Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Petroleum

oberung Europas zu denken. Er ging gleichzeitig in zwei Richtungen vor,
erstens gegen die Platzhändler und Spekulanten der europäischen Häfen und
zweitens gegen die sich um diese Zeit erhebende russische Petroleumindustrie.

Die kaspischen Petroleumlager sind Jahrtausende alt. Babylon ist erbaut
mit einem Mörtel, der aus Petroleumasphalt hergestellt wurde. Als es
Alexander eroberte, ergossen sich Ströme brennenden Petroleums durch die
Straßen. Es ist auch lange Zeit in Asien Handelsartikel gewesen. Der Brenn¬
stoff war aber in außerordentlich einfacher Weise gewonnen worden, und erst
der Vorgang Amerikas hatte einen unternehmenden Mann, den Schweden nobel,
veranlaßt, die Gewinnung, die Naffinirung und den Transport in großem
Maßstabe zu betreiben. Anfang der achtziger Jahre trat zuerst in Bremen,
Hamburg usw. russisches Petroleum in den Gesichtskreis des Großhandels,
man sah einen künftigen Mitbewerber und Gegner der Amerikaner.

Aber damals schon wurde Rothschild von Rockefeller beauftragt, sich in
das russische Petroleumgeschäft einzuschleichen. Die Rothschilde gründeten die
Gesellschaft "mit dem langen Namen," wie man in Baku sagte: is, svviötv
iuion^ing von,in<zr<zia,1ö se inciustriolls as naxlitv v^svienno as Lacon. Sie
fing ganz bescheiden an: mit fünfundzwanzig Millionen Franks wurde sie ge-
gründet. Denn bekam sie nach und nach die Raffiueure einen nach den andern,
namentlich durch Vorschüsse, in die Hand und wucherte sie aus. Als die
transkankasische Bahn fertig war, warf sie sich nach amerikanischem Vorgange
auch auf die Beförderung und betrieb ihre Politik namentlich mit den Tank¬
wagen in der Weise, daß sie sich dieser Beförderungsmittel zu bemächtigen
suchte. Um dem zu begegnen, ernannte die russische Regierung einen Tant-
wagenausschuß. Die Bahn auf der einen und die Petroleuminteresseuteu auf
der andern Seite wählten ihrerseits eine Reihe von Vertretern, und Aufgabe
dieses Kollegiums war es, den einzelnen Unternehmungen ihren Anteil an der
Ölbefrcichtung zuzumessen. Rothschild war von Rockefeller natürlich mit guten
Instrumenten versehen. Alle die Unternehmer, die er in der einen oder andern
Form "finnnzirt" hatte, mußten soviel Tankwagen verlangen, als irgend ge¬
rechtfertigt war. und ihr Anrecht an Rothschild verkaufen. Kleinern Produ¬
zenten nahm Rothschild überhaupt nur unter der Bedingung Ol ab, daß sie
ihm ihren Anspruch auf Tankwagen vorher übertrugen. So erlangte er nach
und nach die Verfügung über den größten Teil der Beförderungsmittel damit
das Verfrachtungsmonopol, und dadurch wieder ein Mittel, die Preise nach
Belieben schwanken zu lassen. Er hatte es schließlich in der Hand, durch eine
förmliche Frachtsperre den Preiswiderstand jedes Produzenten zu brechen. Die
Leute mußten zu den Preisen verkaufen, die Rothschild vorschrieb. Dasselbe
Mittel wurde manchmal auch uach der andern Seite verwendet, indem man
konkurrirenden Händlern, von denen man durch "gute Informationen" wußte,
daß sie in Baku bedeutende Lieferungen für einen bestimmten Monat abge-


Das Petroleum

oberung Europas zu denken. Er ging gleichzeitig in zwei Richtungen vor,
erstens gegen die Platzhändler und Spekulanten der europäischen Häfen und
zweitens gegen die sich um diese Zeit erhebende russische Petroleumindustrie.

Die kaspischen Petroleumlager sind Jahrtausende alt. Babylon ist erbaut
mit einem Mörtel, der aus Petroleumasphalt hergestellt wurde. Als es
Alexander eroberte, ergossen sich Ströme brennenden Petroleums durch die
Straßen. Es ist auch lange Zeit in Asien Handelsartikel gewesen. Der Brenn¬
stoff war aber in außerordentlich einfacher Weise gewonnen worden, und erst
der Vorgang Amerikas hatte einen unternehmenden Mann, den Schweden nobel,
veranlaßt, die Gewinnung, die Naffinirung und den Transport in großem
Maßstabe zu betreiben. Anfang der achtziger Jahre trat zuerst in Bremen,
Hamburg usw. russisches Petroleum in den Gesichtskreis des Großhandels,
man sah einen künftigen Mitbewerber und Gegner der Amerikaner.

