Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Petroleum

nur etwa Arbeiter, sondern hente noch "reiche" Produktionsmittelbesitzer, tech¬
nische Leiter, geistige Führer, Erfinder, ganze Staaten. Je rascher sich dieser
Prozeß der Weltversklavung vollzieht, um so mehr wird sich der Goldwert
erhöhen. Das Steigen des Goldwerts drückt sich aber einzig und allein im
Sinken der Warenpreise aus. Überall sehen wir alle Waren und Produkte
billiger und billiger werden zum Ruin der Erzeuger, und immer weniger von
diesen Gütern wird der Mehrzahl der Volksgenossen erreichbar. Damit will
ich diese etwas lang geratne Parenthese schließen.

Es würde also gegen seine innere Natur als eines großkapitalistischen
Gebildes sein, wenn der Petroleumtrust den Preis des Petroleums dauernd
sehr hoch setzte, bevor er des Weltmonopols so sicher ist, wie des Monopols
in Gold. Wenn es so weit käme, wenn die letzte Konkurrenz abgewürgt und
die pennsylvanischen und die russischen Quellen "erworben" würden, wenn
man damit die Gewißheit hätte, daß niemand auch sonst auf dieser Erde ohne
Bewilligung Nockefellers zu Produziren wagen konnte, dann würde allerdings
die Dauerhausse wie in Gold eintreten. Inzwischen wird mau eine neue Art
Spekulation großziehen, wie sie im Handel mit manchen "Werten" (den ver-
schiednen Erscheinungsformen des Goldes) zum großen Vergnügen der Hoch¬
finanz (der Goldmonopolisten) bereits besteht. Diese Spekulation hat mit
wirtschaftlichen Leistungen, mit dem Geschäft, nur noch die unantastbare Form
gemein. Man beginnt in Bremen, in Hamburg usw. bereits wieder in Pe¬
troleum zu spekuliren. Warum auch nicht? Der Artikel steigt und fällt ja
wieder häufig! Man weiß zwar, daß man völlig in Rvckefellers Händen ist,
man könnte ebenso gut darauf Schlüsse bauen, was jemand übermorgen träumen
wird, es ist unzweifelhaft, daß die Gesamtheit der Spekulanten, die aus
Symptomen zu erraten versuchen, was die Großen vorhaben, immer Geld
verlieren muß, denn das ist ja nunmehr der einzige Zweck der Einrichtung,
aber -- der einzelne kann doch gewinnen. Es ist eine Lotterie zu Gunsten
der Veranstalter, jeder der Spieler weiß, daß vou der Summe der Einsätze
soundsoviel verloren geht, hier nicht 15^, sondern manchmal über 100 Prozent,
aber jeder Spieler hofft, daß "die andern" die Verlierer sein werden. Man
wird das Petroleum einmal hübsch treiben, dann wieder fallen lassen und den
Artikel so mit Kippen und Wippen dazu verwenden, jährlich immer neue
Millionen Forderungskapital zu erzeugen, die dann in Grundbesitz oder in
allerlei Tributpapieren angelegt werden. Von Zeit zu Zeit werden die Tribnt-
ansprüche der kleinen Reichen in einer großen Razzia vernichtet. Wie es ge¬
macht wird, haben wir ja soeben an dem Goldminenkrach erlebt. Dadurch
wird dann wieder auf eine Weile Raum geschaffen, und immer mehr häufen
sich die Goldtitel in den Händen weniger Leute an, die man in hundert Jahren
wahrscheinlich an den Fingern wird herzählen können. Die Grenze wird ledig¬
lich da liegen, wo der Druck auf die ungeheure Mehrheit zu Gunsten einer
immer kleiner werdenden Minderheit völlig unerträglich wird. Das heißt in


Das Petroleum

nur etwa Arbeiter, sondern hente noch „reiche" Produktionsmittelbesitzer, tech¬
nische Leiter, geistige Führer, Erfinder, ganze Staaten. Je rascher sich dieser
Prozeß der Weltversklavung vollzieht, um so mehr wird sich der Goldwert
erhöhen. Das Steigen des Goldwerts drückt sich aber einzig und allein im
Sinken der Warenpreise aus. Überall sehen wir alle Waren und Produkte
billiger und billiger werden zum Ruin der Erzeuger, und immer weniger von
diesen Gütern wird der Mehrzahl der Volksgenossen erreichbar. Damit will
ich diese etwas lang geratne Parenthese schließen.

