Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Sie Börsenknsis

einer Wechselstubenfirma ein wenig bei ihrer Liquidation ohne Risiko für sich
und so, daß die Familie des Bankerottirers 200000 Gulden opferte, und die
Gläubiger nur 30 Prozent erhielten. Es hieß, sie thäten es, damit nicht ein
neuer Krach entstünde, wenn für fünf Millionen Wertpapiere zwangsweise ver¬
kauft würden. Sehr edel, aber als kurz vorher ein Großspekulaut sich selbst
mit zwanzig Millionen exekutirte, d. h. für soviel Wertpapiere öffentlich an
die Meistbietenden verkaufen ließ, traten sie nicht als Bieter und Käufer auf.
Inzwischen verlautete, daß dieser Wechselstubeubesitzer eine gar feine Kundschaft,
einen Finanzmagnaten in hoher Vertrauensstellung bei großen Instituten, oder
gar mehrere solche gehabt habe, deren Beziehungen zu dem Zwischenhändler
die großen Banken nicht gern der Öffentlichkeit preisgeben wollten. Schließlich
kamen doch einige Millionen Ultimoeffekten zum Zwaugsverkauf.

Ob dies richtig oder falsch ist, soviel ist sicher, daß die großen Banken
sehr wenig interveniren und unter durchaus leoninischen Bedingungen -- der
Report stieg sogar bis auf 18 Prozent --, daß auch, nach kurzer Erholung,
die Kurse weiter fallen. Das ist mich ganz in der Ordnung. Bei den kriege¬
rischen Aussichten und niedrigen Preisen, die wir, in Österreich-Ungarn wenig¬
stens, der Goldwährung leider verdanken, sind die industriellen Unternehmungen
Ungarns gewiß nicht soviel wert, als sie vor Beginn der österreichisch-ungarischen
Gvldanleihen und Umwandlung 4^/z- und 5prozentiger Staatspapiere in 4pro-
zentige, also vor vier Jahren waren, und doch stehen ihre Aktien noch bis ^
höher als damals. Die Liquidation ist also noch keineswegs beendet, und eine
"cuc Kriegsdrohung würde eine Wiederholung des "schwarzen Sonnabends" zur
Folge haben. Sicher ist aber, daß die große" Banken den Krieg fürchten und
auch dem Krach vorläufig Einhalt thun möchten, womöglich gern eine kleine
Hauffe entstehen sähen. Sie sind übervoll beladen mit Effekten und möchten
diese natürlich mit kleinem Profit oder doch mit geringem Verlust dein mi߬
trauischen Privatpublikum verkaufen, sobald dieses wieder etwas zu Kräften ge¬
kommen sein wird. Sie wünschen auch ein Steigen der Kurse, weil der Kurs
des 31. Dezember in jene Bilanz oder den Jahresabschluß eingesetzt werden muß,
den sie der Gewinn- oder Verlustberechnung für das Jahr 1895 zu Grunde
legen müssen. Sind dann die Kurse noch so niedrig wie jetzt, oder sogar
niedriger, so würde sich bei dieser oder jener Bank ein Verlust rechnungsmäßig
ergebe", und sie würde keine Dividende an ihre Aktionäre verteilen können.
Deshalb suchen auch die Banken so wenig Aktien wie möglich selbst zu er¬
werben, sie beleihen darum seit Ende November die verpfändeten Aktien bilder,,
so z. B. Kreditaktien, die 367 standen, mit 345, Staatsbahnaktien, deren
Kurs 355 stand, mit 330 Gulden, sodaß also der verpfändende Besitzer nur
7 Prozent des Kurswertes dieser Aktien besaß. Auch wurde der Abrechnnngs-
k"rs für solche Wertpapiere, die am 30. November bezahlt werden mußten,
Zum Dnrchschnittskurs der Papiere im November und nicht zu dem des


