Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Lukas Lranachs Holzschnitte und Unpferstiche

konnte sich bei ihm ein Bildnis Luthers, ein Altarbild mit einer biblischen
Szene, ein Bild zum Zimmerschmuck mit eiuer mythologischen Darstellung be¬
stellen; man konnte ihm aber auch deu Anstrich eines Hauses, eiuer Mauer,
eines Brunnens, eiuer Stube, eines Ofens, eines Gitters, die Bemalung und
Vergoldung einer Vildschnitzerei, eines Fahnentuchs, eines Wappenschildes,
eiuer Wetterfahne, eines Wagens, eines Schlittens, eines Sattels, eines Aus¬
hängeschildes übertragen. Er beschäftigte eine Menge Gesellen, die in der¬
selben Weise gelernt hatten und arbeiteten, wie er selbst gelernt hatte, als
Handwerker, von denen sich aber die geschicktesten und tüchtigsten auch wieder
zu Künstlern emporschwangen und ihn dann bei der Ausführung seiner zahl¬
reichen Kunstaufträge unterstützten. Daneben betrieb er einen Handel mit
Kunstblättern: er fertigte Kupferstiche und namentlich Holzschnitte und druckte
sie auch selbst, und auch hierzu zog er sich mit der Zeit Gesellen heran; er
hatte also, um es in unserm vornehmen heutigen Deutsch zu sagen, ein "xylo¬
graphisches Institut." Er brachte ferner die erste Apotheke Wittenbergs, die
Dr. Martin Polias, der erste Rektor der Wittenberger Universität, bei der
Gründung der Universität eingerichtet hatte, nach Polichs Tode (1513) in seinen
Besitz und führte sie fort, ein Geschäft, das seiner Malerwerkstatt deshalb nicht
ganz fern lag, weil die Apotheker damals auch deu Handel mit Farben besorgten.
Und noch etwas: uuter seinen Gesellen tritt im Laufe der Zeit immer mehr
sein eigner Sohn Lukas hervor -- in der Kunstgeschichte Lukas Cranach der
Jüngere genannt; wenn er anch dem Vater an Begabung nachsteht, so eignet
er sich doch dessen Kunstart völlig an. Aus diesem ganzen vielseitigen Kunst-,
Handwerks- und Geschäftsbetrieb, worin so viele Hände thätig waren, ein
scharfes und ungetrübtes Bild des Meisters selbst zu gewinnen, ist eine sehr
schwierige Aufgabe. Mit seinem Namen wird eine ungeheure Masse von
Werken in Verbindung gebracht, und sie sind weit zerstreut: wer sie alle mit
eignen Augen sehen wollte, müßte jahrelange Reisen machen. Dennoch wird
und muß auch diese Aufgabe einmal gelöst werden; erst wenn sie gelöst sein
wird, werden wir Cranach kennen. Für weitere Kreise ist er bisher wirklich
nicht viel mehr als ein Name gewesen.

Da ist denn ein Werk mit Freuden zu begrüßen, das soeben im Verlage
von G. Grote in Berlin erschienen ist: Lucas Cranach. Sammlung von
Nachbildungen seiner vorzüglichsten Holzschnitte und seiner Stiche,
hergestellt in der Reichsdruckerei und herausgegeben von F. Lippmauu,
Direktor des königliche" Knpferstichkabinetts in Berlin. (Preis: 10" Mark.)
Dies Werk, ein stattlicher Großfolivband, enthält auf 56 Tafeln die Nach¬
bildungen von 61 Cranachschen Holzschnitten und Kupferstichen. Die meisten
davon sind ursprünglich, wie viele Holzschnitte und Kupferstiche Dürers, als
Eiuzelblätter erschienen; sie wurden an Wände nud Thüren genagelt und gingen
so leicht zu Grunde. Auch unsre größten Kupferstichfammlungen besitzen daher


