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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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Das peirolemn

die Herren klug genug sein werden, unnötiges Aufsehen möglichst zu vermeiden.
Rockefeller selbst würde allerdings wahrscheinlich keine Rücksicht darauf nehmen,
denn ein beschränkter Kopf hat brutale Neigungen, er würde uns vielleicht für
ein oder mehrere Jahre Preiserhöhungen bis aus vierzig Mark bescheren. Erst
bei diesen Preisen würden andre Beleuchtungsmittel ernstlich in Frage kommen,
denn man kann doch nicht in jedem Nest eine Gasanstalt oder kostspielige
Elektrizitütswerke bauen auf die Gefahr hin, daß Rockefeller, gerade wenn sie
fertig sind, drüben zur Abwechslung auf Rossi drückt, bis er raffinirtes Pe¬
troleum wieder mit Nutzen zu fünf Mark verkaufen kann. Aber, wie gesagt,
daran glaube ich fürs erste nicht, denn die Rothschilde sind klüger, sie haben
auch aus alter Erberinnerung eine gewisse Scheu davor, sich dem allgemeinen
Volkshaß auszusetzen. Sie werden den Acmkee belehrt haben, daß man das
ja gar nicht nötig habe, daß man viel besser thue, die Preise hübsch hinauf
und hinunter zu setzen, so wie mans gerade braucht, sie werden ihm vor¬
gerechnet haben, daß das viel besser lohne, und daß man es ganz beliebig
fortsetzen könne, weil man bei diesem Hin und Her nie an einer Grenze an¬
komme, und sie werden ihn eingeweiht haben in ihr großes Mysterium, an
das sie felsenfest glauben: daß die Völker zu dumm seien, auch nur zu merken,
was vor sich gehe, und daß es unfehlbar noch völlig gelingen werde, alle
Bewohner der Erde in Steuer und Zinsfrohne zu knechten, die Könige aber zu
mäßig bezahlten territorialen Sklavenaufsehern herabzuwürdigen, die bereit
stehen, auf einen Wink den Heloten mit gewappneter Faust niederzuschmettern,
der gegen die Herren der Welt Widerstand plant.

So ist denn das Petroleum im Laufe des Sommers "heruntergegangen"
von zwölf bis auf ungefähr sechs Mark für den unverzollten Zentner in
Bremen oder Hamburg. Daß die Petroleure in der Baisse ebenso gut ver¬
dient haben wie in der Hauffe, wäre ohne weiteres selbstverständlich. Aber
es kommt noch etwas hinzu, wodurch sie sich diese Beruhiguugsbaisse besonders
fruchtbringend gemacht haben. Hätte es in kleinem Umfange irgend ein Krämer
ausgeführt, so Hütte man ihn einfach eingesteckt.

Das große amerikanische Ölgebiet zieht sich vom Nordwesten Penn-
shlvcmiens, da, wo es an den Staat Newyork grenzt, an der Westgrenze ent¬
lang bis nach dem Südostrande des Staates Ohio und dem äußersten Nord¬
westzipfel Virginiens. Hier sitzen die UrProduzenten, die Qnellenbesitzer, denen
Rockefeller zum größten Teil wohlweislich ihre "Freiheit" gelassen hat. Sie
müssen fast alle -- neun Zehntel von ihnen -- ihr Ol an ihn verkaufen, und
zwar zu Preisen, die ihm belieben, denn die Rohölpreise stehen zwar immer
in einem gewissen Verhältnis zu dem Werte der raffinirten Ware, den Preis
dafür bestimmt aber eben Rockefeller, und er schröpft so abwechselnd die Kon¬
sumenten und die Rohölproduzenten.

Von diesem alten Ölgebiet aber ganz getrennt liegt um den Ort Lima
herum im Nordwesten des Staates Ohio ein neu entdecktes. Diese Lima-


Das peirolemn

die Herren klug genug sein werden, unnötiges Aufsehen möglichst zu vermeiden.
Rockefeller selbst würde allerdings wahrscheinlich keine Rücksicht darauf nehmen,
denn ein beschränkter Kopf hat brutale Neigungen, er würde uns vielleicht für
ein oder mehrere Jahre Preiserhöhungen bis aus vierzig Mark bescheren. Erst
bei diesen Preisen würden andre Beleuchtungsmittel ernstlich in Frage kommen,
denn man kann doch nicht in jedem Nest eine Gasanstalt oder kostspielige
Elektrizitütswerke bauen auf die Gefahr hin, daß Rockefeller, gerade wenn sie
fertig sind, drüben zur Abwechslung auf Rossi drückt, bis er raffinirtes Pe¬
troleum wieder mit Nutzen zu fünf Mark verkaufen kann. Aber, wie gesagt,
daran glaube ich fürs erste nicht, denn die Rothschilde sind klüger, sie haben
auch aus alter Erberinnerung eine gewisse Scheu davor, sich dem allgemeinen
Volkshaß auszusetzen. Sie werden den Acmkee belehrt haben, daß man das
ja gar nicht nötig habe, daß man viel besser thue, die Preise hübsch hinauf
und hinunter zu setzen, so wie mans gerade braucht, sie werden ihm vor¬
gerechnet haben, daß das viel besser lohne, und daß man es ganz beliebig
fortsetzen könne, weil man bei diesem Hin und Her nie an einer Grenze an¬
komme, und sie werden ihn eingeweiht haben in ihr großes Mysterium, an
das sie felsenfest glauben: daß die Völker zu dumm seien, auch nur zu merken,
was vor sich gehe, und daß es unfehlbar noch völlig gelingen werde, alle
Bewohner der Erde in Steuer und Zinsfrohne zu knechten, die Könige aber zu
mäßig bezahlten territorialen Sklavenaufsehern herabzuwürdigen, die bereit
stehen, auf einen Wink den Heloten mit gewappneter Faust niederzuschmettern,
der gegen die Herren der Welt Widerstand plant.

