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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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Das Petroleum

Kaum merkte Rockefeller, was Vanderbilt beabsichtigte, so nahm er den Kampf ans,
oder vielmehr er brachte es dahin, daß die andern Eisenbahnen den Kampf
als gegen sie geführt ansahen und einen erbitterten Tarifkrieg begannen. Nicht
nur die Newyork-Central- und die Erie-Bahn, sondern auch die Baltimore- und
Ohio-, die Lehigh Valley-, die Reading-, die Atlantic- und Great Western-, die
Lake Shore-Bahn halfen die Kastanien für ihn aus dem Feuer holen. In
der Hauptsache soll er mit Bestechungen gearbeitet haben. Großaktionäre be¬
kamen Millionen, um für den Kampf zu stimmen. Dafür, daß nur die andern
Aktionäre dabei Geld verloren, wurde dadurch gesorgt, daß man riesige Baisse¬
engagements in den Aktien der eignen Gesellschaft vor den Generalversamm¬
lungen unter der Deckadresse zahlungsfähiger Makler an der Newyorler Börse
einging. Der Krieg wurde bis aufs Messer geführt. Die Pennsylvaniabahn
ging so weit, daß sie, um nur Öl zu bekommen, es kaufte, im Hafen wieder ver¬
kaufte und sich den Preisunterschied als Fracht rechnete. Rockefeller war immer
unterrichtet, wann ihre Tanks übervoll waren, wann sie verkaufen mußte.
Gewaltsam wurde durch riesiges Angebot dann gerade der Markt bis zur
Zerrüttung geworfen. Die Eisenbahn schloß auf spätere Lieferungen ab, um
das zu vermeiden; da explodirten oder brannten große Tanks gerade zum
Fälligkeitstermin, und die Bahn mußte erdrückende Differenzen bezahlen.
Strangs oomvitlgneos! murmelte das Volk. Die Bahn beförderte schließlich
Petroleum umsonst, ja sie bezahlte eine Zeit lang noch acht Cent für das Barret
drauf. Rossi war damals in den Hafenplätzen oft billiger als an der Quelle.

Die riesigen Verluste der vereinigten Bahnen aber bezahlten deren nicht
eingeweihte Kleinaktionäre in Amerika, in England, in Europa, nicht Rocke¬
feller und seine Helfer, und so wurde die Pennsylvaniabahn bald mürbe: ihr
Vizepräsident ging zweimal nach Cleveland, um sich mit Johny zu vertragen.
Die Empire Transportativn Compagnie, d. h. die Bahn, verkaufte ihre sämt¬
liche" Raffinerien und Röhrenleitungen an Rockefeller und verpfändete ihm ihre
Tankwagen, ungefähr 60000 Stück. Damit war sie vollständig in seinen
Händen.

Als die beiden Herren einig geworden waren, wurde sofort, der Betrag
ausgerechnet, den die Bahn vom Käufer zu erhalten hatte, und als die Summe
feststand, legte John Rockefeller seinen Check über drei Millionen und sound¬
soviel Dollar auf den Tisch. Herr Vanderbilt ist auch große Zahlen gewöhnt,
aber daß jemand eine so große Summe bares Geld vorrätig hat, darüber hat
er sich sogar gewundert. Für Herrn Rockefeller dagegen muß es etwas all¬
tägliches sein, denn als drei Jahre später das Gericht wieder einmal so that,
als könnte es etwas ausrichten, und dabei auch auf diesen Vorgang die Sprache
kam, konnte sich Herr Rockefeller unter seinem Eide nicht besinnen, daß er je
an einer solchen Verhandlung teilgenommen und dabei der Gegenpartei drei
Millionen Dollar ausgezahlt habe.


Das Petroleum

Kaum merkte Rockefeller, was Vanderbilt beabsichtigte, so nahm er den Kampf ans,
oder vielmehr er brachte es dahin, daß die andern Eisenbahnen den Kampf
als gegen sie geführt ansahen und einen erbitterten Tarifkrieg begannen. Nicht
nur die Newyork-Central- und die Erie-Bahn, sondern auch die Baltimore- und
Ohio-, die Lehigh Valley-, die Reading-, die Atlantic- und Great Western-, die
Lake Shore-Bahn halfen die Kastanien für ihn aus dem Feuer holen. In
der Hauptsache soll er mit Bestechungen gearbeitet haben. Großaktionäre be¬
kamen Millionen, um für den Kampf zu stimmen. Dafür, daß nur die andern
Aktionäre dabei Geld verloren, wurde dadurch gesorgt, daß man riesige Baisse¬
engagements in den Aktien der eignen Gesellschaft vor den Generalversamm¬
lungen unter der Deckadresse zahlungsfähiger Makler an der Newyorler Börse
einging. Der Krieg wurde bis aufs Messer geführt. Die Pennsylvaniabahn
ging so weit, daß sie, um nur Öl zu bekommen, es kaufte, im Hafen wieder ver¬
kaufte und sich den Preisunterschied als Fracht rechnete. Rockefeller war immer
unterrichtet, wann ihre Tanks übervoll waren, wann sie verkaufen mußte.
Gewaltsam wurde durch riesiges Angebot dann gerade der Markt bis zur
Zerrüttung geworfen. Die Eisenbahn schloß auf spätere Lieferungen ab, um
das zu vermeiden; da explodirten oder brannten große Tanks gerade zum
Fälligkeitstermin, und die Bahn mußte erdrückende Differenzen bezahlen.
Strangs oomvitlgneos! murmelte das Volk. Die Bahn beförderte schließlich
Petroleum umsonst, ja sie bezahlte eine Zeit lang noch acht Cent für das Barret
drauf. Rossi war damals in den Hafenplätzen oft billiger als an der Quelle.

