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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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Das Petroleum

der einzelne nur belohnt werden soll nach Maßgabe dessen, was er für den
König, das heißt sür das Vaterland, den Staat, die Gesamtheit aller, die rss
Molken und die Sö-lus xudlica leistet, die der König verkörpert.

Wenn sich etwas aus der Geschichte lernen läßt, so läßt sich das daraus
lernen, daß hie und da die Menschheitsführer an Kreuzwege kommen, oder daß
sich der bisher verfolgte Weg teilt, daß sie sich zu entscheiden haben, ob sie
den Weg links oder rechts einschlagen wollen. Häufig liegt nur ein sehr spitzer
Winkel zwischen beiden Wegen, und sie scheinen, fast so weit als ein Menschen¬
auge sie verfolgen kann, beinahe parallel zu laufen. Dennoch gehen sie immer
weiter aus einander, und nach einer kurzen Spanne, nach einem kleinen Jahr¬
hundert häufig schon, liegt das Ziel, das man erreicht hat, auf glänzender
Höhe weit, sehr weit von dem Sumpf, in den man auf dem andern Wege ge¬
raten wäre. An solcher Wegscheide stehen wir heute, am Ende des Schacher¬
jahrhunderts der Bourgeoisie. Es handelt sich nur um den richtigen Ent¬
schluß. Es ist nicht nötig, einen Zukunftsstaat zu konstruiren und dann erst
das Neue anzufangen: wir marschieren ruhig weiter. Die "liberalen Gesetze"
sind wunderschön, es liegt in ihnen die Kraft, die der Lanze des Königs Am-
fortas innewohnte, sie heilen die Wunden, die sie schlagen, wenn man nur
dasselbe Prinzip im geeigneten Falle anch gegen den zur Anwendung bringt,
der durch seine Anwendung gemeingefährlich geworden ist. Weiter Blick und
nahe Ziele machen den wirklichen Staatsmann. Man mache sich die Gefahr
klar, die in dem internationalen Kleptolratismus für die monarchische Idee
liegt, und schreite von Fall zu Fall. Es wird eine Lust sein, zu leben, und
die Welt wird sich in zwanzig Jahren ganz merkwürdig verändert haben.

Gelingt es, Rockefellers Macht zu brechen und ihn und seine Leute zu
völliger Bedeutungslosigkeit herabzudrücken, den Beweis zu führen, daß er das,
was er für sich erreicht zu haben meinte, schließlich doch nur für unser Wohl
geleistet hat, so ist damit ein erster und gar nicht zu unterschützender Schritt
auf dem richtigen Wege gethan. Sein Schicksal wird eine sehr eindringliche
Mahnung für ähnliche Talente sein. Ein Monopol in einem so gewaltigen
Artikel wie Petroleum zu Gunsten einiger Ausländer ist eine Schmach für ein
großes Volk. Wenn schon Monopol, dann Staatsmonopol, aber nicht etwa
so, daß Rockefellers Petrvleumreich unzerstört bleibt und Deutschland mir einer
seiner Kunden wird; das wäre noch unwürdiger. Während das Staatsmonopol
langsam heranwächst, muß Rockefeller planvoll zu Grunde gerichtet werden
und sein endgiltiges Helena finden.

Zunächst muß ich da einige Vorschläge erwähnen, die von verschiednen
Seiten gemacht worden sind, die ich aber für unausführbar halte. Man hat
empfohlen, die Gegner der Standard Oil Compagnie in ihrem Kampfe
durch Tankanlagen, Zinsgarantien usw. zu unterstützen. Das würde ich für
ganz ungenügend halten. Die Regierung würde damit den Kampf mittelbar
doch aufnehmen, aber unter ungünstigen Bedingungen. Man hat ferner vor-


Das Petroleum

der einzelne nur belohnt werden soll nach Maßgabe dessen, was er für den
König, das heißt sür das Vaterland, den Staat, die Gesamtheit aller, die rss
Molken und die Sö-lus xudlica leistet, die der König verkörpert.

Wenn sich etwas aus der Geschichte lernen läßt, so läßt sich das daraus
lernen, daß hie und da die Menschheitsführer an Kreuzwege kommen, oder daß
sich der bisher verfolgte Weg teilt, daß sie sich zu entscheiden haben, ob sie
den Weg links oder rechts einschlagen wollen. Häufig liegt nur ein sehr spitzer
Winkel zwischen beiden Wegen, und sie scheinen, fast so weit als ein Menschen¬
auge sie verfolgen kann, beinahe parallel zu laufen. Dennoch gehen sie immer
weiter aus einander, und nach einer kurzen Spanne, nach einem kleinen Jahr¬
hundert häufig schon, liegt das Ziel, das man erreicht hat, auf glänzender
Höhe weit, sehr weit von dem Sumpf, in den man auf dem andern Wege ge¬
raten wäre. An solcher Wegscheide stehen wir heute, am Ende des Schacher¬
jahrhunderts der Bourgeoisie. Es handelt sich nur um den richtigen Ent¬
schluß. Es ist nicht nötig, einen Zukunftsstaat zu konstruiren und dann erst
das Neue anzufangen: wir marschieren ruhig weiter. Die „liberalen Gesetze"
sind wunderschön, es liegt in ihnen die Kraft, die der Lanze des Königs Am-
fortas innewohnte, sie heilen die Wunden, die sie schlagen, wenn man nur
dasselbe Prinzip im geeigneten Falle anch gegen den zur Anwendung bringt,
der durch seine Anwendung gemeingefährlich geworden ist. Weiter Blick und
nahe Ziele machen den wirklichen Staatsmann. Man mache sich die Gefahr
klar, die in dem internationalen Kleptolratismus für die monarchische Idee
liegt, und schreite von Fall zu Fall. Es wird eine Lust sein, zu leben, und
die Welt wird sich in zwanzig Jahren ganz merkwürdig verändert haben.

