßigter» gewünscht wird und für die Photo¬ graphie in Deutschland innerhalb bestimmter Grenzen wenigstens thatsächlich durchgeführt ist. Kommt dabei im einzelnen Fall der künstlerische Charakter eines Werks in Frage, so wird die Entscheidung hierüber, wenn nötig, den Sachverständigen anheimzustellen sein. Das ist jn mißlich, aber im letzten Grunde wird man sich bei Kunstfragen überhaupt stets auf den Wahrspruch der Sachverständigen verwiesen sehen, also mit einer Einrichtung zu rechnen haben, die uns deutlicher als jede andre die Schwäche der menschlichen Natur bekundet, und zwar mehr noch durch die Schwierigkeit, die wirklichen Sach¬ verständigen ausfindig zu machen, als durch die Gefahr des Irrtums, der jeder Mensch, der schließlich selbst der berufsmäßig geschulte Jurist unterworfen ist. Doch zurück zu dem Gegenstande der Verhandlungen. Der erste Punkt betraf die künftige Revision der Berner Konvention, sowie die Aussicht auf den Beitritt der noch nicht zu ihr gehörenden Staaten, namentlich Amerikas, Österreichs, Rußlands, Dänemarks und Hollands. Es wurde beschlossen, der bevorstehenden Pariser Konferenz achtzehn Wünsche, die die Beschlüsse aller vorhergehenden Kongresse zusammenfassen, mit dem Er¬ suchen um wohlwollende Beachtung zu übermitteln. Die wichtigsten dieser Wünsche sind: Festsetzung der Schutzfrist des Urheberrechts in allen Ländern auf achtzig Jahre nach dem Tode des Autors; (da hierbei aber nur einfach die längste überhaupt in einer Gesetzgebung, nämlich in der spanischen, festgesetzte Schutzdauer als maßgebend angenommen worden ist, wodurch sich alle übrigen Länder genötigt sehen würden, die ihrige zu verlängern, so dürfte der weiter¬ hin zu erwähnende Vorschlag Maillards, diese Dauer aus fünfzig Jahre Grenzboten IV 1895 11

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/89>, abgerufen am 23.06.2024.