Sie Börsenknsis

einer Wechselstubenfirma ein wenig bei ihrer Liquidation ohne Risiko für sich
und so, daß die Familie des Bankerottirers 200000 Gulden opferte, und die
Gläubiger nur 30 Prozent erhielten. Es hieß, sie thäten es, damit nicht ein
neuer Krach entstünde, wenn für fünf Millionen Wertpapiere zwangsweise ver¬
kauft würden. Sehr edel, aber als kurz vorher ein Großspekulaut sich selbst
mit zwanzig Millionen exekutirte, d. h. für soviel Wertpapiere öffentlich an
die Meistbietenden verkaufen ließ, traten sie nicht als Bieter und Käufer auf.
Inzwischen verlautete, daß dieser Wechselstubeubesitzer eine gar feine Kundschaft,
einen Finanzmagnaten in hoher Vertrauensstellung bei großen Instituten, oder
gar mehrere solche gehabt habe, deren Beziehungen zu dem Zwischenhändler
die großen Banken nicht gern der Öffentlichkeit preisgeben wollten. Schließlich
kamen doch einige Millionen Ultimoeffekten zum Zwaugsverkauf.

Ob dies richtig oder falsch ist, soviel ist sicher, daß die großen Banken
sehr wenig interveniren und unter durchaus leoninischen Bedingungen — der
Report stieg sogar bis auf 18 Prozent —, daß auch, nach kurzer Erholung,
die Kurse weiter fallen. Das ist mich ganz in der Ordnung. Bei den kriege¬
rischen Aussichten und niedrigen Preisen, die wir, in Österreich-Ungarn wenig¬
stens, der Goldwährung leider verdanken, sind die industriellen Unternehmungen
Ungarns gewiß nicht soviel wert, als sie vor Beginn der österreichisch-ungarischen
Gvldanleihen und Umwandlung 4^/z- und 5prozentiger Staatspapiere in 4pro-
zentige, also vor vier Jahren waren, und doch stehen ihre Aktien noch bis ^
höher als damals. Die Liquidation ist also noch keineswegs beendet, und eine
»cuc Kriegsdrohung würde eine Wiederholung des „schwarzen Sonnabends" zur
Folge haben. Sicher ist aber, daß die große» Banken den Krieg fürchten und
auch dem Krach vorläufig Einhalt thun möchten, womöglich gern eine kleine
Hauffe entstehen sähen. Sie sind übervoll beladen mit Effekten und möchten
diese natürlich mit kleinem Profit oder doch mit geringem Verlust dein mi߬
trauischen Privatpublikum verkaufen, sobald dieses wieder etwas zu Kräften ge¬
kommen sein wird. Sie wünschen auch ein Steigen der Kurse, weil der Kurs
des 31. Dezember in jene Bilanz oder den Jahresabschluß eingesetzt werden muß,
den sie der Gewinn- oder Verlustberechnung für das Jahr 1895 zu Grunde
legen müssen. Sind dann die Kurse noch so niedrig wie jetzt, oder sogar
niedriger, so würde sich bei dieser oder jener Bank ein Verlust rechnungsmäßig
ergebe», und sie würde keine Dividende an ihre Aktionäre verteilen können.
Deshalb suchen auch die Banken so wenig Aktien wie möglich selbst zu er¬
werben, sie beleihen darum seit Ende November die verpfändeten Aktien bilder,,
so z. B. Kreditaktien, die 367 standen, mit 345, Staatsbahnaktien, deren
Kurs 355 stand, mit 330 Gulden, sodaß also der verpfändende Besitzer nur
7 Prozent des Kurswertes dieser Aktien besaß. Auch wurde der Abrechnnngs-
k»rs für solche Wertpapiere, die am 30. November bezahlt werden mußten,
Zum Dnrchschnittskurs der Papiere im November und nicht zu dem des