So ist denn das Petroleum im Laufe des Sommers „heruntergegangen"
von zwölf bis auf ungefähr sechs Mark für den unverzollten Zentner in
Bremen oder Hamburg. Daß die Petroleure in der Baisse ebenso gut ver¬
dient haben wie in der Hauffe, wäre ohne weiteres selbstverständlich. Aber
es kommt noch etwas hinzu, wodurch sie sich diese Beruhiguugsbaisse besonders
fruchtbringend gemacht haben. Hätte es in kleinem Umfange irgend ein Krämer
ausgeführt, so Hütte man ihn einfach eingesteckt.

Das große amerikanische Ölgebiet zieht sich vom Nordwesten Penn-
shlvcmiens, da, wo es an den Staat Newyork grenzt, an der Westgrenze ent¬
lang bis nach dem Südostrande des Staates Ohio und dem äußersten Nord¬
westzipfel Virginiens. Hier sitzen die UrProduzenten, die Qnellenbesitzer, denen
Rockefeller zum größten Teil wohlweislich ihre „Freiheit" gelassen hat. Sie
müssen fast alle — neun Zehntel von ihnen — ihr Ol an ihn verkaufen, und
zwar zu Preisen, die ihm belieben, denn die Rohölpreise stehen zwar immer
in einem gewissen Verhältnis zu dem Werte der raffinirten Ware, den Preis
dafür bestimmt aber eben Rockefeller, und er schröpft so abwechselnd die Kon¬
sumenten und die Rohölproduzenten.

Von diesem alten Ölgebiet aber ganz getrennt liegt um den Ort Lima
herum im Nordwesten des Staates Ohio ein neu entdecktes. Diese Lima-


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[0621] Das peirolemn die Herren klug genug sein werden, unnötiges Aufsehen möglichst zu vermeiden. Rockefeller selbst würde allerdings wahrscheinlich keine Rücksicht darauf nehmen, denn ein beschränkter Kopf hat brutale Neigungen, er würde uns vielleicht für ein oder mehrere Jahre Preiserhöhungen bis aus vierzig Mark bescheren. Erst bei diesen Preisen würden andre Beleuchtungsmittel ernstlich in Frage kommen, denn man kann doch nicht in jedem Nest eine Gasanstalt oder kostspielige Elektrizitütswerke bauen auf die Gefahr hin, daß Rockefeller, gerade wenn sie fertig sind, drüben zur Abwechslung auf Rossi drückt, bis er raffinirtes Pe¬ troleum wieder mit Nutzen zu fünf Mark verkaufen kann. Aber, wie gesagt, daran glaube ich fürs erste nicht, denn die Rothschilde sind klüger, sie haben auch aus alter Erberinnerung eine gewisse Scheu davor, sich dem allgemeinen Volkshaß auszusetzen. Sie werden den Acmkee belehrt haben, daß man das ja gar nicht nötig habe, daß man viel besser thue, die Preise hübsch hinauf und hinunter zu setzen, so wie mans gerade braucht, sie werden ihm vor¬ gerechnet haben, daß das viel besser lohne, und daß man es ganz beliebig fortsetzen könne, weil man bei diesem Hin und Her nie an einer Grenze an¬ komme, und sie werden ihn eingeweiht haben in ihr großes Mysterium, an das sie felsenfest glauben: daß die Völker zu dumm seien, auch nur zu merken, was vor sich gehe, und daß es unfehlbar noch völlig gelingen werde, alle Bewohner der Erde in Steuer und Zinsfrohne zu knechten, die Könige aber zu mäßig bezahlten territorialen Sklavenaufsehern herabzuwürdigen, die bereit stehen, auf einen Wink den Heloten mit gewappneter Faust niederzuschmettern, der gegen die Herren der Welt Widerstand plant. So ist denn das Petroleum im Laufe des Sommers „heruntergegangen" von zwölf bis auf ungefähr sechs Mark für den unverzollten Zentner in Bremen oder Hamburg. Daß die Petroleure in der Baisse ebenso gut ver¬ dient haben wie in der Hauffe, wäre ohne weiteres selbstverständlich. Aber es kommt noch etwas hinzu, wodurch sie sich diese Beruhiguugsbaisse besonders fruchtbringend gemacht haben. Hätte es in kleinem Umfange irgend ein Krämer ausgeführt, so Hütte man ihn einfach eingesteckt. Das große amerikanische Ölgebiet zieht sich vom Nordwesten Penn- shlvcmiens, da, wo es an den Staat Newyork grenzt, an der Westgrenze ent¬ lang bis nach dem Südostrande des Staates Ohio und dem äußersten Nord¬ westzipfel Virginiens. Hier sitzen die UrProduzenten, die Qnellenbesitzer, denen Rockefeller zum größten Teil wohlweislich ihre „Freiheit" gelassen hat. Sie müssen fast alle — neun Zehntel von ihnen — ihr Ol an ihn verkaufen, und zwar zu Preisen, die ihm belieben, denn die Rohölpreise stehen zwar immer in einem gewissen Verhältnis zu dem Werte der raffinirten Ware, den Preis dafür bestimmt aber eben Rockefeller, und er schröpft so abwechselnd die Kon¬ sumenten und die Rohölproduzenten. Von diesem alten Ölgebiet aber ganz getrennt liegt um den Ort Lima herum im Nordwesten des Staates Ohio ein neu entdecktes. Diese Lima-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/621>, abgerufen am 24.07.2024.