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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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Das Petroleum

Stab von Leuten gebildet, die nach Bedarf in die europäischen Tochtergesell¬
schaften zu dem Zwecke abgeordnet worden sind, die unterworfenen eigentlichen
Besitzer in Botmäßigkeit und unter Aufsicht zu halten.

Die Organisation hat in dieser Weise bis 1892 gehalten. Die Erregung
des Publikums stieg zuweilen auf bedenkliche Grade, sodaß die Gerichte ein¬
zuschreiten versuchten. Aber in ihrer Beschränktheit fanden sie nur die ver¬
rostete Waffe des alten g-vo^x^rsur-Begriffs, das "Komplott zum wucherischer
Auflauf." Damit war selbstverständlich nichts zu machen, denn Rockefeller zog
ebenso gut deu Rohölproduzenten das letzte Hemd aus wie den Händlern. Er
sammelte auch nicht Massen auf, um die Preise zu treiben, er konnte nach¬
weisen, daß er die Preise im Durchschnitt immer billiger und billiger gemacht
hatte, der Trust betrieb ein ganz großes regelmüßig laufendes Beförderungs¬
und Raffineriegeschäft, kaufte, was ihm billig genug angeboten wurde, und ver¬
kaufte täglich, stündlich zu den Preisen des Tages.

Der Trust wurde schließlich aber doch aufgehoben. Er beauftragte seine
Trustees mit der Liquidation, und es wurde eine ganz lose Verfassung an
seine Stelle gesetzt, indem man eine Art großer Aktiengesellschaften gründete,
die alles das bisher zusammengewcsene aufnahm. Die Trustees haben sicher
nicht eine Aktie aus deu Händen gegeben, und an der Sache war ganz und
gar nichts geändert. Der Sieg bestand darin, daß ein verhaßter Name ver¬
schwand.

Der Trust herrschte also durch den Transport und die Raffinerie. Die
überwiegende Mehrheit der Quellenbesitzer war und ist noch heute "frei." Ich
spreche dabei von dem alten Pennsylvanien, dein eigentlichen Öllande, dem
Lande, das mit den Anhängseln in Virginia und Südohio überhaupt nur gutes
amerikanisches Öl liefert. Das Limagebiet im Nordwesten Ohios, ohne jeden
Zusammenhang mit den Landstrichen, von denen wir bisher immer gesprochen
haben, gehört der Standard Oil Corporation. Die ursprünglichen Öllände-
reien, die unzähligen in vielen Händen befindlichen Quellen hat Rockefeller gar
nicht in die Hand bekommen wollen; er beherrschte die Eisenbahnen und die
Röhrenleitungen, er hatte das gesamte Raffineriegeschäft in der Hand, die
Quellenbesitzer, die UrProduzenten also, waren ihm auf Gnade oder Ungnade
ergeben. Im Gegenteil, es war ein Vorteil für ihn, wenn er ihnen ihren
Besitz nicht abkaufte, denn er konnte auf diese Weise nach oben und nach
unten riesige Umtriebe ausführen, es war ganz gleichgiltig für ihn, ob er die
Preise für raffinirtes Petroleum, in die Höhe schnellte, nachdem er große
Rvhölmnssen ausgekauft hatte, oder ob er die Preise sür Rossi hinunter¬
drückte bis zum Ruin der Quellenbesitzer, nachdem er der ganzen Welt ungeheure
Mengen von raffinirtem Öl aufgehängt hatte.

Von Anfang der achtziger Jahre an. nachdem er sich in dem Trust eine
tadellos arbeitende Maschine geschaffen hatte, begann Rockefeller an die Er-


Das Petroleum

Stab von Leuten gebildet, die nach Bedarf in die europäischen Tochtergesell¬
schaften zu dem Zwecke abgeordnet worden sind, die unterworfenen eigentlichen
Besitzer in Botmäßigkeit und unter Aufsicht zu halten.

Die Organisation hat in dieser Weise bis 1892 gehalten. Die Erregung
des Publikums stieg zuweilen auf bedenkliche Grade, sodaß die Gerichte ein¬
zuschreiten versuchten. Aber in ihrer Beschränktheit fanden sie nur die ver¬
rostete Waffe des alten g-vo^x^rsur-Begriffs, das „Komplott zum wucherischer
Auflauf." Damit war selbstverständlich nichts zu machen, denn Rockefeller zog
ebenso gut deu Rohölproduzenten das letzte Hemd aus wie den Händlern. Er
sammelte auch nicht Massen auf, um die Preise zu treiben, er konnte nach¬
weisen, daß er die Preise im Durchschnitt immer billiger und billiger gemacht
hatte, der Trust betrieb ein ganz großes regelmüßig laufendes Beförderungs¬
und Raffineriegeschäft, kaufte, was ihm billig genug angeboten wurde, und ver¬
kaufte täglich, stündlich zu den Preisen des Tages.

Der Trust wurde schließlich aber doch aufgehoben. Er beauftragte seine
Trustees mit der Liquidation, und es wurde eine ganz lose Verfassung an
seine Stelle gesetzt, indem man eine Art großer Aktiengesellschaften gründete,
die alles das bisher zusammengewcsene aufnahm. Die Trustees haben sicher
nicht eine Aktie aus deu Händen gegeben, und an der Sache war ganz und
gar nichts geändert. Der Sieg bestand darin, daß ein verhaßter Name ver¬
schwand.