Lukas Lranachs Holzschnitte und Unpferstiche

konnte sich bei ihm ein Bildnis Luthers, ein Altarbild mit einer biblischen
Szene, ein Bild zum Zimmerschmuck mit eiuer mythologischen Darstellung be¬
stellen; man konnte ihm aber auch deu Anstrich eines Hauses, eiuer Mauer,
eines Brunnens, eiuer Stube, eines Ofens, eines Gitters, die Bemalung und
Vergoldung einer Vildschnitzerei, eines Fahnentuchs, eines Wappenschildes,
eiuer Wetterfahne, eines Wagens, eines Schlittens, eines Sattels, eines Aus¬
hängeschildes übertragen. Er beschäftigte eine Menge Gesellen, die in der¬
selben Weise gelernt hatten und arbeiteten, wie er selbst gelernt hatte, als
Handwerker, von denen sich aber die geschicktesten und tüchtigsten auch wieder
zu Künstlern emporschwangen und ihn dann bei der Ausführung seiner zahl¬
reichen Kunstaufträge unterstützten. Daneben betrieb er einen Handel mit
Kunstblättern: er fertigte Kupferstiche und namentlich Holzschnitte und druckte
sie auch selbst, und auch hierzu zog er sich mit der Zeit Gesellen heran; er
hatte also, um es in unserm vornehmen heutigen Deutsch zu sagen, ein „xylo¬
graphisches Institut." Er brachte ferner die erste Apotheke Wittenbergs, die
Dr. Martin Polias, der erste Rektor der Wittenberger Universität, bei der
Gründung der Universität eingerichtet hatte, nach Polichs Tode (1513) in seinen
Besitz und führte sie fort, ein Geschäft, das seiner Malerwerkstatt deshalb nicht
ganz fern lag, weil die Apotheker damals auch deu Handel mit Farben besorgten.
Und noch etwas: uuter seinen Gesellen tritt im Laufe der Zeit immer mehr
sein eigner Sohn Lukas hervor — in der Kunstgeschichte Lukas Cranach der
Jüngere genannt; wenn er anch dem Vater an Begabung nachsteht, so eignet
er sich doch dessen Kunstart völlig an. Aus diesem ganzen vielseitigen Kunst-,
Handwerks- und Geschäftsbetrieb, worin so viele Hände thätig waren, ein
scharfes und ungetrübtes Bild des Meisters selbst zu gewinnen, ist eine sehr
schwierige Aufgabe. Mit seinem Namen wird eine ungeheure Masse von
Werken in Verbindung gebracht, und sie sind weit zerstreut: wer sie alle mit
eignen Augen sehen wollte, müßte jahrelange Reisen machen. Dennoch wird
und muß auch diese Aufgabe einmal gelöst werden; erst wenn sie gelöst sein
wird, werden wir Cranach kennen. Für weitere Kreise ist er bisher wirklich
nicht viel mehr als ein Name gewesen.

Da ist denn ein Werk mit Freuden zu begrüßen, das soeben im Verlage
von G. Grote in Berlin erschienen ist: Lucas Cranach. Sammlung von
Nachbildungen seiner vorzüglichsten Holzschnitte und seiner Stiche,
hergestellt in der Reichsdruckerei und herausgegeben von F. Lippmauu,
Direktor des königliche« Knpferstichkabinetts in Berlin. (Preis: 10» Mark.)
Dies Werk, ein stattlicher Großfolivband, enthält auf 56 Tafeln die Nach¬
bildungen von 61 Cranachschen Holzschnitten und Kupferstichen. Die meisten
davon sind ursprünglich, wie viele Holzschnitte und Kupferstiche Dürers, als
Eiuzelblätter erschienen; sie wurden an Wände nud Thüren genagelt und gingen
so leicht zu Grunde. Auch unsre größten Kupferstichfammlungen besitzen daher


