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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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Das Petroleum

geschlagen, die Raffinirung des Rohpetroleums von Amerika nach Deutschland
zu verpflanzen. Auch das halte ich für ganz unausführbar. Zunächst würde
man Rockefeller nur einen Dienst leisten, wenn man so die noch übrig ge-
bliebner Naffineure in Amerika vernichtete, und zweitens würden die in
Deutschland errichteten Raffinerien in keiner Weise dem Kampfe gewachsen
sein. Wenn sie auch durch einen genügend hohen Differentialzoll zwischen
rohem und raffinirtem Petroleum gegen ausländisches, gegen drüben raffinirtes
Petroleum kampffähig zu machen wären, so würde doch niemand die Standard
Oil Compagnie verhindern können, selbst oder unter dem Namen von Stroh¬
männern Raffinerien in Deutschland zu errichten; mit ihrem Riesenkapital,
mit einem großen Stäbe von Technikern und Chemikern ersten Ranges würde
sie im Umsehen das deutsche Fabrikationsgeschäft in den Händen haben, und
das wäre ein noch unleidlicherer Zustand als der jetzige. Und schließlich
würde der Ausgang nur der sein, daß man einigen Besitzern von chemischen
Fabriken eine gute Verwendung für ihre Anlagen verschaffte, sie würden
einige Jahre arbeiten und dann klug genng sein, die ganze Geschichte mit
Nutzen an Rockefellers Leute zu verkaufen.

Nun erwartet man vielleicht die berühmten "positiven Vorschläge" von mir,
und ich bekenne, daß ich mich schon dahintergesetzt hatte, einen genauen und
ins einzelne gehenden Feldzugsplan auszuarbeiten. Aber ich habe zwei Be¬
denken gehabt: erstens sind da eine ganze Reihe Herren zur Lösung und Lei¬
tung von wirtschaftlichen und Handelsfragen berufen, die aus öffentlichen
Mitteln dafür mit Hunderttausenden besoldet werden. Ich kann mir vor¬
stellen, daß es diese Herren anmaßend finden würden, wenn ich hier nicht nur
meine bescheidne Meinung über die Natur dieser Dinge aussprechen, sondern
nun gar zu einem Honorar von so und soviel für den Druckbogen das Vater¬
land retten wollte, während sie vielleicht selbst schon, von ihrem hohen Stand¬
punkte die Sache noch viel deutlicher, als ich es vermag, übersehend, das
Nichtige längst gefunden haben. Daß sie nicht davon reden, sondern immer
nur von Schritt zu Schritt handeln wollen, das würde ich für ganz richtig
und sogar für die erste Bedingung des Erfolgs halten, und darin liegt auch
mein zweites Bedenken. Ob ich als ein kleiner Petroleummoltke einen Plan
leisten würde, der die absolute Sicherheit des Sieges schon in sich schlösse
oder nicht -- Rockefeller hält am Ende die Grenzboten, und es ist mir ein
scheußlicher Gedanke, daß ich ihn vielleicht auf einen Fehler, auf einen schwachen
Punkt der Mauer, auf eine gefährliche Stellung in den Verteidigungslinien
erst aufmerksam machen könnte. Ich will mit einem Worte nicht für die
Nvckefellerei arbeiten, auch uicht während ich gegen sie schreibe.

Nur eins noch: Rockefeller steht trotz aller scheinbaren Macht auf thönernen
Füßen. Seine Stellung zwischen Produzenten und Konsumenten in Amerika
ist zu umgehen, die russische noch leichter. Er hat die Antipathien aller
Staaten. Deutschland würde russisches und amerikanisches Entgegenkommen


Das Petroleum

geschlagen, die Raffinirung des Rohpetroleums von Amerika nach Deutschland
zu verpflanzen. Auch das halte ich für ganz unausführbar. Zunächst würde
man Rockefeller nur einen Dienst leisten, wenn man so die noch übrig ge-
bliebner Naffineure in Amerika vernichtete, und zweitens würden die in
Deutschland errichteten Raffinerien in keiner Weise dem Kampfe gewachsen
sein. Wenn sie auch durch einen genügend hohen Differentialzoll zwischen
rohem und raffinirtem Petroleum gegen ausländisches, gegen drüben raffinirtes
Petroleum kampffähig zu machen wären, so würde doch niemand die Standard
Oil Compagnie verhindern können, selbst oder unter dem Namen von Stroh¬
männern Raffinerien in Deutschland zu errichten; mit ihrem Riesenkapital,
mit einem großen Stäbe von Technikern und Chemikern ersten Ranges würde
sie im Umsehen das deutsche Fabrikationsgeschäft in den Händen haben, und
das wäre ein noch unleidlicherer Zustand als der jetzige. Und schließlich
würde der Ausgang nur der sein, daß man einigen Besitzern von chemischen
Fabriken eine gute Verwendung für ihre Anlagen verschaffte, sie würden
einige Jahre arbeiten und dann klug genng sein, die ganze Geschichte mit
Nutzen an Rockefellers Leute zu verkaufen.

