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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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keine vollständige Sammlung; die Vorlagen haben aus verschiednen Samm¬
lungen zusammengesucht werden müssen. Dabei ist von mehreren Exemplaren
natürlich stets das beste zur Nachbildung ausgewählt worden. Sämtliche Nach¬
bildungen sind in der Größe der Originale hergestellt und aus Büttenpapier
gedruckt; die Originale selbst haben, als sie die Presse verließen, gewiß nicht
schöner ausgesehen, ja wahrscheinlich nicht so schön. Der Herausgeber hat den
Tafeln einen kurzen erläuternden Text beigegeben, der seinerseits wieder mit
einer Anzahl erläuternder Illustrationen versehen ist. An der Spitze des
Bandes befindet sich eine vollendete Nachbildung des herrlichen Cranachschcn
Selbstbildnisses in der Uffiziengalerie in Florenz. Deu Einband schmücken in
Bunt- und Golddruck die beiden sächsischen Wappen, das mit den Kurschwcrteru
und das mit dem Nnntenkranz, und das Cranachsche Monogramm.

In dem ganzen Werke tritt uns Cranach nur als Zeichner entgegen, nicht
als Maler; aber dafür haben wir hier den echten Cranach, "sein selbst Hand,"
wie es auf einem Leipziger Bilde heißt, das ihm zugeschrieben wird,") und wir
haben ihn in seiner besten Zeit.

Von Cranach als Kupferstecher werde" weitere Kreise bisher wohl über¬
haupt nicht viel gewußt haben. Wenn aber von Cranachschen Holzschnitten
die Rede ist, denkt wohl jeder zunächst an die Illustrationen der Lutherscheu
Bibelübersetzung, an die Titeleinfassungen, Titelbilder und Illustrationen zahl¬
reicher Wittenberger Flugschriften aus der Reformationszeit, an die Bildnisse
der Reformatoren und der sächsischen Fürsten -- lauter Erzeugnisse der
Cranachschen Werkstatt aus den zwanziger, dreißiger und vierziger Jahren des
sechzehnten Jahrhunderts, an deren Herstellung außer Cranach selbst auch
manche untergeordnete Hände Anteil gehabt haben. Was dagegen in dem
vorliegenden Bande vereinigt ist, fällt alles vor diese Zeit, es gehört in der
Hauptsache den ersten beiden Jahrzehnten des sechzehnten Jahrhunderts an und
ist sicherlich meist eigenhändige Arbeit des Künstlers ohne fremde Zuthat.

Es ist bekannt, daß Cranach im Jahre 1504, also im Alter von zwei-
unddreißig Jahren, als Hofmaler in den Dienst Kurfürst Friedrichs des Weisen
trat. Zu danken hatte er diese Berufung wahrscheinlich dem Bilde, das er für
den Hauptaltar der 1503 geweihten Stiftskirche in Wittenberg gemalt hat, und
das 1760 bei dem Brande der Kirche zerstört worden ist. Es fehlt zwar an



Die Leipziger Stlldtbibliothek besitzt außer einem guten gemalten Exemplar des "Luther
als Junker Georg" auch noch das Bildnis eines jungen Mannes, das sich durch zwei In¬
schriften auf seiner Rückseite für ein Werk Cranachs ausgiebt. Am obern Rande steht: "Meins
Grvsvatern Gerhart Volk Contrafei kurtz hernach als er sein erstes Weib gecheliget, ist ab¬
gemahlet Anno 1518 vom alten Lucas Chranach," und in der Mitte mit großer gotischer
Schrift-, "Anno domini xv'xviij Meister Lucns sein selbst h.uidt." Der seine, durchgeistigte
Kops mit den sinnend blickenden Augen ist voller Lebenswahrheit. Ist aber das Bild wirklich
von Craucich?

keine vollständige Sammlung; die Vorlagen haben aus verschiednen Samm¬
lungen zusammengesucht werden müssen. Dabei ist von mehreren Exemplaren
natürlich stets das beste zur Nachbildung ausgewählt worden. Sämtliche Nach¬
bildungen sind in der Größe der Originale hergestellt und aus Büttenpapier
gedruckt; die Originale selbst haben, als sie die Presse verließen, gewiß nicht
schöner ausgesehen, ja wahrscheinlich nicht so schön. Der Herausgeber hat den
Tafeln einen kurzen erläuternden Text beigegeben, der seinerseits wieder mit
einer Anzahl erläuternder Illustrationen versehen ist. An der Spitze des
Bandes befindet sich eine vollendete Nachbildung des herrlichen Cranachschcn
Selbstbildnisses in der Uffiziengalerie in Florenz. Deu Einband schmücken in
Bunt- und Golddruck die beiden sächsischen Wappen, das mit den Kurschwcrteru
und das mit dem Nnntenkranz, und das Cranachsche Monogramm.

In dem ganzen Werke tritt uns Cranach nur als Zeichner entgegen, nicht
als Maler; aber dafür haben wir hier den echten Cranach, „sein selbst Hand,"
wie es auf einem Leipziger Bilde heißt, das ihm zugeschrieben wird,") und wir
haben ihn in seiner besten Zeit.

Von Cranach als Kupferstecher werde» weitere Kreise bisher wohl über¬
haupt nicht viel gewußt haben. Wenn aber von Cranachschen Holzschnitten
die Rede ist, denkt wohl jeder zunächst an die Illustrationen der Lutherscheu
Bibelübersetzung, an die Titeleinfassungen, Titelbilder und Illustrationen zahl¬
reicher Wittenberger Flugschriften aus der Reformationszeit, an die Bildnisse
der Reformatoren und der sächsischen Fürsten — lauter Erzeugnisse der
Cranachschen Werkstatt aus den zwanziger, dreißiger und vierziger Jahren des
sechzehnten Jahrhunderts, an deren Herstellung außer Cranach selbst auch
manche untergeordnete Hände Anteil gehabt haben. Was dagegen in dem
vorliegenden Bande vereinigt ist, fällt alles vor diese Zeit, es gehört in der
Hauptsache den ersten beiden Jahrzehnten des sechzehnten Jahrhunderts an und
ist sicherlich meist eigenhändige Arbeit des Künstlers ohne fremde Zuthat.

Es ist bekannt, daß Cranach im Jahre 1504, also im Alter von zwei-
unddreißig Jahren, als Hofmaler in den Dienst Kurfürst Friedrichs des Weisen
trat. Zu danken hatte er diese Berufung wahrscheinlich dem Bilde, das er für
den Hauptaltar der 1503 geweihten Stiftskirche in Wittenberg gemalt hat, und
das 1760 bei dem Brande der Kirche zerstört worden ist. Es fehlt zwar an



Die Leipziger Stlldtbibliothek besitzt außer einem guten gemalten Exemplar des „Luther
als Junker Georg" auch noch das Bildnis eines jungen Mannes, das sich durch zwei In¬
schriften auf seiner Rückseite für ein Werk Cranachs ausgiebt. Am obern Rande steht: „Meins
Grvsvatern Gerhart Volk Contrafei kurtz hernach als er sein erstes Weib gecheliget, ist ab¬
gemahlet Anno 1518 vom alten Lucas Chranach," und in der Mitte mit großer gotischer
Schrift-, „Anno domini xv'xviij Meister Lucns sein selbst h.uidt." Der seine, durchgeistigte
Kops mit den sinnend blickenden Augen ist voller Lebenswahrheit. Ist aber das Bild wirklich
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/292>, abgerufen am 03.07.2024.