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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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Das Petroleum

selber gehören Rockefeller, und mit diesem Öl ist es ihm ganz eigentümlich er¬
gangen. Als er die Hand darauflegte, um Pennsylvanien, das hoffnungsvoll
aus den steigenden Weltverbrauch und die beschränkte Produktion seiner Quellen
sah, mit dem neuen Öl sicher weiter knebeln zu können, nahm er an, daß sich
daraus ein ebenso gutes Leuchtöl werde raffiniren lassen, als aus dem Rohöle
der schon bekannten Gebiete. Aber darin hat er sich getäuscht, die daraus
hergestellte Ware hat nämlich ganz merkwürdige Eigenschaften: es sieht wunder¬
voll aus, geradezu verführerisch hell, viel "weißer" als das alte pennsyl-
vanische Standard white, das immer noch einen gewissen gelblichen Schimmer
hat, es ist völlig farblos, man sieht hindurch wie durch das feinste Luxusöl
pennsylvanischer Abstammung, im Reflex hat es in wundervollster Weise jenen
bläulichen Schimmer, den man immer für ein Zeichen sehr hoher Reinheit
gehalten hat, es hat auch einen sehr hohen Entflammnngspunkt, kurz alle
Eigenschaften eines ganz vorzüglichen Petroleums, aber -- es leuchtet nicht.
Es leuchtet nicht, weil man gewisse chemische Beimischungen, in der Haupt¬
sache Schwefel, nicht daraus zu entfernen vermag.

Nachdem das einmal festgestellt war und nachdem alle Bemühungen fehl¬
geschlagen waren, ein wirkliches Leuchtpetroleum daraus zu machen, wurde
das Limaöl nur zum Heizen und zur Fabrikation von Ölgasen verwendet, vom
Handel aber ausgeschlossen. Nach unserm deutscheu Neichsgesetz hätte es in
Deutschland zwar ruhig eingeführt werden dürfen, denn wir haben leider nur
eine Vorschrift, die den Entflammungspunkt bestimmt, aber keine Kontrolle der
Lichtstärke, wie sie z. B. England hat. Rockefeller hat natürlich auch versucht,
den deutschen Importeuren das Öl erst rein, dann in Beimischungen aufzu¬
hängen, aber die Sache machte doch sehr viel Lärm, und um den Handel
zu beruhigen, mußte es sich die Standard Oil Compagnie gefallen lassen,
daß in Paragrcch 35 der Rulss ok leis UsvyorK xroäuos exotiMAö die Be¬
stimmung aufgenommen wurde: Raffinirtes Petroleum, hergestellt aus Rossi
des unter dem Namen Lima bekannten Gebietes, oder Öl, hergestellt aus
Rossi ähnlicher Beschaffenheit oder Art, soll ausgeschlossen sein. Zwar hat
Rockefeller auch nachher noch seinem für Deutschland bestimmten Export¬
petroleum "Limaöl" beigemischt. Aber das war gewöhnlicher verfolgbarer
Betrug und also unbequem; es waren auch allerlei Schliche nötig, es mußte
durch eine Pipeline gepumpt werden, die für Rüböl bestimmt war usw. Man
mußte vorsichtig sein, und es war für die große Menge des wertlosen Zeugs
immerhin kein genügender Absatz zu schaffen. Aber inzwischen ist Rockefeller
ja weiter erstarkt, und so hat er es denn im Laufe dieses Sommers durch¬
gesetzt, daß jener Paragraph 35 des Börsenregulativs gestrichen worden ist.

