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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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Das Petroleum

Belohnung für diesen "Abschluß" doch nur sechsundeinehalbe Million Dollar,
sagen wir rund fünfundzwanzig Millionen Mark, jährlich in die Tasche stecken!

Da legte sich ein schwerer Druck auf das Ölgeschäft Pennshlvnniens. Kein
Mensch begriff, wie das zuging. Die erhöhte, für alle gleiche Fracht konnte es
nicht sein, die Kursschwankungen waren in ein und derselben Woche häufig
viel beträchtlicher, und zu allen Preisen stieg der heimische und der europäische
Verbrauch. Alle Welt verlor Geld in dem Geschäft. Nur der Standardbande
da drüben in Cleveland schien es zu glücken. Vermutlich enormes Glück in
Hauffe und Baisse an den Olbörsen, sonst war es gar nicht denkbar. Aber
merkwürdig: die Leute hatten augenscheinlich immer Glück, und die andern
konnten zehnmal mit einem großen Gewinn heimziehen, langsam, allmählich,
aber unheimlich sicher schien es ihnen wieder durch die Finger zu rinnen. Die
unternehmendsten Leute verloren den Mut. Der eine machte bankrott, der
andre beging Selbstmord, der dritte wanderte ins Irrenhaus.

Nach und nach -- es waren Jahre vergange" -- begann von den Kon¬
trakten zwischen der Fortschrittsgesellschaft und den Eisenbahnen etwas durch-
zusickeru, man fing an, zu begreifen, weshalb das Petroleumgeschäft schlechter¬
dings nicht mehr lohnte, weshalb einer nach dem andern seine Raffinerie an
die Standard Oil Compagnie zur Hälfte des Anschasfungswerts verkaufte.
Die Aufregung in den Ölgegenden wuchs und wurde gefahrdrohend, so sehr,
daß sich endlich der Nationalkongreß gemüssigt sah, die Abmachungen mit den
Eisenbahnen zu untersuchen. Aber die Sache rückte nicht von der Stelle.
Einer der Hauptzeugen, der Rockefeller hätte gefährlich werden können, weigerte
sich plötzlich, zu sprechen. Überhaupt, was auch immer gegen Rockefeller und
seine Dutzende von Petroleumfirmen unternommen worden ist, es geschah nichts
ernstliches gegen sie. Man erzählt sich in Amerika ganz lant, was der und der
Richter oder der und der Gesetzgeber die Standard Oil Compagnie gekostet habe.
Das ist nicht Börsen- oder Stadtklatsch. Der Richter David Davis hat sich amtlich
so ausgedrückt: Große Körperschaften, fest verbündete Riesenbetriebe besetzen die
Wege zur Macht ... Es ist ein öffentliches Geheimnis, daß sie dnrch Ein¬
setzung von gesetzgebenden Versammlungen einzelne Staaten beherrschen und
die Gerichte korrumpiren, daß sie mächtig im Kongreß und skrupellos in der
Anwendung von Mittel,, sind.

Schließlich wurde die "South Improvement Compagnie" aufgelöst. Und
so machte man es künftig immer, wenn es allzu heiß wurde: die Form zerrann,
die Sache blieb. Es wurden mit andern zu diesem Zwecke ins Leben gernfnen Ge¬
sellschaften neue Kontrakte gemacht. Die Pennsylvaniabahn hat einmal unter der
Leitung Vanderbilts versucht, sich von dem Joche der Standard Oil Compagnie
wieder zu befreien. Die Bahn gründete eine Scheingesellschaft a 1a Rockefeller,
die Empire Transportation Compagnie, die im großen Umfange Eisenbahn¬
tankwagen, Röhrenleitungen und Raffinerien zu bauen und zu kaufen begann.


Grmzbow, IV 1895 43
Das Petroleum

Belohnung für diesen „Abschluß" doch nur sechsundeinehalbe Million Dollar,
sagen wir rund fünfundzwanzig Millionen Mark, jährlich in die Tasche stecken!

Da legte sich ein schwerer Druck auf das Ölgeschäft Pennshlvnniens. Kein
Mensch begriff, wie das zuging. Die erhöhte, für alle gleiche Fracht konnte es
nicht sein, die Kursschwankungen waren in ein und derselben Woche häufig
viel beträchtlicher, und zu allen Preisen stieg der heimische und der europäische
Verbrauch. Alle Welt verlor Geld in dem Geschäft. Nur der Standardbande
da drüben in Cleveland schien es zu glücken. Vermutlich enormes Glück in
Hauffe und Baisse an den Olbörsen, sonst war es gar nicht denkbar. Aber
merkwürdig: die Leute hatten augenscheinlich immer Glück, und die andern
konnten zehnmal mit einem großen Gewinn heimziehen, langsam, allmählich,
aber unheimlich sicher schien es ihnen wieder durch die Finger zu rinnen. Die
unternehmendsten Leute verloren den Mut. Der eine machte bankrott, der
andre beging Selbstmord, der dritte wanderte ins Irrenhaus.