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0481" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/221455"/>
          <fw type="header" place="top"> Sie Börsenknsis</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1604" prev="#ID_1603"> einer Wechselstubenfirma ein wenig bei ihrer Liquidation ohne Risiko für sich<lb/>
und so, daß die Familie des Bankerottirers 200000 Gulden opferte, und die<lb/>
Gläubiger nur 30 Prozent erhielten. Es hieß, sie thäten es, damit nicht ein<lb/>
neuer Krach entstünde, wenn für fünf Millionen Wertpapiere zwangsweise ver¬<lb/>
kauft würden. Sehr edel, aber als kurz vorher ein Großspekulaut sich selbst<lb/>
mit zwanzig Millionen exekutirte, d. h. für soviel Wertpapiere öffentlich an<lb/>
die Meistbietenden verkaufen ließ, traten sie nicht als Bieter und Käufer auf.<lb/>
Inzwischen verlautete, daß dieser Wechselstubeubesitzer eine gar feine Kundschaft,<lb/>
einen Finanzmagnaten in hoher Vertrauensstellung bei großen Instituten, oder<lb/>
gar mehrere solche gehabt habe, deren Beziehungen zu dem Zwischenhändler<lb/>
die großen Banken nicht gern der Öffentlichkeit preisgeben wollten. Schließlich<lb/>
kamen doch einige Millionen Ultimoeffekten zum Zwaugsverkauf.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1605" next="#ID_1606"> Ob dies richtig oder falsch ist, soviel ist sicher, daß die großen Banken<lb/>
sehr wenig interveniren und unter durchaus leoninischen Bedingungen &#x2014; der<lb/>
Report stieg sogar bis auf 18 Prozent &#x2014;, daß auch, nach kurzer Erholung,<lb/>
die Kurse weiter fallen. Das ist mich ganz in der Ordnung. Bei den kriege¬<lb/>
rischen Aussichten und niedrigen Preisen, die wir, in Österreich-Ungarn wenig¬<lb/>
stens, der Goldwährung leider verdanken, sind die industriellen Unternehmungen<lb/>
Ungarns gewiß nicht soviel wert, als sie vor Beginn der österreichisch-ungarischen<lb/>
Gvldanleihen und Umwandlung 4^/z- und 5prozentiger Staatspapiere in 4pro-<lb/>
zentige, also vor vier Jahren waren, und doch stehen ihre Aktien noch bis ^<lb/>
höher als damals. Die Liquidation ist also noch keineswegs beendet, und eine<lb/>
»cuc Kriegsdrohung würde eine Wiederholung des &#x201E;schwarzen Sonnabends" zur<lb/>
Folge haben. Sicher ist aber, daß die große» Banken den Krieg fürchten und<lb/>
auch dem Krach vorläufig Einhalt thun möchten, womöglich gern eine kleine<lb/>
Hauffe entstehen sähen. Sie sind übervoll beladen mit Effekten und möchten<lb/>
diese natürlich mit kleinem Profit oder doch mit geringem Verlust dein mi߬<lb/>
trauischen Privatpublikum verkaufen, sobald dieses wieder etwas zu Kräften ge¬<lb/>
kommen sein wird. Sie wünschen auch ein Steigen der Kurse, weil der Kurs<lb/>
des 31. Dezember in jene Bilanz oder den Jahresabschluß eingesetzt werden muß,<lb/>
den sie der Gewinn- oder Verlustberechnung für das Jahr 1895 zu Grunde<lb/>
legen müssen. Sind dann die Kurse noch so niedrig wie jetzt, oder sogar<lb/>
niedriger, so würde sich bei dieser oder jener Bank ein Verlust rechnungsmäßig<lb/>
ergebe», und sie würde keine Dividende an ihre Aktionäre verteilen können.<lb/>
Deshalb suchen auch die Banken so wenig Aktien wie möglich selbst zu er¬<lb/>
werben, sie beleihen darum seit Ende November die verpfändeten Aktien bilder,,<lb/>
so z. B. Kreditaktien, die 367 standen, mit 345, Staatsbahnaktien, deren<lb/>
Kurs 355 stand, mit 330 Gulden, sodaß also der verpfändende Besitzer nur<lb/>
7 Prozent des Kurswertes dieser Aktien besaß. Auch wurde der Abrechnnngs-<lb/>