Es würde also gegen seine innere Natur als eines großkapitalistischen
Gebildes sein, wenn der Petroleumtrust den Preis des Petroleums dauernd
sehr hoch setzte, bevor er des Weltmonopols so sicher ist, wie des Monopols
in Gold. Wenn es so weit käme, wenn die letzte Konkurrenz abgewürgt und
die pennsylvanischen und die russischen Quellen „erworben" würden, wenn
man damit die Gewißheit hätte, daß niemand auch sonst auf dieser Erde ohne
Bewilligung Nockefellers zu Produziren wagen konnte, dann würde allerdings
die Dauerhausse wie in Gold eintreten. Inzwischen wird mau eine neue Art
Spekulation großziehen, wie sie im Handel mit manchen „Werten" (den ver-
schiednen Erscheinungsformen des Goldes) zum großen Vergnügen der Hoch¬
finanz (der Goldmonopolisten) bereits besteht. Diese Spekulation hat mit
wirtschaftlichen Leistungen, mit dem Geschäft, nur noch die unantastbare Form
gemein. Man beginnt in Bremen, in Hamburg usw. bereits wieder in Pe¬
troleum zu spekuliren. Warum auch nicht? Der Artikel steigt und fällt ja
wieder häufig! Man weiß zwar, daß man völlig in Rvckefellers Händen ist,
man könnte ebenso gut darauf Schlüsse bauen, was jemand übermorgen träumen
wird, es ist unzweifelhaft, daß die Gesamtheit der Spekulanten, die aus
Symptomen zu erraten versuchen, was die Großen vorhaben, immer Geld
verlieren muß, denn das ist ja nunmehr der einzige Zweck der Einrichtung,
aber — der einzelne kann doch gewinnen. Es ist eine Lotterie zu Gunsten
der Veranstalter, jeder der Spieler weiß, daß vou der Summe der Einsätze
soundsoviel verloren geht, hier nicht 15^, sondern manchmal über 100 Prozent,
aber jeder Spieler hofft, daß „die andern" die Verlierer sein werden. Man
wird das Petroleum einmal hübsch treiben, dann wieder fallen lassen und den
Artikel so mit Kippen und Wippen dazu verwenden, jährlich immer neue
Millionen Forderungskapital zu erzeugen, die dann in Grundbesitz oder in
allerlei Tributpapieren angelegt werden. Von Zeit zu Zeit werden die Tribnt-
ansprüche der kleinen Reichen in einer großen Razzia vernichtet. Wie es ge¬
macht wird, haben wir ja soeben an dem Goldminenkrach erlebt. Dadurch
wird dann wieder auf eine Weile Raum geschaffen, und immer mehr häufen
sich die Goldtitel in den Händen weniger Leute an, die man in hundert Jahren
wahrscheinlich an den Fingern wird herzählen können. Die Grenze wird ledig¬
lich da liegen, wo der Druck auf die ungeheure Mehrheit zu Gunsten einer
immer kleiner werdenden Minderheit völlig unerträglich wird. Das heißt in