Der Trust herrschte also durch den Transport und die Raffinerie. Die
überwiegende Mehrheit der Quellenbesitzer war und ist noch heute „frei." Ich
spreche dabei von dem alten Pennsylvanien, dein eigentlichen Öllande, dem
Lande, das mit den Anhängseln in Virginia und Südohio überhaupt nur gutes
amerikanisches Öl liefert. Das Limagebiet im Nordwesten Ohios, ohne jeden
Zusammenhang mit den Landstrichen, von denen wir bisher immer gesprochen
haben, gehört der Standard Oil Corporation. Die ursprünglichen Öllände-
reien, die unzähligen in vielen Händen befindlichen Quellen hat Rockefeller gar
nicht in die Hand bekommen wollen; er beherrschte die Eisenbahnen und die
Röhrenleitungen, er hatte das gesamte Raffineriegeschäft in der Hand, die
Quellenbesitzer, die UrProduzenten also, waren ihm auf Gnade oder Ungnade
ergeben. Im Gegenteil, es war ein Vorteil für ihn, wenn er ihnen ihren
Besitz nicht abkaufte, denn er konnte auf diese Weise nach oben und nach
unten riesige Umtriebe ausführen, es war ganz gleichgiltig für ihn, ob er die
Preise für raffinirtes Petroleum, in die Höhe schnellte, nachdem er große
Rvhölmnssen ausgekauft hatte, oder ob er die Preise sür Rossi hinunter¬
drückte bis zum Ruin der Quellenbesitzer, nachdem er der ganzen Welt ungeheure
Mengen von raffinirtem Öl aufgehängt hatte.

Von Anfang der achtziger Jahre an. nachdem er sich in dem Trust eine
tadellos arbeitende Maschine geschaffen hatte, begann Rockefeller an die Er-


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[0573] Das Petroleum Stab von Leuten gebildet, die nach Bedarf in die europäischen Tochtergesell¬ schaften zu dem Zwecke abgeordnet worden sind, die unterworfenen eigentlichen Besitzer in Botmäßigkeit und unter Aufsicht zu halten. Die Organisation hat in dieser Weise bis 1892 gehalten. Die Erregung des Publikums stieg zuweilen auf bedenkliche Grade, sodaß die Gerichte ein¬ zuschreiten versuchten. Aber in ihrer Beschränktheit fanden sie nur die ver¬ rostete Waffe des alten g-vo^x^rsur-Begriffs, das „Komplott zum wucherischer Auflauf." Damit war selbstverständlich nichts zu machen, denn Rockefeller zog ebenso gut deu Rohölproduzenten das letzte Hemd aus wie den Händlern. Er sammelte auch nicht Massen auf, um die Preise zu treiben, er konnte nach¬ weisen, daß er die Preise im Durchschnitt immer billiger und billiger gemacht hatte, der Trust betrieb ein ganz großes regelmüßig laufendes Beförderungs¬ und Raffineriegeschäft, kaufte, was ihm billig genug angeboten wurde, und ver¬ kaufte täglich, stündlich zu den Preisen des Tages. Der Trust wurde schließlich aber doch aufgehoben. Er beauftragte seine Trustees mit der Liquidation, und es wurde eine ganz lose Verfassung an seine Stelle gesetzt, indem man eine Art großer Aktiengesellschaften gründete, die alles das bisher zusammengewcsene aufnahm. Die Trustees haben sicher nicht eine Aktie aus deu Händen gegeben, und an der Sache war ganz und gar nichts geändert. Der Sieg bestand darin, daß ein verhaßter Name ver¬ schwand. Der Trust herrschte also durch den Transport und die Raffinerie. Die überwiegende Mehrheit der Quellenbesitzer war und ist noch heute „frei." Ich spreche dabei von dem alten Pennsylvanien, dein eigentlichen Öllande, dem Lande, das mit den Anhängseln in Virginia und Südohio überhaupt nur gutes amerikanisches Öl liefert. Das Limagebiet im Nordwesten Ohios, ohne jeden Zusammenhang mit den Landstrichen, von denen wir bisher immer gesprochen haben, gehört der Standard Oil Corporation. Die ursprünglichen Öllände- reien, die unzähligen in vielen Händen befindlichen Quellen hat Rockefeller gar nicht in die Hand bekommen wollen; er beherrschte die Eisenbahnen und die Röhrenleitungen, er hatte das gesamte Raffineriegeschäft in der Hand, die Quellenbesitzer, die UrProduzenten also, waren ihm auf Gnade oder Ungnade ergeben. Im Gegenteil, es war ein Vorteil für ihn, wenn er ihnen ihren Besitz nicht abkaufte, denn er konnte auf diese Weise nach oben und nach unten riesige Umtriebe ausführen, es war ganz gleichgiltig für ihn, ob er die Preise für raffinirtes Petroleum, in die Höhe schnellte, nachdem er große Rvhölmnssen ausgekauft hatte, oder ob er die Preise sür Rossi hinunter¬ drückte bis zum Ruin der Quellenbesitzer, nachdem er der ganzen Welt ungeheure Mengen von raffinirtem Öl aufgehängt hatte. Von Anfang der achtziger Jahre an. nachdem er sich in dem Trust eine tadellos arbeitende Maschine geschaffen hatte, begann Rockefeller an die Er-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/573>, abgerufen am 24.07.2024.