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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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Das Petroleum

von hervorragender Charakterstärke" zu nennen. Sehen wir uns diesen "Cha¬
rakter" etwas näher an.

Das Geld der andern war sein Ziel. Sich alle diese laufende von Naffi-
neuren, glücklichen Quellenfindern, Öllandbesitzern tributpflichtig zu machen
ohne eigue Arbeit, das war sein goldner Traum. Wo. aber war das Mittel
zur Erfüllung?

Rossi ay der Produktionsstelle kostete verhältnismäßig sehr wenig, an
dem Preise, den man am Hafenplatze, in Philadelphia, in Newyork bezahlte,
hatten die Transportkosten bei weitem den größern Anteil. Das sah jeder,
sah also auch John D. Rockefeller. Er sah aber noch etwas mehr. ,

Drei Eisenbahnen waren gegen das Ölgebiet vorgerückt: die Newyork-
Central-, die Pennsylvania-Central- und die Lake-Eriebahn. Diese Bahnen
waren durch das "Zwischenstaatliche Handelsgesetz der Vereinigten Staaten,"
wie ganz selbstverständlich, verpflichtet, "keinen Kunden vor dem andern zu
bevorzugen oder einem den Versand seiner Güter zu verweigern." Das wußten
alle Leute, und deshalb glaubten auch alle, nur durch Glück im Auffinden von
Ol, durch überlegne Fabrikation, Verbesserung des Öls oder erfolgreiche Spe¬
kulation könne man im Petroleumhandel seinen Weg machen. Rockefeller aber
sagte sich immer und immer wieder: die Eisenbahnen muß man in die Hand
bekommen, dann kann man alle die tausende und abertausende von "Öl-
männern" zinspflichtig machen.

Jedem andern wäre vielleicht der Gedanke, gegen diese mächtigen, meist
von einem Großaktionär und Millionär straff persönlich geleiteten Eisenbahnen
vorzugehen, noch verwegner erschienen als der, einen Angriff auf das Geld
der unzähligen Petroleumindustriellen und -Händler zu machen. Rockefeller
wurde aber von seinem Instinkt ganz richtig dahin belehrt, daß man nicht
tausende, wohl aber drei Leute gleichzeitig betrügen könne.

Es ist zweifelhaft, ob Rockefeller weiß, wer Epaminondas war. Aber
dessen schräge Schlachtordnung hat er, zeitgemäß vergaunert, in den "wirt¬
schaftlichen Kampf" eingeführt. Seine Gegner sahen immer außer der Kolonne,
deren Angriff zunächst zu erwarten stand, noch andre Feindesscharen, mit denen
zu rechnen war, ihre Aufmerksamkeit wurde zersplittert, ihre Wachsamkeit von
dem Punkte abgelenkt, auf den der Hauptstoß berechnet war.

Zu diesem Zwecke schuf Herr Rockefeller immer neue Firmen, mit denen er
sich scheinbar vertrug und scheinbar stritt, die er bald so bald so ausspielte, und
hinter denen im letzten Grunde doch immer er selber war. Den Angriff auf
die Eisenbahnen maskirte er dadurch, daß er unter dem schönen Namen "South
Improvement Compagnie" eine Gesellschaft gründete, die erklärte, sich mit der
Spedition von Petroleum im großen Stil befassen zu wollen. "South Im¬
provement Compagnie" klang gut. Das Wort "improvement" hat drüben
ungefähr denselben Reiz wie bei uns "Fortschritt." Und diese Petroleum-


Das Petroleum

von hervorragender Charakterstärke" zu nennen. Sehen wir uns diesen „Cha¬
rakter" etwas näher an.

Das Geld der andern war sein Ziel. Sich alle diese laufende von Naffi-
neuren, glücklichen Quellenfindern, Öllandbesitzern tributpflichtig zu machen
ohne eigue Arbeit, das war sein goldner Traum. Wo. aber war das Mittel
zur Erfüllung?

Rossi ay der Produktionsstelle kostete verhältnismäßig sehr wenig, an
dem Preise, den man am Hafenplatze, in Philadelphia, in Newyork bezahlte,
hatten die Transportkosten bei weitem den größern Anteil. Das sah jeder,
sah also auch John D. Rockefeller. Er sah aber noch etwas mehr. ,

Drei Eisenbahnen waren gegen das Ölgebiet vorgerückt: die Newyork-
Central-, die Pennsylvania-Central- und die Lake-Eriebahn. Diese Bahnen
waren durch das „Zwischenstaatliche Handelsgesetz der Vereinigten Staaten,"
wie ganz selbstverständlich, verpflichtet, „keinen Kunden vor dem andern zu
bevorzugen oder einem den Versand seiner Güter zu verweigern." Das wußten
alle Leute, und deshalb glaubten auch alle, nur durch Glück im Auffinden von
Ol, durch überlegne Fabrikation, Verbesserung des Öls oder erfolgreiche Spe¬
kulation könne man im Petroleumhandel seinen Weg machen. Rockefeller aber
sagte sich immer und immer wieder: die Eisenbahnen muß man in die Hand
bekommen, dann kann man alle die tausende und abertausende von „Öl-
männern" zinspflichtig machen.

