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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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Das Petroleum

Die mit ihm siegenden Eisenbahnen hatten jetzt ebenso große Furcht vor
ihm, wie die besiegte. Keine wagte mehr zu mucksen. Nur einmal noch hatten
sie eine leise Hoffnung. Zu Vnnderbilt kommt eines schönen Tages, vor¬
züglich empfohlen, ein Mann, der ihm erklärt, daß er in Verbindung mit
einigen westlichen Mammutkapitalisten das Öltransport- und Raffincriegeschäft
aufnehmen wolle, und zwar mit Mitteln, die ihm mit Leichtigkeit erlauben
würden, selbst gegen die Standard Oil Compagnie erfolgreich zu konkurriren,
wenn er nur die Unterstützung einer Hauptbahn funde, am liebsten der seinigen.
Wenn die Pennshlvaniabcchn der neuen Gesellschaft einen Frachtrabatt von
Cent für das Barret einräumen wolle von den Sätzen, die die Rockefcller-
gesellschaft bezahle, so würde sie sich einen neuen treuen Kunden gewinnen, der
gelegentlich auch gegen die Standard Oil Compagnie ausgespielt werden könnte.

Vanderbilt entschloß sich, dieses Opfer von 22>/z Cent zu bringen, in der
Hoffnung, der Standard Oil Compagnie einen Gegner zu erziehen. Man kam
überein, daß dieses Abkommen streng geheim bleiben, vor allem, daß weder
die Standard Oil Compagnie noch die beiden andern Hauptbahnen etwas
davon erfahren dürften.

Aber selbstverständlich hatten auch diese Bahnen denselben Vertrag mit
der American Transfer Compagnie gezeichnet, hinter der sich wieder nur Herr
John D. Rockefeller versteckt hatte. Man sieht, es war nicht einmal ein neuer
Gedanke, sondern in,ut"ti8 inne,Wal8 derselbe Schwindel, mit dem er vor so¬
undsoviel Jahren zuerst den Fuß in den Bügel bekommen hatte. Aber die An¬
sichten über geistige Leistungen müssen wohl verschieden sein, denn Vanderbilt
hat damals bewundernd ausgerufen: Mis.t g, Suard tsllov!

Dieses letzte Kümmelblättchen brachte also der Standard Oil Compagnie
22V2 Cent auf jedes Barret. Die American Transfer Compagnie hat nie etwas
andres gethan, als diese Rückvergütung einzukassiren, damit die Standard
Oil Compagnie nicht als Empfängerin aufzutreten brauchte. Mit ganzen
100000 Dollar Kapital gegründet, zahlte sie im Jahre darauf (1878)
3500000 Dollar Dividende, das heißt fünfunddreißigmal soviel, als ihr Grund¬
kapital betrug.

Seitdem wagten die Bahnen nichts mehr gegen Rockefeller zu thun. Die
Hauptröhrenleituugeu hatte er nach und nach entweder mit den Bahnen zu¬
gleich, die zum großen Teil Besitzer waren, oder nebenher auf ähnlich ge¬
schäftstüchtige Weise in die Hand bekommen. Die Produzenten mußten das
Rossi zu dem Preise verkaufen, den er diktirte, sie mußten in seinen Bureaus
Queue bilden und froh sein, wenn er es überhaupt nahm. Weigerten sie sich,
so verweigerten die Pipelinegesellschaft und die Eisenbahnen die Aufnahme
ihres Öls, und sie mußten es unbenutzt über die Felder laufen lassen.

In Pennshlvanien fing es wieder an zu gähren. Es wurden stürmische
Versammlungen abgehalten, und die Bewegung wuchs, obgleich die Zeitungen


Das Petroleum

Die mit ihm siegenden Eisenbahnen hatten jetzt ebenso große Furcht vor
ihm, wie die besiegte. Keine wagte mehr zu mucksen. Nur einmal noch hatten
sie eine leise Hoffnung. Zu Vnnderbilt kommt eines schönen Tages, vor¬
züglich empfohlen, ein Mann, der ihm erklärt, daß er in Verbindung mit
einigen westlichen Mammutkapitalisten das Öltransport- und Raffincriegeschäft
aufnehmen wolle, und zwar mit Mitteln, die ihm mit Leichtigkeit erlauben
würden, selbst gegen die Standard Oil Compagnie erfolgreich zu konkurriren,
wenn er nur die Unterstützung einer Hauptbahn funde, am liebsten der seinigen.
Wenn die Pennshlvaniabcchn der neuen Gesellschaft einen Frachtrabatt von
Cent für das Barret einräumen wolle von den Sätzen, die die Rockefcller-
gesellschaft bezahle, so würde sie sich einen neuen treuen Kunden gewinnen, der
gelegentlich auch gegen die Standard Oil Compagnie ausgespielt werden könnte.

Vanderbilt entschloß sich, dieses Opfer von 22>/z Cent zu bringen, in der
Hoffnung, der Standard Oil Compagnie einen Gegner zu erziehen. Man kam
überein, daß dieses Abkommen streng geheim bleiben, vor allem, daß weder
die Standard Oil Compagnie noch die beiden andern Hauptbahnen etwas
davon erfahren dürften.