Die Baisse dieses Sommers sieht nun so aus: vom Herbst 1894 bis zum
März und April 1895 treibt Rockefeller die Preise um weit über hundert
Prozent. Ende April kostete raffinirtes Petroleum etwa zwölf Mark für fünfzig
Kilo unverzollt in Bremen und Hamburg (bei einem Rohölpreise -- oruäs


Das Petroleum

selber gehören Rockefeller, und mit diesem Öl ist es ihm ganz eigentümlich er¬
gangen. Als er die Hand darauflegte, um Pennsylvanien, das hoffnungsvoll
aus den steigenden Weltverbrauch und die beschränkte Produktion seiner Quellen
sah, mit dem neuen Öl sicher weiter knebeln zu können, nahm er an, daß sich
daraus ein ebenso gutes Leuchtöl werde raffiniren lassen, als aus dem Rohöle
der schon bekannten Gebiete. Aber darin hat er sich getäuscht, die daraus
hergestellte Ware hat nämlich ganz merkwürdige Eigenschaften: es sieht wunder¬
voll aus, geradezu verführerisch hell, viel „weißer" als das alte pennsyl-
vanische Standard white, das immer noch einen gewissen gelblichen Schimmer
hat, es ist völlig farblos, man sieht hindurch wie durch das feinste Luxusöl
pennsylvanischer Abstammung, im Reflex hat es in wundervollster Weise jenen
bläulichen Schimmer, den man immer für ein Zeichen sehr hoher Reinheit
gehalten hat, es hat auch einen sehr hohen Entflammnngspunkt, kurz alle
Eigenschaften eines ganz vorzüglichen Petroleums, aber — es leuchtet nicht.
Es leuchtet nicht, weil man gewisse chemische Beimischungen, in der Haupt¬
sache Schwefel, nicht daraus zu entfernen vermag.

Nachdem das einmal festgestellt war und nachdem alle Bemühungen fehl¬
geschlagen waren, ein wirkliches Leuchtpetroleum daraus zu machen, wurde
das Limaöl nur zum Heizen und zur Fabrikation von Ölgasen verwendet, vom
Handel aber ausgeschlossen. Nach unserm deutscheu Neichsgesetz hätte es in
Deutschland zwar ruhig eingeführt werden dürfen, denn wir haben leider nur
eine Vorschrift, die den Entflammungspunkt bestimmt, aber keine Kontrolle der
Lichtstärke, wie sie z. B. England hat. Rockefeller hat natürlich auch versucht,
den deutschen Importeuren das Öl erst rein, dann in Beimischungen aufzu¬
hängen, aber die Sache machte doch sehr viel Lärm, und um den Handel
zu beruhigen, mußte es sich die Standard Oil Compagnie gefallen lassen,
daß in Paragrcch 35 der Rulss ok leis UsvyorK xroäuos exotiMAö die Be¬
stimmung aufgenommen wurde: Raffinirtes Petroleum, hergestellt aus Rossi
des unter dem Namen Lima bekannten Gebietes, oder Öl, hergestellt aus
Rossi ähnlicher Beschaffenheit oder Art, soll ausgeschlossen sein. Zwar hat
Rockefeller auch nachher noch seinem für Deutschland bestimmten Export¬
petroleum „Limaöl" beigemischt. Aber das war gewöhnlicher verfolgbarer
Betrug und also unbequem; es waren auch allerlei Schliche nötig, es mußte
durch eine Pipeline gepumpt werden, die für Rüböl bestimmt war usw. Man
mußte vorsichtig sein, und es war für die große Menge des wertlosen Zeugs
immerhin kein genügender Absatz zu schaffen. Aber inzwischen ist Rockefeller
ja weiter erstarkt, und so hat er es denn im Laufe dieses Sommers durch¬
gesetzt, daß jener Paragraph 35 des Börsenregulativs gestrichen worden ist.

Die Baisse dieses Sommers sieht nun so aus: vom Herbst 1894 bis zum
März und April 1895 treibt Rockefeller die Preise um weit über hundert
Prozent. Ende April kostete raffinirtes Petroleum etwa zwölf Mark für fünfzig
Kilo unverzollt in Bremen und Hamburg (bei einem Rohölpreise — oruäs


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/622>, abgerufen am 24.07.2024.