Die riesigen Verluste der vereinigten Bahnen aber bezahlten deren nicht
eingeweihte Kleinaktionäre in Amerika, in England, in Europa, nicht Rocke¬
feller und seine Helfer, und so wurde die Pennsylvaniabahn bald mürbe: ihr
Vizepräsident ging zweimal nach Cleveland, um sich mit Johny zu vertragen.
Die Empire Transportativn Compagnie, d. h. die Bahn, verkaufte ihre sämt¬
liche» Raffinerien und Röhrenleitungen an Rockefeller und verpfändete ihm ihre
Tankwagen, ungefähr 60000 Stück. Damit war sie vollständig in seinen
Händen.

Als die beiden Herren einig geworden waren, wurde sofort, der Betrag
ausgerechnet, den die Bahn vom Käufer zu erhalten hatte, und als die Summe
feststand, legte John Rockefeller seinen Check über drei Millionen und sound¬
soviel Dollar auf den Tisch. Herr Vanderbilt ist auch große Zahlen gewöhnt,
aber daß jemand eine so große Summe bares Geld vorrätig hat, darüber hat
er sich sogar gewundert. Für Herrn Rockefeller dagegen muß es etwas all¬
tägliches sein, denn als drei Jahre später das Gericht wieder einmal so that,
als könnte es etwas ausrichten, und dabei auch auf diesen Vorgang die Sprache
kam, konnte sich Herr Rockefeller unter seinem Eide nicht besinnen, daß er je
an einer solchen Verhandlung teilgenommen und dabei der Gegenpartei drei
Millionen Dollar ausgezahlt habe.


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[0380] Das Petroleum Kaum merkte Rockefeller, was Vanderbilt beabsichtigte, so nahm er den Kampf ans, oder vielmehr er brachte es dahin, daß die andern Eisenbahnen den Kampf als gegen sie geführt ansahen und einen erbitterten Tarifkrieg begannen. Nicht nur die Newyork-Central- und die Erie-Bahn, sondern auch die Baltimore- und Ohio-, die Lehigh Valley-, die Reading-, die Atlantic- und Great Western-, die Lake Shore-Bahn halfen die Kastanien für ihn aus dem Feuer holen. In der Hauptsache soll er mit Bestechungen gearbeitet haben. Großaktionäre be¬ kamen Millionen, um für den Kampf zu stimmen. Dafür, daß nur die andern Aktionäre dabei Geld verloren, wurde dadurch gesorgt, daß man riesige Baisse¬ engagements in den Aktien der eignen Gesellschaft vor den Generalversamm¬ lungen unter der Deckadresse zahlungsfähiger Makler an der Newyorler Börse einging. Der Krieg wurde bis aufs Messer geführt. Die Pennsylvaniabahn ging so weit, daß sie, um nur Öl zu bekommen, es kaufte, im Hafen wieder ver¬ kaufte und sich den Preisunterschied als Fracht rechnete. Rockefeller war immer unterrichtet, wann ihre Tanks übervoll waren, wann sie verkaufen mußte. Gewaltsam wurde durch riesiges Angebot dann gerade der Markt bis zur Zerrüttung geworfen. Die Eisenbahn schloß auf spätere Lieferungen ab, um das zu vermeiden; da explodirten oder brannten große Tanks gerade zum Fälligkeitstermin, und die Bahn mußte erdrückende Differenzen bezahlen. Strangs oomvitlgneos! murmelte das Volk. Die Bahn beförderte schließlich Petroleum umsonst, ja sie bezahlte eine Zeit lang noch acht Cent für das Barret drauf. Rossi war damals in den Hafenplätzen oft billiger als an der Quelle. Die riesigen Verluste der vereinigten Bahnen aber bezahlten deren nicht eingeweihte Kleinaktionäre in Amerika, in England, in Europa, nicht Rocke¬ feller und seine Helfer, und so wurde die Pennsylvaniabahn bald mürbe: ihr Vizepräsident ging zweimal nach Cleveland, um sich mit Johny zu vertragen. Die Empire Transportativn Compagnie, d. h. die Bahn, verkaufte ihre sämt¬ liche» Raffinerien und Röhrenleitungen an Rockefeller und verpfändete ihm ihre Tankwagen, ungefähr 60000 Stück. Damit war sie vollständig in seinen Händen. Als die beiden Herren einig geworden waren, wurde sofort, der Betrag ausgerechnet, den die Bahn vom Käufer zu erhalten hatte, und als die Summe feststand, legte John Rockefeller seinen Check über drei Millionen und sound¬ soviel Dollar auf den Tisch. Herr Vanderbilt ist auch große Zahlen gewöhnt, aber daß jemand eine so große Summe bares Geld vorrätig hat, darüber hat er sich sogar gewundert. Für Herrn Rockefeller dagegen muß es etwas all¬ tägliches sein, denn als drei Jahre später das Gericht wieder einmal so that, als könnte es etwas ausrichten, und dabei auch auf diesen Vorgang die Sprache kam, konnte sich Herr Rockefeller unter seinem Eide nicht besinnen, daß er je an einer solchen Verhandlung teilgenommen und dabei der Gegenpartei drei Millionen Dollar ausgezahlt habe.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/380>, abgerufen am 24.07.2024.