k»rs für solche Wertpapiere, die am 30. November bezahlt werden mußten,<lb/>
Zum Dnrchschnittskurs der Papiere im November und nicht zu dem des</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0481] Sie Börsenknsis einer Wechselstubenfirma ein wenig bei ihrer Liquidation ohne Risiko für sich und so, daß die Familie des Bankerottirers 200000 Gulden opferte, und die Gläubiger nur 30 Prozent erhielten. Es hieß, sie thäten es, damit nicht ein neuer Krach entstünde, wenn für fünf Millionen Wertpapiere zwangsweise ver¬ kauft würden. Sehr edel, aber als kurz vorher ein Großspekulaut sich selbst mit zwanzig Millionen exekutirte, d. h. für soviel Wertpapiere öffentlich an die Meistbietenden verkaufen ließ, traten sie nicht als Bieter und Käufer auf. Inzwischen verlautete, daß dieser Wechselstubeubesitzer eine gar feine Kundschaft, einen Finanzmagnaten in hoher Vertrauensstellung bei großen Instituten, oder gar mehrere solche gehabt habe, deren Beziehungen zu dem Zwischenhändler die großen Banken nicht gern der Öffentlichkeit preisgeben wollten. Schließlich kamen doch einige Millionen Ultimoeffekten zum Zwaugsverkauf. Ob dies richtig oder falsch ist, soviel ist sicher, daß die großen Banken sehr wenig interveniren und unter durchaus leoninischen Bedingungen — der Report stieg sogar bis auf 18 Prozent —, daß auch, nach kurzer Erholung, die Kurse weiter fallen. Das ist mich ganz in der Ordnung. Bei den kriege¬ rischen Aussichten und niedrigen Preisen, die wir, in Österreich-Ungarn wenig¬ stens, der Goldwährung leider verdanken, sind die industriellen Unternehmungen Ungarns gewiß nicht soviel wert, als sie vor Beginn der österreichisch-ungarischen Gvldanleihen und Umwandlung 4^/z- und 5prozentiger Staatspapiere in 4pro- zentige, also vor vier Jahren waren, und doch stehen ihre Aktien noch bis ^ höher als damals. Die Liquidation ist also noch keineswegs beendet, und eine »cuc Kriegsdrohung würde eine Wiederholung des „schwarzen Sonnabends" zur Folge haben. Sicher ist aber, daß die große» Banken den Krieg fürchten und auch dem Krach vorläufig Einhalt thun möchten, womöglich gern eine kleine Hauffe entstehen sähen. Sie sind übervoll beladen mit Effekten und möchten diese natürlich mit kleinem Profit oder doch mit geringem Verlust dein mi߬ trauischen Privatpublikum verkaufen, sobald dieses wieder etwas zu Kräften ge¬ kommen sein wird. Sie wünschen auch ein Steigen der Kurse, weil der Kurs des 31. Dezember in jene Bilanz oder den Jahresabschluß eingesetzt werden muß, den sie der Gewinn- oder Verlustberechnung für das Jahr 1895 zu Grunde legen müssen. Sind dann die Kurse noch so niedrig wie jetzt, oder sogar niedriger, so würde sich bei dieser oder jener Bank ein Verlust rechnungsmäßig ergebe», und sie würde keine Dividende an ihre Aktionäre verteilen können. Deshalb suchen auch die Banken so wenig Aktien wie möglich selbst zu er¬ werben, sie beleihen darum seit Ende November die verpfändeten Aktien bilder,, so z. B. Kreditaktien, die 367 standen, mit 345, Staatsbahnaktien, deren Kurs 355 stand, mit 330 Gulden, sodaß also der verpfändende Besitzer nur 7 Prozent des Kurswertes dieser Aktien besaß. Auch wurde der Abrechnnngs- k»rs für solche Wertpapiere, die am 30. November bezahlt werden mußten, Zum Dnrchschnittskurs der Papiere im November und nicht zu dem des

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/481
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/481>, abgerufen am 24.07.2024.