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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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Vas Petroleum

schlössen hatten, die Möglichkeit der Versendung nahm und sie dadurch in
Prozesse und schwere Verluste stürzte.

Das Eingreifen des Hauses Rothschild hat den ganzen russischen Petroleum-
Handel annähernd ebenfalls schon monopolisirt. Nur wie weit die Verhand¬
lungen mit nobel gediehen sind, ist noch nicht ganz klar: der alte Herr war
zu irgend welchem Paktireu nie zu bewegen, er fühlte sich selbst zu sehr als
König und hatte eine starke, fast persönliche Antipathie gegen die Mnkees.
Daß das nach seinem Tode wesentlich anders geworden ist, läßt sich aber
annehmen.

Während so die aufsteigende Gegnerschaft Rußlands ungefährlich gemacht
und alle Vorbereitungen getroffen wurden, auch dies Gebiet rechtzeitig in die
Hand zu bekommen, wurde, wie gesagt, in den englischen, holländischen und
deutschen Seehäfen der Minenkrieg gegen die Spekulanten und Händler ge¬
führt, die unbedingt vernichtet sein mußten, ehe Rockefeller in Europa festen
Fuß fassen konnte.

Wenn man Roschers Theorie liest, daß die Warenpreise bestimmt würden
durch Angebot und Nachfrage, so scheint einem das zunächst nur als ein in
dem prunkvollen Gewände der Wissenschaft auftretender Gemeinplatz oder als
eine Umschreibung, die sich sür eine Erklärung ausgiebt; die Bleikugel sällt,
Grund: die Gravitation; die benetzten Glasplatten haften an einander, Grund:
die Adhäsion. Frage ich darnach: wie entstand zu der und der Zeit der und
der Weltmarktpreis für Petroleum, so frage ich selbstverständlich nach der
schließlichen Gesamtwirkung der an den verschiedensten Orten, zwischen den ver¬
schiedensten Personen wirkenden Einzelkräfte von Angebot und Nachfrage. Jede
dieser Berührungen wird aber in sich erledigt. Der Weltmarktpreis wird nicht
bestimmt durch die Summe alles Angebots zur Summe aller Nachfrage. Wenn
jemand zehn oder fünfzehn Jahre Petroleum studirt hat, erscheint es ihm als
ein heitrer Unsinn, daß sich die Warenpreise regeln sollen nach dem Verhältnis
der cmgebotnen Mengen zu den für den Verbrauch nötigen Mengen. Rocke¬
feller hat immer dafür zu sorgen gewußt, daß Petroleum den Preis hatte,
den er brauchte. Das Verhältnis von Konsum und Produktion war ihm, der
durch seine Transportmittel, wie gesagt, überall eine Zwangslage zum Verkauf
und ebenso, wann und wo er wollte, einen dringenden lokalen Bedarf schaffen
konnte, ganz gleichgiltig.

Die amerikanische Petroleumproduktion ist während der Zeit, die hier in
Frage kommt, zweimal gewaltig gefallen. Im Jahre 1882 betrug die Pro¬
duktion dreißig Millionen Barrels, von da an fiel sie bis 1885 beharrlich, und
Zwar um ein Drittel. Während aber die Produktion von dreißig auf zwanzig
Millionen zurückging, haben in den Jahren 1882, 1883 und 1884 fast alle
die europäischen Häuser ihr Geld verloren und sind ruinirt worden, die auf
steigende Preise spekulirt hatten. Von 1891 bis 1894 ist die Produktion zurück-


Vas Petroleum

schlössen hatten, die Möglichkeit der Versendung nahm und sie dadurch in
Prozesse und schwere Verluste stürzte.

Das Eingreifen des Hauses Rothschild hat den ganzen russischen Petroleum-
Handel annähernd ebenfalls schon monopolisirt. Nur wie weit die Verhand¬
lungen mit nobel gediehen sind, ist noch nicht ganz klar: der alte Herr war
zu irgend welchem Paktireu nie zu bewegen, er fühlte sich selbst zu sehr als
König und hatte eine starke, fast persönliche Antipathie gegen die Mnkees.
Daß das nach seinem Tode wesentlich anders geworden ist, läßt sich aber
annehmen.

Während so die aufsteigende Gegnerschaft Rußlands ungefährlich gemacht
und alle Vorbereitungen getroffen wurden, auch dies Gebiet rechtzeitig in die
Hand zu bekommen, wurde, wie gesagt, in den englischen, holländischen und
deutschen Seehäfen der Minenkrieg gegen die Spekulanten und Händler ge¬
führt, die unbedingt vernichtet sein mußten, ehe Rockefeller in Europa festen
Fuß fassen konnte.

Wenn man Roschers Theorie liest, daß die Warenpreise bestimmt würden
durch Angebot und Nachfrage, so scheint einem das zunächst nur als ein in
dem prunkvollen Gewände der Wissenschaft auftretender Gemeinplatz oder als
eine Umschreibung, die sich sür eine Erklärung ausgiebt; die Bleikugel sällt,
Grund: die Gravitation; die benetzten Glasplatten haften an einander, Grund:
die Adhäsion. Frage ich darnach: wie entstand zu der und der Zeit der und
der Weltmarktpreis für Petroleum, so frage ich selbstverständlich nach der
schließlichen Gesamtwirkung der an den verschiedensten Orten, zwischen den ver¬
schiedensten Personen wirkenden Einzelkräfte von Angebot und Nachfrage. Jede
dieser Berührungen wird aber in sich erledigt. Der Weltmarktpreis wird nicht
bestimmt durch die Summe alles Angebots zur Summe aller Nachfrage. Wenn
jemand zehn oder fünfzehn Jahre Petroleum studirt hat, erscheint es ihm als
ein heitrer Unsinn, daß sich die Warenpreise regeln sollen nach dem Verhältnis
der cmgebotnen Mengen zu den für den Verbrauch nötigen Mengen. Rocke¬
feller hat immer dafür zu sorgen gewußt, daß Petroleum den Preis hatte,
den er brauchte. Das Verhältnis von Konsum und Produktion war ihm, der
durch seine Transportmittel, wie gesagt, überall eine Zwangslage zum Verkauf
und ebenso, wann und wo er wollte, einen dringenden lokalen Bedarf schaffen
konnte, ganz gleichgiltig.

Die amerikanische Petroleumproduktion ist während der Zeit, die hier in
Frage kommt, zweimal gewaltig gefallen. Im Jahre 1882 betrug die Pro¬
duktion dreißig Millionen Barrels, von da an fiel sie bis 1885 beharrlich, und
Zwar um ein Drittel. Während aber die Produktion von dreißig auf zwanzig
Millionen zurückging, haben in den Jahren 1882, 1883 und 1884 fast alle
die europäischen Häuser ihr Geld verloren und sind ruinirt worden, die auf
steigende Preise spekulirt hatten. Von 1891 bis 1894 ist die Produktion zurück-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/575>, abgerufen am 24.07.2024.