Aber damals schon wurde Rothschild von Rockefeller beauftragt, sich in
das russische Petroleumgeschäft einzuschleichen. Die Rothschilde gründeten die
Gesellschaft „mit dem langen Namen," wie man in Baku sagte: is, svviötv
iuion^ing von,in<zr<zia,1ö se inciustriolls as naxlitv v^svienno as Lacon. Sie
fing ganz bescheiden an: mit fünfundzwanzig Millionen Franks wurde sie ge-
gründet. Denn bekam sie nach und nach die Raffiueure einen nach den andern,
namentlich durch Vorschüsse, in die Hand und wucherte sie aus. Als die
transkankasische Bahn fertig war, warf sie sich nach amerikanischem Vorgange
auch auf die Beförderung und betrieb ihre Politik namentlich mit den Tank¬
wagen in der Weise, daß sie sich dieser Beförderungsmittel zu bemächtigen
suchte. Um dem zu begegnen, ernannte die russische Regierung einen Tant-
wagenausschuß. Die Bahn auf der einen und die Petroleuminteresseuteu auf
der andern Seite wählten ihrerseits eine Reihe von Vertretern, und Aufgabe
dieses Kollegiums war es, den einzelnen Unternehmungen ihren Anteil an der
Ölbefrcichtung zuzumessen. Rothschild war von Rockefeller natürlich mit guten
Instrumenten versehen. Alle die Unternehmer, die er in der einen oder andern
Form „finnnzirt" hatte, mußten soviel Tankwagen verlangen, als irgend ge¬
rechtfertigt war. und ihr Anrecht an Rothschild verkaufen. Kleinern Produ¬
zenten nahm Rothschild überhaupt nur unter der Bedingung Ol ab, daß sie
ihm ihren Anspruch auf Tankwagen vorher übertrugen. So erlangte er nach
und nach die Verfügung über den größten Teil der Beförderungsmittel damit
das Verfrachtungsmonopol, und dadurch wieder ein Mittel, die Preise nach
Belieben schwanken zu lassen. Er hatte es schließlich in der Hand, durch eine
förmliche Frachtsperre den Preiswiderstand jedes Produzenten zu brechen. Die
Leute mußten zu den Preisen verkaufen, die Rothschild vorschrieb. Dasselbe
Mittel wurde manchmal auch uach der andern Seite verwendet, indem man
konkurrirenden Händlern, von denen man durch „gute Informationen" wußte,
daß sie in Baku bedeutende Lieferungen für einen bestimmten Monat abge-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0574" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/221548"/>
          <fw type="header" place="top"> Das Petroleum</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1890" prev="#ID_1889"> oberung Europas zu denken. Er ging gleichzeitig in zwei Richtungen vor,<lb/>
erstens gegen die Platzhändler und Spekulanten der europäischen Häfen und<lb/>
zweitens gegen die sich um diese Zeit erhebende russische Petroleumindustrie.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1891"> Die kaspischen Petroleumlager sind Jahrtausende alt. Babylon ist erbaut<lb/>
mit einem Mörtel, der aus Petroleumasphalt hergestellt wurde. Als es<lb/>
Alexander eroberte, ergossen sich Ströme brennenden Petroleums durch die<lb/>
Straßen. Es ist auch lange Zeit in Asien Handelsartikel gewesen. Der Brenn¬<lb/>
stoff war aber in außerordentlich einfacher Weise gewonnen worden, und erst<lb/>
der Vorgang Amerikas hatte einen unternehmenden Mann, den Schweden nobel,<lb/>
veranlaßt, die Gewinnung, die Naffinirung und den Transport in großem<lb/>
Maßstabe zu betreiben. Anfang der achtziger Jahre trat zuerst in Bremen,<lb/>
Hamburg usw. russisches Petroleum in den Gesichtskreis des Großhandels,<lb/>
man sah einen künftigen Mitbewerber und Gegner der Amerikaner.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1892" next="#ID_1893"> Aber damals schon wurde Rothschild von Rockefeller beauftragt, sich in<lb/>
das russische Petroleumgeschäft einzuschleichen. Die Rothschilde gründeten die<lb/>
Gesellschaft &#x201E;mit dem langen Namen," wie man in Baku sagte: is, svviötv<lb/>
iuion^ing von,in&lt;zr&lt;zia,1ö se inciustriolls as naxlitv v^svienno as Lacon. Sie<lb/>
fing ganz bescheiden an: mit fünfundzwanzig Millionen Franks wurde sie ge-<lb/>
gründet. Denn bekam sie nach und nach die Raffiueure einen nach den andern,<lb/>
namentlich durch Vorschüsse, in die Hand und wucherte sie aus. Als die<lb/>
transkankasische Bahn fertig war, warf sie sich nach amerikanischem Vorgange<lb/>
auch auf die Beförderung und betrieb ihre Politik namentlich mit den Tank¬<lb/>
wagen in der Weise, daß sie sich dieser Beförderungsmittel zu bemächtigen<lb/>
suchte. Um dem zu begegnen, ernannte die russische Regierung einen Tant-<lb/>
wagenausschuß. Die Bahn auf der einen und die Petroleuminteresseuteu auf<lb/>
der andern Seite wählten ihrerseits eine Reihe von Vertretern, und Aufgabe<lb/>
