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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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Die vereine und das bürgerliche Gesetzbuch

Gewährung der zivilem Schadenersatzklage ,'ZO des Entwurfs weist hierzu
schon deu Weg) an die gegenseitigen Verbände leicht sicherstellen. Auch ist
dagegen nichts einzuwenden, wenn die Korporationen, wie der Entwurf auch
thut, mit der Auflösung bedroht werden, wenn sie über die Zwecke hinübergreifen,
die sie sich selbst im Statut gesetzt haben oder die im Gesetz klar umschrieben sind.
In allen diesen Beziehungen bietet die Vermögensfähigkeit der Korporationen
nicht nnr keine Gefahr, sondern im Gegenteil ein sehr wertvolles Pfand für
loyales Verhalten. Man sollte deshalb meinen, daß der Staat die Vermögens-
bilduug eher begünstigen, als zu erschweren suchen sollte. Auch die englische
Erfahrung bestätigt es, daß gerade die mächtigsten Korporationen zugleich die
vorsichtigsten in der Durchführung von Lohnkämpfen sind, da für sie auch das
meiste dabei auf dem Spiele steht. Wir würden es deshalb sür einen ver¬
hängnisvollen und gar nicht wieder gutzumachenden Fehler halten, wenn der
Reichstag deu Vorschlägen des Entwurfs folgen und damit die sozialpolitischen
Vereine an das Gutdünken der Verwaltungsbehörden ausliefern wollte.

Dagegen sind wir einigermaßen erstaunt, daß der Entwurf auch den rein
politischen Vereinen den Weg zur Erlangung der Korporationsrechte, theore¬
tisch wenigstens, eröffnet. Wieviel und welche politische Vereine in Wirklich¬
keit diese Rechte von den Verwaltungsbehörden zugestanden erhalten würden,
möchte abzuwarten sein. Im geraden Gegensatze zu den gewerbepolitischen Ver¬
einigungen ist für die politischen Vereine die Vermögensfähigkeit nur von sehr
untergeordneter Bedeutung. Gewiß ist ja, daß auch die Verfolgung politischer
Zwecke Geld, sogar viel Geld kostet. Der letzte Jahresbericht der sozialdemo-
kratischen Partei wies an Parteiausgaben die Summe von 180354 Mark
29 Pfennigen auf, ein Betrag, der sich vermutlich um ein Vielfaches erhöhen
würde, wenn man die Aufwendungen der lokalen Kreise hinzurechnen wollte.
Allein solange die politischen Vereine blühen und gedeihe", fließen ihnen die
Mittel durch den opferwilligen Gemeinsinn ihrer Mitglieder fast von selbst zu.
Ist aber dieser Opfermut einmal erloschen - und es ist bekannt, wie schwer
gerade in Deutschland politische Vereine mit der Anlage zur Schwindsucht erb¬
lich belastet sind --, so kann der verloren gegangne Gemeinsinn auch durch
die stärksten Vereiusfonds nicht ersetzt werden. Die Ehre wie die Last der
Leitung des Vereins und ganz besonders der Vermögensverwaltung bleibt fast
ausnahmslos nur ganz wenigen Personen überlassen. Also ein Bedürfnis,
auch den rein politischen Vereinen die Korpvmtiousrechte zuzugestehen, ist kaum
anzuerkennen. Will man es aber doch thun, so soll man auch gerecht sein
und keinen Verein hiervon ausschließen, dem das Gesetz überhaupt die Existenz
erlaubt. Auch hier das Ermessen der Verwaltungsbehörden entscheiden zu
lassen, kann wie alle Willkür nur dazu dienen, der Unzufriedenheit neue
Ströme zuzuführen.

Wir haben das Vertrauen zum Reichstag, daß er die Mitwirkung der


Die vereine und das bürgerliche Gesetzbuch

Gewährung der zivilem Schadenersatzklage ,'ZO des Entwurfs weist hierzu
schon deu Weg) an die gegenseitigen Verbände leicht sicherstellen. Auch ist
dagegen nichts einzuwenden, wenn die Korporationen, wie der Entwurf auch
thut, mit der Auflösung bedroht werden, wenn sie über die Zwecke hinübergreifen,
die sie sich selbst im Statut gesetzt haben oder die im Gesetz klar umschrieben sind.
In allen diesen Beziehungen bietet die Vermögensfähigkeit der Korporationen
nicht nnr keine Gefahr, sondern im Gegenteil ein sehr wertvolles Pfand für
loyales Verhalten. Man sollte deshalb meinen, daß der Staat die Vermögens-
bilduug eher begünstigen, als zu erschweren suchen sollte. Auch die englische
Erfahrung bestätigt es, daß gerade die mächtigsten Korporationen zugleich die
vorsichtigsten in der Durchführung von Lohnkämpfen sind, da für sie auch das
meiste dabei auf dem Spiele steht. Wir würden es deshalb sür einen ver¬
hängnisvollen und gar nicht wieder gutzumachenden Fehler halten, wenn der
Reichstag deu Vorschlägen des Entwurfs folgen und damit die sozialpolitischen
Vereine an das Gutdünken der Verwaltungsbehörden ausliefern wollte.