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0628" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/221602"/>
          <fw type="header" place="top"> Das Petroleum</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2076" prev="#ID_2075"> nur etwa Arbeiter, sondern hente noch &#x201E;reiche" Produktionsmittelbesitzer, tech¬<lb/>
nische Leiter, geistige Führer, Erfinder, ganze Staaten. Je rascher sich dieser<lb/>
Prozeß der Weltversklavung vollzieht, um so mehr wird sich der Goldwert<lb/>
erhöhen. Das Steigen des Goldwerts drückt sich aber einzig und allein im<lb/>
Sinken der Warenpreise aus. Überall sehen wir alle Waren und Produkte<lb/>
billiger und billiger werden zum Ruin der Erzeuger, und immer weniger von<lb/>
diesen Gütern wird der Mehrzahl der Volksgenossen erreichbar. Damit will<lb/>
ich diese etwas lang geratne Parenthese schließen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2077" next="#ID_2078"> Es würde also gegen seine innere Natur als eines großkapitalistischen<lb/>
Gebildes sein, wenn der Petroleumtrust den Preis des Petroleums dauernd<lb/>
sehr hoch setzte, bevor er des Weltmonopols so sicher ist, wie des Monopols<lb/>
in Gold. Wenn es so weit käme, wenn die letzte Konkurrenz abgewürgt und<lb/>
die pennsylvanischen und die russischen Quellen &#x201E;erworben" würden, wenn<lb/>
man damit die Gewißheit hätte, daß niemand auch sonst auf dieser Erde ohne<lb/>
Bewilligung Nockefellers zu Produziren wagen konnte, dann würde allerdings<lb/>
die Dauerhausse wie in Gold eintreten. Inzwischen wird mau eine neue Art<lb/>
Spekulation großziehen, wie sie im Handel mit manchen &#x201E;Werten" (den ver-<lb/>
schiednen Erscheinungsformen des Goldes) zum großen Vergnügen der Hoch¬<lb/>
finanz (der Goldmonopolisten) bereits besteht. Diese Spekulation hat mit<lb/>
wirtschaftlichen Leistungen, mit dem Geschäft, nur noch die unantastbare Form<lb/>
gemein. Man beginnt in Bremen, in Hamburg usw. bereits wieder in Pe¬<lb/>
troleum zu spekuliren. Warum auch nicht? Der Artikel steigt und fällt ja<lb/>
wieder häufig! Man weiß zwar, daß man völlig in Rvckefellers Händen ist,<lb/>
man könnte ebenso gut darauf Schlüsse bauen, was jemand übermorgen träumen<lb/>
wird, es ist unzweifelhaft, daß die Gesamtheit der Spekulanten, die aus<lb/>
Symptomen zu erraten versuchen, was die Großen vorhaben, immer Geld<lb/>
verlieren muß, denn das ist ja nunmehr der einzige Zweck der Einrichtung,<lb/>
aber &#x2014; der einzelne kann doch gewinnen. Es ist eine Lotterie zu Gunsten<lb/>
der Veranstalter, jeder der Spieler weiß, daß vou der Summe der Einsätze<lb/>
soundsoviel verloren geht, hier nicht 15^, sondern manchmal über 100 Prozent,<lb/>
aber jeder Spieler hofft, daß &#x201E;die andern" die Verlierer sein werden. Man<lb/>
wird das Petroleum einmal hübsch treiben, dann wieder fallen lassen und den<lb/>
Artikel so mit Kippen und Wippen dazu verwenden, jährlich immer neue<lb/>
Millionen Forderungskapital zu erzeugen, die dann in Grundbesitz oder in<lb/>
allerlei Tributpapieren angelegt werden. Von Zeit zu Zeit werden die Tribnt-<lb/>
ansprüche der kleinen Reichen in einer großen Razzia vernichtet. Wie es ge¬<lb/>
macht wird, haben wir ja soeben an dem Goldminenkrach erlebt. Dadurch<lb/>
wird dann wieder auf eine Weile Raum geschaffen, und immer mehr häufen<lb/>
sich die Goldtitel in den Händen weniger Leute an, die man in hundert Jahren<lb/>
wahrscheinlich an den Fingern wird herzählen können. Die Grenze wird ledig¬<lb/>