Gelingt es, Rockefellers Macht zu brechen und ihn und seine Leute zu
völliger Bedeutungslosigkeit herabzudrücken, den Beweis zu führen, daß er das,
was er für sich erreicht zu haben meinte, schließlich doch nur für unser Wohl
geleistet hat, so ist damit ein erster und gar nicht zu unterschützender Schritt
auf dem richtigen Wege gethan. Sein Schicksal wird eine sehr eindringliche
Mahnung für ähnliche Talente sein. Ein Monopol in einem so gewaltigen
Artikel wie Petroleum zu Gunsten einiger Ausländer ist eine Schmach für ein
großes Volk. Wenn schon Monopol, dann Staatsmonopol, aber nicht etwa
so, daß Rockefellers Petrvleumreich unzerstört bleibt und Deutschland mir einer
seiner Kunden wird; das wäre noch unwürdiger. Während das Staatsmonopol
langsam heranwächst, muß Rockefeller planvoll zu Grunde gerichtet werden
und sein endgiltiges Helena finden.

Zunächst muß ich da einige Vorschläge erwähnen, die von verschiednen
Seiten gemacht worden sind, die ich aber für unausführbar halte. Man hat
empfohlen, die Gegner der Standard Oil Compagnie in ihrem Kampfe
durch Tankanlagen, Zinsgarantien usw. zu unterstützen. Das würde ich für
ganz ungenügend halten. Die Regierung würde damit den Kampf mittelbar
doch aufnehmen, aber unter ungünstigen Bedingungen. Man hat ferner vor-


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[0631] Das Petroleum der einzelne nur belohnt werden soll nach Maßgabe dessen, was er für den König, das heißt sür das Vaterland, den Staat, die Gesamtheit aller, die rss Molken und die Sö-lus xudlica leistet, die der König verkörpert. Wenn sich etwas aus der Geschichte lernen läßt, so läßt sich das daraus lernen, daß hie und da die Menschheitsführer an Kreuzwege kommen, oder daß sich der bisher verfolgte Weg teilt, daß sie sich zu entscheiden haben, ob sie den Weg links oder rechts einschlagen wollen. Häufig liegt nur ein sehr spitzer Winkel zwischen beiden Wegen, und sie scheinen, fast so weit als ein Menschen¬ auge sie verfolgen kann, beinahe parallel zu laufen. Dennoch gehen sie immer weiter aus einander, und nach einer kurzen Spanne, nach einem kleinen Jahr¬ hundert häufig schon, liegt das Ziel, das man erreicht hat, auf glänzender Höhe weit, sehr weit von dem Sumpf, in den man auf dem andern Wege ge¬ raten wäre. An solcher Wegscheide stehen wir heute, am Ende des Schacher¬ jahrhunderts der Bourgeoisie. Es handelt sich nur um den richtigen Ent¬ schluß. Es ist nicht nötig, einen Zukunftsstaat zu konstruiren und dann erst das Neue anzufangen: wir marschieren ruhig weiter. Die „liberalen Gesetze" sind wunderschön, es liegt in ihnen die Kraft, die der Lanze des Königs Am- fortas innewohnte, sie heilen die Wunden, die sie schlagen, wenn man nur dasselbe Prinzip im geeigneten Falle anch gegen den zur Anwendung bringt, der durch seine Anwendung gemeingefährlich geworden ist. Weiter Blick und nahe Ziele machen den wirklichen Staatsmann. Man mache sich die Gefahr klar, die in dem internationalen Kleptolratismus für die monarchische Idee liegt, und schreite von Fall zu Fall. Es wird eine Lust sein, zu leben, und die Welt wird sich in zwanzig Jahren ganz merkwürdig verändert haben. Gelingt es, Rockefellers Macht zu brechen und ihn und seine Leute zu völliger Bedeutungslosigkeit herabzudrücken, den Beweis zu führen, daß er das, was er für sich erreicht zu haben meinte, schließlich doch nur für unser Wohl geleistet hat, so ist damit ein erster und gar nicht zu unterschützender Schritt auf dem richtigen Wege gethan. Sein Schicksal wird eine sehr eindringliche Mahnung für ähnliche Talente sein. Ein Monopol in einem so gewaltigen Artikel wie Petroleum zu Gunsten einiger Ausländer ist eine Schmach für ein großes Volk. Wenn schon Monopol, dann Staatsmonopol, aber nicht etwa so, daß Rockefellers Petrvleumreich unzerstört bleibt und Deutschland mir einer seiner Kunden wird; das wäre noch unwürdiger. Während das Staatsmonopol langsam heranwächst, muß Rockefeller planvoll zu Grunde gerichtet werden und sein endgiltiges Helena finden. Zunächst muß ich da einige Vorschläge erwähnen, die von verschiednen Seiten gemacht worden sind, die ich aber für unausführbar halte. Man hat empfohlen, die Gegner der Standard Oil Compagnie in ihrem Kampfe durch Tankanlagen, Zinsgarantien usw. zu unterstützen. Das würde ich für ganz ungenügend halten. Die Regierung würde damit den Kampf mittelbar doch aufnehmen, aber unter ungünstigen Bedingungen. Man hat ferner vor-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/631>, abgerufen am 01.07.2024.