Nach und nach — es waren Jahre vergange» — begann von den Kon¬
trakten zwischen der Fortschrittsgesellschaft und den Eisenbahnen etwas durch-
zusickeru, man fing an, zu begreifen, weshalb das Petroleumgeschäft schlechter¬
dings nicht mehr lohnte, weshalb einer nach dem andern seine Raffinerie an
die Standard Oil Compagnie zur Hälfte des Anschasfungswerts verkaufte.
Die Aufregung in den Ölgegenden wuchs und wurde gefahrdrohend, so sehr,
daß sich endlich der Nationalkongreß gemüssigt sah, die Abmachungen mit den
Eisenbahnen zu untersuchen. Aber die Sache rückte nicht von der Stelle.
Einer der Hauptzeugen, der Rockefeller hätte gefährlich werden können, weigerte
sich plötzlich, zu sprechen. Überhaupt, was auch immer gegen Rockefeller und
seine Dutzende von Petroleumfirmen unternommen worden ist, es geschah nichts
ernstliches gegen sie. Man erzählt sich in Amerika ganz lant, was der und der
Richter oder der und der Gesetzgeber die Standard Oil Compagnie gekostet habe.
Das ist nicht Börsen- oder Stadtklatsch. Der Richter David Davis hat sich amtlich
so ausgedrückt: Große Körperschaften, fest verbündete Riesenbetriebe besetzen die
Wege zur Macht ... Es ist ein öffentliches Geheimnis, daß sie dnrch Ein¬
setzung von gesetzgebenden Versammlungen einzelne Staaten beherrschen und
die Gerichte korrumpiren, daß sie mächtig im Kongreß und skrupellos in der
Anwendung von Mittel,, sind.

Schließlich wurde die „South Improvement Compagnie" aufgelöst. Und
so machte man es künftig immer, wenn es allzu heiß wurde: die Form zerrann,
die Sache blieb. Es wurden mit andern zu diesem Zwecke ins Leben gernfnen Ge¬
sellschaften neue Kontrakte gemacht. Die Pennsylvaniabahn hat einmal unter der
Leitung Vanderbilts versucht, sich von dem Joche der Standard Oil Compagnie
wieder zu befreien. Die Bahn gründete eine Scheingesellschaft a 1a Rockefeller,
die Empire Transportation Compagnie, die im großen Umfange Eisenbahn¬
tankwagen, Röhrenleitungen und Raffinerien zu bauen und zu kaufen begann.


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[0379] Das Petroleum Belohnung für diesen „Abschluß" doch nur sechsundeinehalbe Million Dollar, sagen wir rund fünfundzwanzig Millionen Mark, jährlich in die Tasche stecken! Da legte sich ein schwerer Druck auf das Ölgeschäft Pennshlvnniens. Kein Mensch begriff, wie das zuging. Die erhöhte, für alle gleiche Fracht konnte es nicht sein, die Kursschwankungen waren in ein und derselben Woche häufig viel beträchtlicher, und zu allen Preisen stieg der heimische und der europäische Verbrauch. Alle Welt verlor Geld in dem Geschäft. Nur der Standardbande da drüben in Cleveland schien es zu glücken. Vermutlich enormes Glück in Hauffe und Baisse an den Olbörsen, sonst war es gar nicht denkbar. Aber merkwürdig: die Leute hatten augenscheinlich immer Glück, und die andern konnten zehnmal mit einem großen Gewinn heimziehen, langsam, allmählich, aber unheimlich sicher schien es ihnen wieder durch die Finger zu rinnen. Die unternehmendsten Leute verloren den Mut. Der eine machte bankrott, der andre beging Selbstmord, der dritte wanderte ins Irrenhaus. Nach und nach — es waren Jahre vergange» — begann von den Kon¬ trakten zwischen der Fortschrittsgesellschaft und den Eisenbahnen etwas durch- zusickeru, man fing an, zu begreifen, weshalb das Petroleumgeschäft schlechter¬ dings nicht mehr lohnte, weshalb einer nach dem andern seine Raffinerie an die Standard Oil Compagnie zur Hälfte des Anschasfungswerts verkaufte. Die Aufregung in den Ölgegenden wuchs und wurde gefahrdrohend, so sehr, daß sich endlich der Nationalkongreß gemüssigt sah, die Abmachungen mit den Eisenbahnen zu untersuchen. Aber die Sache rückte nicht von der Stelle. Einer der Hauptzeugen, der Rockefeller hätte gefährlich werden können, weigerte sich plötzlich, zu sprechen. Überhaupt, was auch immer gegen Rockefeller und seine Dutzende von Petroleumfirmen unternommen worden ist, es geschah nichts ernstliches gegen sie. Man erzählt sich in Amerika ganz lant, was der und der Richter oder der und der Gesetzgeber die Standard Oil Compagnie gekostet habe. Das ist nicht Börsen- oder Stadtklatsch. Der Richter David Davis hat sich amtlich so ausgedrückt: Große Körperschaften, fest verbündete Riesenbetriebe besetzen die Wege zur Macht ... Es ist ein öffentliches Geheimnis, daß sie dnrch Ein¬ setzung von gesetzgebenden Versammlungen einzelne Staaten beherrschen und die Gerichte korrumpiren, daß sie mächtig im Kongreß und skrupellos in der Anwendung von Mittel,, sind. Schließlich wurde die „South Improvement Compagnie" aufgelöst. Und so machte man es künftig immer, wenn es allzu heiß wurde: die Form zerrann, die Sache blieb. Es wurden mit andern zu diesem Zwecke ins Leben gernfnen Ge¬ sellschaften neue Kontrakte gemacht. Die Pennsylvaniabahn hat einmal unter der Leitung Vanderbilts versucht, sich von dem Joche der Standard Oil Compagnie wieder zu befreien. Die Bahn gründete eine Scheingesellschaft a 1a Rockefeller, die Empire Transportation Compagnie, die im großen Umfange Eisenbahn¬ tankwagen, Röhrenleitungen und Raffinerien zu bauen und zu kaufen begann. Grmzbow, IV 1895 43

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/379>, abgerufen am 25.07.2024.