Aber selbstverständlich hatten auch diese Bahnen denselben Vertrag mit
der American Transfer Compagnie gezeichnet, hinter der sich wieder nur Herr
John D. Rockefeller versteckt hatte. Man sieht, es war nicht einmal ein neuer
Gedanke, sondern in,ut»ti8 inne,Wal8 derselbe Schwindel, mit dem er vor so¬
undsoviel Jahren zuerst den Fuß in den Bügel bekommen hatte. Aber die An¬
sichten über geistige Leistungen müssen wohl verschieden sein, denn Vanderbilt
hat damals bewundernd ausgerufen: Mis.t g, Suard tsllov!

Dieses letzte Kümmelblättchen brachte also der Standard Oil Compagnie
22V2 Cent auf jedes Barret. Die American Transfer Compagnie hat nie etwas
andres gethan, als diese Rückvergütung einzukassiren, damit die Standard
Oil Compagnie nicht als Empfängerin aufzutreten brauchte. Mit ganzen
100000 Dollar Kapital gegründet, zahlte sie im Jahre darauf (1878)
3500000 Dollar Dividende, das heißt fünfunddreißigmal soviel, als ihr Grund¬
kapital betrug.

Seitdem wagten die Bahnen nichts mehr gegen Rockefeller zu thun. Die
Hauptröhrenleituugeu hatte er nach und nach entweder mit den Bahnen zu¬
gleich, die zum großen Teil Besitzer waren, oder nebenher auf ähnlich ge¬
schäftstüchtige Weise in die Hand bekommen. Die Produzenten mußten das
Rossi zu dem Preise verkaufen, den er diktirte, sie mußten in seinen Bureaus
Queue bilden und froh sein, wenn er es überhaupt nahm. Weigerten sie sich,
so verweigerten die Pipelinegesellschaft und die Eisenbahnen die Aufnahme
ihres Öls, und sie mußten es unbenutzt über die Felder laufen lassen.

In Pennshlvanien fing es wieder an zu gähren. Es wurden stürmische
Versammlungen abgehalten, und die Bewegung wuchs, obgleich die Zeitungen


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[0381] Das Petroleum Die mit ihm siegenden Eisenbahnen hatten jetzt ebenso große Furcht vor ihm, wie die besiegte. Keine wagte mehr zu mucksen. Nur einmal noch hatten sie eine leise Hoffnung. Zu Vnnderbilt kommt eines schönen Tages, vor¬ züglich empfohlen, ein Mann, der ihm erklärt, daß er in Verbindung mit einigen westlichen Mammutkapitalisten das Öltransport- und Raffincriegeschäft aufnehmen wolle, und zwar mit Mitteln, die ihm mit Leichtigkeit erlauben würden, selbst gegen die Standard Oil Compagnie erfolgreich zu konkurriren, wenn er nur die Unterstützung einer Hauptbahn funde, am liebsten der seinigen. Wenn die Pennshlvaniabcchn der neuen Gesellschaft einen Frachtrabatt von Cent für das Barret einräumen wolle von den Sätzen, die die Rockefcller- gesellschaft bezahle, so würde sie sich einen neuen treuen Kunden gewinnen, der gelegentlich auch gegen die Standard Oil Compagnie ausgespielt werden könnte. Vanderbilt entschloß sich, dieses Opfer von 22>/z Cent zu bringen, in der Hoffnung, der Standard Oil Compagnie einen Gegner zu erziehen. Man kam überein, daß dieses Abkommen streng geheim bleiben, vor allem, daß weder die Standard Oil Compagnie noch die beiden andern Hauptbahnen etwas davon erfahren dürften. Aber selbstverständlich hatten auch diese Bahnen denselben Vertrag mit der American Transfer Compagnie gezeichnet, hinter der sich wieder nur Herr John D. Rockefeller versteckt hatte. Man sieht, es war nicht einmal ein neuer Gedanke, sondern in,ut»ti8 inne,Wal8 derselbe Schwindel, mit dem er vor so¬ undsoviel Jahren zuerst den Fuß in den Bügel bekommen hatte. Aber die An¬ sichten über geistige Leistungen müssen wohl verschieden sein, denn Vanderbilt hat damals bewundernd ausgerufen: Mis.t g, Suard tsllov! Dieses letzte Kümmelblättchen brachte also der Standard Oil Compagnie 22V2 Cent auf jedes Barret. Die American Transfer Compagnie hat nie etwas andres gethan, als diese Rückvergütung einzukassiren, damit die Standard Oil Compagnie nicht als Empfängerin aufzutreten brauchte. Mit ganzen 100000 Dollar Kapital gegründet, zahlte sie im Jahre darauf (1878) 3500000 Dollar Dividende, das heißt fünfunddreißigmal soviel, als ihr Grund¬ kapital betrug. Seitdem wagten die Bahnen nichts mehr gegen Rockefeller zu thun. Die Hauptröhrenleituugeu hatte er nach und nach entweder mit den Bahnen zu¬ gleich, die zum großen Teil Besitzer waren, oder nebenher auf ähnlich ge¬ schäftstüchtige Weise in die Hand bekommen. Die Produzenten mußten das Rossi zu dem Preise verkaufen, den er diktirte, sie mußten in seinen Bureaus Queue bilden und froh sein, wenn er es überhaupt nahm. Weigerten sie sich, so verweigerten die Pipelinegesellschaft und die Eisenbahnen die Aufnahme ihres Öls, und sie mußten es unbenutzt über die Felder laufen lassen. In Pennshlvanien fing es wieder an zu gähren. Es wurden stürmische Versammlungen abgehalten, und die Bewegung wuchs, obgleich die Zeitungen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/381>, abgerufen am 24.07.2024.