dieses Kollegiums war es, den einzelnen Unternehmungen ihren Anteil an der<lb/>
Ölbefrcichtung zuzumessen. Rothschild war von Rockefeller natürlich mit guten<lb/>
Instrumenten versehen. Alle die Unternehmer, die er in der einen oder andern<lb/>
Form &#x201E;finnnzirt" hatte, mußten soviel Tankwagen verlangen, als irgend ge¬<lb/>
rechtfertigt war. und ihr Anrecht an Rothschild verkaufen. Kleinern Produ¬<lb/>
zenten nahm Rothschild überhaupt nur unter der Bedingung Ol ab, daß sie<lb/>
ihm ihren Anspruch auf Tankwagen vorher übertrugen. So erlangte er nach<lb/>
und nach die Verfügung über den größten Teil der Beförderungsmittel damit<lb/>
das Verfrachtungsmonopol, und dadurch wieder ein Mittel, die Preise nach<lb/>
Belieben schwanken zu lassen. Er hatte es schließlich in der Hand, durch eine<lb/>
förmliche Frachtsperre den Preiswiderstand jedes Produzenten zu brechen. Die<lb/>
Leute mußten zu den Preisen verkaufen, die Rothschild vorschrieb. Dasselbe<lb/>
Mittel wurde manchmal auch uach der andern Seite verwendet, indem man<lb/>
konkurrirenden Händlern, von denen man durch &#x201E;gute Informationen" wußte,<lb/>
daß sie in Baku bedeutende Lieferungen für einen bestimmten Monat abge-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0574] Das Petroleum oberung Europas zu denken. Er ging gleichzeitig in zwei Richtungen vor, erstens gegen die Platzhändler und Spekulanten der europäischen Häfen und zweitens gegen die sich um diese Zeit erhebende russische Petroleumindustrie. Die kaspischen Petroleumlager sind Jahrtausende alt. Babylon ist erbaut mit einem Mörtel, der aus Petroleumasphalt hergestellt wurde. Als es Alexander eroberte, ergossen sich Ströme brennenden Petroleums durch die Straßen. Es ist auch lange Zeit in Asien Handelsartikel gewesen. Der Brenn¬ stoff war aber in außerordentlich einfacher Weise gewonnen worden, und erst der Vorgang Amerikas hatte einen unternehmenden Mann, den Schweden nobel, veranlaßt, die Gewinnung, die Naffinirung und den Transport in großem Maßstabe zu betreiben. Anfang der achtziger Jahre trat zuerst in Bremen, Hamburg usw. russisches Petroleum in den Gesichtskreis des Großhandels, man sah einen künftigen Mitbewerber und Gegner der Amerikaner. Aber damals schon wurde Rothschild von Rockefeller beauftragt, sich in das russische Petroleumgeschäft einzuschleichen. Die Rothschilde gründeten die Gesellschaft „mit dem langen Namen," wie man in Baku sagte: is, svviötv iuion^ing von,in<zr<zia,1ö se inciustriolls as naxlitv v^svienno as Lacon. Sie fing ganz bescheiden an: mit fünfundzwanzig Millionen Franks wurde sie ge- gründet. Denn bekam sie nach und nach die Raffiueure einen nach den andern, namentlich durch Vorschüsse, in die Hand und wucherte sie aus. Als die transkankasische Bahn fertig war, warf sie sich nach amerikanischem Vorgange auch auf die Beförderung und betrieb ihre Politik namentlich mit den Tank¬ wagen in der Weise, daß sie sich dieser Beförderungsmittel zu bemächtigen suchte. Um dem zu begegnen, ernannte die russische Regierung einen Tant- wagenausschuß. Die Bahn auf der einen und die Petroleuminteresseuteu auf der andern Seite wählten ihrerseits eine Reihe von Vertretern, und Aufgabe dieses Kollegiums war es, den einzelnen Unternehmungen ihren Anteil an der Ölbefrcichtung zuzumessen. Rothschild war von Rockefeller natürlich mit guten Instrumenten versehen. Alle die Unternehmer, die er in der einen oder andern Form „finnnzirt" hatte, mußten soviel Tankwagen verlangen, als irgend ge¬ rechtfertigt war. und ihr Anrecht an Rothschild verkaufen. Kleinern Produ¬ zenten nahm Rothschild überhaupt nur unter der Bedingung Ol ab, daß sie ihm ihren Anspruch auf Tankwagen vorher übertrugen. So erlangte er nach und nach die Verfügung über den größten Teil der Beförderungsmittel damit das Verfrachtungsmonopol, und dadurch wieder ein Mittel, die Preise nach Belieben schwanken zu lassen. Er hatte es schließlich in der Hand, durch eine förmliche Frachtsperre den Preiswiderstand jedes Produzenten zu brechen. Die Leute mußten zu den Preisen verkaufen, die Rothschild vorschrieb. Dasselbe Mittel wurde manchmal auch uach der andern Seite verwendet, indem man konkurrirenden Händlern, von denen man durch „gute Informationen" wußte, daß sie in Baku bedeutende Lieferungen für einen bestimmten Monat abge-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/574
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/574>, abgerufen am 24.07.2024.