Jedem andern wäre vielleicht der Gedanke, gegen diese mächtigen, meist
von einem Großaktionär und Millionär straff persönlich geleiteten Eisenbahnen
vorzugehen, noch verwegner erschienen als der, einen Angriff auf das Geld
der unzähligen Petroleumindustriellen und -Händler zu machen. Rockefeller
wurde aber von seinem Instinkt ganz richtig dahin belehrt, daß man nicht
tausende, wohl aber drei Leute gleichzeitig betrügen könne.

Es ist zweifelhaft, ob Rockefeller weiß, wer Epaminondas war. Aber
dessen schräge Schlachtordnung hat er, zeitgemäß vergaunert, in den „wirt¬
schaftlichen Kampf" eingeführt. Seine Gegner sahen immer außer der Kolonne,
deren Angriff zunächst zu erwarten stand, noch andre Feindesscharen, mit denen
zu rechnen war, ihre Aufmerksamkeit wurde zersplittert, ihre Wachsamkeit von
dem Punkte abgelenkt, auf den der Hauptstoß berechnet war.

Zu diesem Zwecke schuf Herr Rockefeller immer neue Firmen, mit denen er
sich scheinbar vertrug und scheinbar stritt, die er bald so bald so ausspielte, und
hinter denen im letzten Grunde doch immer er selber war. Den Angriff auf
die Eisenbahnen maskirte er dadurch, daß er unter dem schönen Namen „South
Improvement Compagnie" eine Gesellschaft gründete, die erklärte, sich mit der
Spedition von Petroleum im großen Stil befassen zu wollen. „South Im¬
provement Compagnie" klang gut. Das Wort „improvement" hat drüben
ungefähr denselben Reiz wie bei uns „Fortschritt." Und diese Petroleum-


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[0376] Das Petroleum von hervorragender Charakterstärke" zu nennen. Sehen wir uns diesen „Cha¬ rakter" etwas näher an. Das Geld der andern war sein Ziel. Sich alle diese laufende von Naffi- neuren, glücklichen Quellenfindern, Öllandbesitzern tributpflichtig zu machen ohne eigue Arbeit, das war sein goldner Traum. Wo. aber war das Mittel zur Erfüllung? Rossi ay der Produktionsstelle kostete verhältnismäßig sehr wenig, an dem Preise, den man am Hafenplatze, in Philadelphia, in Newyork bezahlte, hatten die Transportkosten bei weitem den größern Anteil. Das sah jeder, sah also auch John D. Rockefeller. Er sah aber noch etwas mehr. , Drei Eisenbahnen waren gegen das Ölgebiet vorgerückt: die Newyork- Central-, die Pennsylvania-Central- und die Lake-Eriebahn. Diese Bahnen waren durch das „Zwischenstaatliche Handelsgesetz der Vereinigten Staaten," wie ganz selbstverständlich, verpflichtet, „keinen Kunden vor dem andern zu bevorzugen oder einem den Versand seiner Güter zu verweigern." Das wußten alle Leute, und deshalb glaubten auch alle, nur durch Glück im Auffinden von Ol, durch überlegne Fabrikation, Verbesserung des Öls oder erfolgreiche Spe¬ kulation könne man im Petroleumhandel seinen Weg machen. Rockefeller aber sagte sich immer und immer wieder: die Eisenbahnen muß man in die Hand bekommen, dann kann man alle die tausende und abertausende von „Öl- männern" zinspflichtig machen. Jedem andern wäre vielleicht der Gedanke, gegen diese mächtigen, meist von einem Großaktionär und Millionär straff persönlich geleiteten Eisenbahnen vorzugehen, noch verwegner erschienen als der, einen Angriff auf das Geld der unzähligen Petroleumindustriellen und -Händler zu machen. Rockefeller wurde aber von seinem Instinkt ganz richtig dahin belehrt, daß man nicht tausende, wohl aber drei Leute gleichzeitig betrügen könne. Es ist zweifelhaft, ob Rockefeller weiß, wer Epaminondas war. Aber dessen schräge Schlachtordnung hat er, zeitgemäß vergaunert, in den „wirt¬ schaftlichen Kampf" eingeführt. Seine Gegner sahen immer außer der Kolonne, deren Angriff zunächst zu erwarten stand, noch andre Feindesscharen, mit denen zu rechnen war, ihre Aufmerksamkeit wurde zersplittert, ihre Wachsamkeit von dem Punkte abgelenkt, auf den der Hauptstoß berechnet war. Zu diesem Zwecke schuf Herr Rockefeller immer neue Firmen, mit denen er sich scheinbar vertrug und scheinbar stritt, die er bald so bald so ausspielte, und hinter denen im letzten Grunde doch immer er selber war. Den Angriff auf die Eisenbahnen maskirte er dadurch, daß er unter dem schönen Namen „South Improvement Compagnie" eine Gesellschaft gründete, die erklärte, sich mit der Spedition von Petroleum im großen Stil befassen zu wollen. „South Im¬ provement Compagnie" klang gut. Das Wort „improvement" hat drüben ungefähr denselben Reiz wie bei uns „Fortschritt." Und diese Petroleum-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/376>, abgerufen am 25.07.2024.