Nun erwartet man vielleicht die berühmten „positiven Vorschläge" von mir,
und ich bekenne, daß ich mich schon dahintergesetzt hatte, einen genauen und
ins einzelne gehenden Feldzugsplan auszuarbeiten. Aber ich habe zwei Be¬
denken gehabt: erstens sind da eine ganze Reihe Herren zur Lösung und Lei¬
tung von wirtschaftlichen und Handelsfragen berufen, die aus öffentlichen
Mitteln dafür mit Hunderttausenden besoldet werden. Ich kann mir vor¬
stellen, daß es diese Herren anmaßend finden würden, wenn ich hier nicht nur
meine bescheidne Meinung über die Natur dieser Dinge aussprechen, sondern
nun gar zu einem Honorar von so und soviel für den Druckbogen das Vater¬
land retten wollte, während sie vielleicht selbst schon, von ihrem hohen Stand¬
punkte die Sache noch viel deutlicher, als ich es vermag, übersehend, das
Nichtige längst gefunden haben. Daß sie nicht davon reden, sondern immer
nur von Schritt zu Schritt handeln wollen, das würde ich für ganz richtig
und sogar für die erste Bedingung des Erfolgs halten, und darin liegt auch
mein zweites Bedenken. Ob ich als ein kleiner Petroleummoltke einen Plan
leisten würde, der die absolute Sicherheit des Sieges schon in sich schlösse
oder nicht — Rockefeller hält am Ende die Grenzboten, und es ist mir ein
scheußlicher Gedanke, daß ich ihn vielleicht auf einen Fehler, auf einen schwachen
Punkt der Mauer, auf eine gefährliche Stellung in den Verteidigungslinien
erst aufmerksam machen könnte. Ich will mit einem Worte nicht für die
Nvckefellerei arbeiten, auch uicht während ich gegen sie schreibe.

Nur eins noch: Rockefeller steht trotz aller scheinbaren Macht auf thönernen
Füßen. Seine Stellung zwischen Produzenten und Konsumenten in Amerika
ist zu umgehen, die russische noch leichter. Er hat die Antipathien aller
Staaten. Deutschland würde russisches und amerikanisches Entgegenkommen


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[0632] Das Petroleum geschlagen, die Raffinirung des Rohpetroleums von Amerika nach Deutschland zu verpflanzen. Auch das halte ich für ganz unausführbar. Zunächst würde man Rockefeller nur einen Dienst leisten, wenn man so die noch übrig ge- bliebner Naffineure in Amerika vernichtete, und zweitens würden die in Deutschland errichteten Raffinerien in keiner Weise dem Kampfe gewachsen sein. Wenn sie auch durch einen genügend hohen Differentialzoll zwischen rohem und raffinirtem Petroleum gegen ausländisches, gegen drüben raffinirtes Petroleum kampffähig zu machen wären, so würde doch niemand die Standard Oil Compagnie verhindern können, selbst oder unter dem Namen von Stroh¬ männern Raffinerien in Deutschland zu errichten; mit ihrem Riesenkapital, mit einem großen Stäbe von Technikern und Chemikern ersten Ranges würde sie im Umsehen das deutsche Fabrikationsgeschäft in den Händen haben, und das wäre ein noch unleidlicherer Zustand als der jetzige. Und schließlich würde der Ausgang nur der sein, daß man einigen Besitzern von chemischen Fabriken eine gute Verwendung für ihre Anlagen verschaffte, sie würden einige Jahre arbeiten und dann klug genng sein, die ganze Geschichte mit Nutzen an Rockefellers Leute zu verkaufen. Nun erwartet man vielleicht die berühmten „positiven Vorschläge" von mir, und ich bekenne, daß ich mich schon dahintergesetzt hatte, einen genauen und ins einzelne gehenden Feldzugsplan auszuarbeiten. Aber ich habe zwei Be¬ denken gehabt: erstens sind da eine ganze Reihe Herren zur Lösung und Lei¬ tung von wirtschaftlichen und Handelsfragen berufen, die aus öffentlichen Mitteln dafür mit Hunderttausenden besoldet werden. Ich kann mir vor¬ stellen, daß es diese Herren anmaßend finden würden, wenn ich hier nicht nur meine bescheidne Meinung über die Natur dieser Dinge aussprechen, sondern nun gar zu einem Honorar von so und soviel für den Druckbogen das Vater¬ land retten wollte, während sie vielleicht selbst schon, von ihrem hohen Stand¬ punkte die Sache noch viel deutlicher, als ich es vermag, übersehend, das Nichtige längst gefunden haben. Daß sie nicht davon reden, sondern immer nur von Schritt zu Schritt handeln wollen, das würde ich für ganz richtig und sogar für die erste Bedingung des Erfolgs halten, und darin liegt auch mein zweites Bedenken. Ob ich als ein kleiner Petroleummoltke einen Plan leisten würde, der die absolute Sicherheit des Sieges schon in sich schlösse oder nicht — Rockefeller hält am Ende die Grenzboten, und es ist mir ein scheußlicher Gedanke, daß ich ihn vielleicht auf einen Fehler, auf einen schwachen Punkt der Mauer, auf eine gefährliche Stellung in den Verteidigungslinien erst aufmerksam machen könnte. Ich will mit einem Worte nicht für die Nvckefellerei arbeiten, auch uicht während ich gegen sie schreibe. Nur eins noch: Rockefeller steht trotz aller scheinbaren Macht auf thönernen Füßen. Seine Stellung zwischen Produzenten und Konsumenten in Amerika ist zu umgehen, die russische noch leichter. Er hat die Antipathien aller Staaten. Deutschland würde russisches und amerikanisches Entgegenkommen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/632>, abgerufen am 29.06.2024.