Dagegen sind wir einigermaßen erstaunt, daß der Entwurf auch den rein
politischen Vereinen den Weg zur Erlangung der Korporationsrechte, theore¬
tisch wenigstens, eröffnet. Wieviel und welche politische Vereine in Wirklich¬
keit diese Rechte von den Verwaltungsbehörden zugestanden erhalten würden,
möchte abzuwarten sein. Im geraden Gegensatze zu den gewerbepolitischen Ver¬
einigungen ist für die politischen Vereine die Vermögensfähigkeit nur von sehr
untergeordneter Bedeutung. Gewiß ist ja, daß auch die Verfolgung politischer
Zwecke Geld, sogar viel Geld kostet. Der letzte Jahresbericht der sozialdemo-
kratischen Partei wies an Parteiausgaben die Summe von 180354 Mark
29 Pfennigen auf, ein Betrag, der sich vermutlich um ein Vielfaches erhöhen
würde, wenn man die Aufwendungen der lokalen Kreise hinzurechnen wollte.
Allein solange die politischen Vereine blühen und gedeihe», fließen ihnen die
Mittel durch den opferwilligen Gemeinsinn ihrer Mitglieder fast von selbst zu.
Ist aber dieser Opfermut einmal erloschen - und es ist bekannt, wie schwer
gerade in Deutschland politische Vereine mit der Anlage zur Schwindsucht erb¬
lich belastet sind —, so kann der verloren gegangne Gemeinsinn auch durch
die stärksten Vereiusfonds nicht ersetzt werden. Die Ehre wie die Last der
Leitung des Vereins und ganz besonders der Vermögensverwaltung bleibt fast
ausnahmslos nur ganz wenigen Personen überlassen. Also ein Bedürfnis,
auch den rein politischen Vereinen die Korpvmtiousrechte zuzugestehen, ist kaum
anzuerkennen. Will man es aber doch thun, so soll man auch gerecht sein
und keinen Verein hiervon ausschließen, dem das Gesetz überhaupt die Existenz
erlaubt. Auch hier das Ermessen der Verwaltungsbehörden entscheiden zu
lassen, kann wie alle Willkür nur dazu dienen, der Unzufriedenheit neue
Ströme zuzuführen.

Wir haben das Vertrauen zum Reichstag, daß er die Mitwirkung der


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[0430] Die vereine und das bürgerliche Gesetzbuch Gewährung der zivilem Schadenersatzklage ,'ZO des Entwurfs weist hierzu schon deu Weg) an die gegenseitigen Verbände leicht sicherstellen. Auch ist dagegen nichts einzuwenden, wenn die Korporationen, wie der Entwurf auch thut, mit der Auflösung bedroht werden, wenn sie über die Zwecke hinübergreifen, die sie sich selbst im Statut gesetzt haben oder die im Gesetz klar umschrieben sind. In allen diesen Beziehungen bietet die Vermögensfähigkeit der Korporationen nicht nnr keine Gefahr, sondern im Gegenteil ein sehr wertvolles Pfand für loyales Verhalten. Man sollte deshalb meinen, daß der Staat die Vermögens- bilduug eher begünstigen, als zu erschweren suchen sollte. Auch die englische Erfahrung bestätigt es, daß gerade die mächtigsten Korporationen zugleich die vorsichtigsten in der Durchführung von Lohnkämpfen sind, da für sie auch das meiste dabei auf dem Spiele steht. Wir würden es deshalb sür einen ver¬ hängnisvollen und gar nicht wieder gutzumachenden Fehler halten, wenn der Reichstag deu Vorschlägen des Entwurfs folgen und damit die sozialpolitischen Vereine an das Gutdünken der Verwaltungsbehörden ausliefern wollte. Dagegen sind wir einigermaßen erstaunt, daß der Entwurf auch den rein politischen Vereinen den Weg zur Erlangung der Korporationsrechte, theore¬ tisch wenigstens, eröffnet. Wieviel und welche politische Vereine in Wirklich¬ keit diese Rechte von den Verwaltungsbehörden zugestanden erhalten würden, möchte abzuwarten sein. Im geraden Gegensatze zu den gewerbepolitischen Ver¬ einigungen ist für die politischen Vereine die Vermögensfähigkeit nur von sehr untergeordneter Bedeutung. Gewiß ist ja, daß auch die Verfolgung politischer Zwecke Geld, sogar viel Geld kostet. Der letzte Jahresbericht der sozialdemo- kratischen Partei wies an Parteiausgaben die Summe von 180354 Mark 29 Pfennigen auf, ein Betrag, der sich vermutlich um ein Vielfaches erhöhen würde, wenn man die Aufwendungen der lokalen Kreise hinzurechnen wollte. Allein solange die politischen Vereine blühen und gedeihe», fließen ihnen die Mittel durch den opferwilligen Gemeinsinn ihrer Mitglieder fast von selbst zu. Ist aber dieser Opfermut einmal erloschen - und es ist bekannt, wie schwer gerade in Deutschland politische Vereine mit der Anlage zur Schwindsucht erb¬ lich belastet sind —, so kann der verloren gegangne Gemeinsinn auch durch die stärksten Vereiusfonds nicht ersetzt werden. Die Ehre wie die Last der Leitung des Vereins und ganz besonders der Vermögensverwaltung bleibt fast ausnahmslos nur ganz wenigen Personen überlassen. Also ein Bedürfnis, auch den rein politischen Vereinen die Korpvmtiousrechte zuzugestehen, ist kaum anzuerkennen. Will man es aber doch thun, so soll man auch gerecht sein und keinen Verein hiervon ausschließen, dem das Gesetz überhaupt die Existenz erlaubt. Auch hier das Ermessen der Verwaltungsbehörden entscheiden zu lassen, kann wie alle Willkür nur dazu dienen, der Unzufriedenheit neue Ströme zuzuführen. Wir haben das Vertrauen zum Reichstag, daß er die Mitwirkung der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/430>, abgerufen am 02.07.2024.