lich da liegen, wo der Druck auf die ungeheure Mehrheit zu Gunsten einer<lb/>
immer kleiner werdenden Minderheit völlig unerträglich wird.  Das heißt in</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0628] Das Petroleum nur etwa Arbeiter, sondern hente noch „reiche" Produktionsmittelbesitzer, tech¬ nische Leiter, geistige Führer, Erfinder, ganze Staaten. Je rascher sich dieser Prozeß der Weltversklavung vollzieht, um so mehr wird sich der Goldwert erhöhen. Das Steigen des Goldwerts drückt sich aber einzig und allein im Sinken der Warenpreise aus. Überall sehen wir alle Waren und Produkte billiger und billiger werden zum Ruin der Erzeuger, und immer weniger von diesen Gütern wird der Mehrzahl der Volksgenossen erreichbar. Damit will ich diese etwas lang geratne Parenthese schließen. Es würde also gegen seine innere Natur als eines großkapitalistischen Gebildes sein, wenn der Petroleumtrust den Preis des Petroleums dauernd sehr hoch setzte, bevor er des Weltmonopols so sicher ist, wie des Monopols in Gold. Wenn es so weit käme, wenn die letzte Konkurrenz abgewürgt und die pennsylvanischen und die russischen Quellen „erworben" würden, wenn man damit die Gewißheit hätte, daß niemand auch sonst auf dieser Erde ohne Bewilligung Nockefellers zu Produziren wagen konnte, dann würde allerdings die Dauerhausse wie in Gold eintreten. Inzwischen wird mau eine neue Art Spekulation großziehen, wie sie im Handel mit manchen „Werten" (den ver- schiednen Erscheinungsformen des Goldes) zum großen Vergnügen der Hoch¬ finanz (der Goldmonopolisten) bereits besteht. Diese Spekulation hat mit wirtschaftlichen Leistungen, mit dem Geschäft, nur noch die unantastbare Form gemein. Man beginnt in Bremen, in Hamburg usw. bereits wieder in Pe¬ troleum zu spekuliren. Warum auch nicht? Der Artikel steigt und fällt ja wieder häufig! Man weiß zwar, daß man völlig in Rvckefellers Händen ist, man könnte ebenso gut darauf Schlüsse bauen, was jemand übermorgen träumen wird, es ist unzweifelhaft, daß die Gesamtheit der Spekulanten, die aus Symptomen zu erraten versuchen, was die Großen vorhaben, immer Geld verlieren muß, denn das ist ja nunmehr der einzige Zweck der Einrichtung, aber — der einzelne kann doch gewinnen. Es ist eine Lotterie zu Gunsten der Veranstalter, jeder der Spieler weiß, daß vou der Summe der Einsätze soundsoviel verloren geht, hier nicht 15^, sondern manchmal über 100 Prozent, aber jeder Spieler hofft, daß „die andern" die Verlierer sein werden. Man wird das Petroleum einmal hübsch treiben, dann wieder fallen lassen und den Artikel so mit Kippen und Wippen dazu verwenden, jährlich immer neue Millionen Forderungskapital zu erzeugen, die dann in Grundbesitz oder in allerlei Tributpapieren angelegt werden. Von Zeit zu Zeit werden die Tribnt- ansprüche der kleinen Reichen in einer großen Razzia vernichtet. Wie es ge¬ macht wird, haben wir ja soeben an dem Goldminenkrach erlebt. Dadurch wird dann wieder auf eine Weile Raum geschaffen, und immer mehr häufen sich die Goldtitel in den Händen weniger Leute an, die man in hundert Jahren wahrscheinlich an den Fingern wird herzählen können. Die Grenze wird ledig¬ lich da liegen, wo der Druck auf die ungeheure Mehrheit zu Gunsten einer immer kleiner werdenden Minderheit völlig unerträglich wird. Das heißt in

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/628
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/628>, abgerufen am 04.07.2024.