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0291" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/221267"/>
          <fw type="header" place="top"> Lukas Lranachs Holzschnitte und Unpferstiche</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_913" prev="#ID_912"> konnte sich bei ihm ein Bildnis Luthers, ein Altarbild mit einer biblischen<lb/>
Szene, ein Bild zum Zimmerschmuck mit eiuer mythologischen Darstellung be¬<lb/>
stellen; man konnte ihm aber auch deu Anstrich eines Hauses, eiuer Mauer,<lb/>
eines Brunnens, eiuer Stube, eines Ofens, eines Gitters, die Bemalung und<lb/>
Vergoldung einer Vildschnitzerei, eines Fahnentuchs, eines Wappenschildes,<lb/>
eiuer Wetterfahne, eines Wagens, eines Schlittens, eines Sattels, eines Aus¬<lb/>
hängeschildes übertragen. Er beschäftigte eine Menge Gesellen, die in der¬<lb/>
selben Weise gelernt hatten und arbeiteten, wie er selbst gelernt hatte, als<lb/>
Handwerker, von denen sich aber die geschicktesten und tüchtigsten auch wieder<lb/>
zu Künstlern emporschwangen und ihn dann bei der Ausführung seiner zahl¬<lb/>
reichen Kunstaufträge unterstützten. Daneben betrieb er einen Handel mit<lb/>
Kunstblättern: er fertigte Kupferstiche und namentlich Holzschnitte und druckte<lb/>
sie auch selbst, und auch hierzu zog er sich mit der Zeit Gesellen heran; er<lb/>
hatte also, um es in unserm vornehmen heutigen Deutsch zu sagen, ein &#x201E;xylo¬<lb/>
graphisches Institut." Er brachte ferner die erste Apotheke Wittenbergs, die<lb/>
Dr. Martin Polias, der erste Rektor der Wittenberger Universität, bei der<lb/>
Gründung der Universität eingerichtet hatte, nach Polichs Tode (1513) in seinen<lb/>
Besitz und führte sie fort, ein Geschäft, das seiner Malerwerkstatt deshalb nicht<lb/>
ganz fern lag, weil die Apotheker damals auch deu Handel mit Farben besorgten.<lb/>
Und noch etwas: uuter seinen Gesellen tritt im Laufe der Zeit immer mehr<lb/>
sein eigner Sohn Lukas hervor &#x2014; in der Kunstgeschichte Lukas Cranach der<lb/>
Jüngere genannt; wenn er anch dem Vater an Begabung nachsteht, so eignet<lb/>
er sich doch dessen Kunstart völlig an. Aus diesem ganzen vielseitigen Kunst-,<lb/>
Handwerks- und Geschäftsbetrieb, worin so viele Hände thätig waren, ein<lb/>
scharfes und ungetrübtes Bild des Meisters selbst zu gewinnen, ist eine sehr<lb/>
schwierige Aufgabe. Mit seinem Namen wird eine ungeheure Masse von<lb/>
Werken in Verbindung gebracht, und sie sind weit zerstreut: wer sie alle mit<lb/>
eignen Augen sehen wollte, müßte jahrelange Reisen machen. Dennoch wird<lb/>
und muß auch diese Aufgabe einmal gelöst werden; erst wenn sie gelöst sein<lb/>
wird, werden wir Cranach kennen. Für weitere Kreise ist er bisher wirklich<lb/>
nicht viel mehr als ein Name gewesen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_914" next="#ID_915"> Da ist denn ein Werk mit Freuden zu begrüßen, das soeben im Verlage<lb/>
von G. Grote in Berlin erschienen ist: Lucas Cranach. Sammlung von<lb/>
Nachbildungen seiner vorzüglichsten Holzschnitte und seiner Stiche,<lb/>
hergestellt in der Reichsdruckerei und herausgegeben von F. Lippmauu,<lb/>
Direktor des königliche« Knpferstichkabinetts in Berlin. (Preis: 10» Mark.)<lb/>
Dies Werk, ein stattlicher Großfolivband, enthält auf 56 Tafeln die Nach¬<lb/>
bildungen von 61 Cranachschen Holzschnitten und Kupferstichen. Die meisten<lb/>
davon sind ursprünglich, wie viele Holzschnitte und Kupferstiche Dürers, als<lb/>
Eiuzelblätter erschienen; sie wurden an Wände nud Thüren genagelt und gingen<lb/>
so leicht zu Grunde. Auch unsre größten Kupferstichfammlungen besitzen daher</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0291] Lukas Lranachs Holzschnitte und Unpferstiche konnte sich bei ihm ein Bildnis Luthers, ein Altarbild mit einer biblischen Szene, ein Bild zum Zimmerschmuck mit eiuer mythologischen Darstellung be¬ stellen; man konnte ihm aber auch deu Anstrich eines Hauses, eiuer Mauer, eines Brunnens, eiuer Stube, eines Ofens, eines Gitters, die Bemalung und Vergoldung einer Vildschnitzerei, eines Fahnentuchs, eines Wappenschildes, eiuer Wetterfahne, eines Wagens, eines Schlittens, eines Sattels, eines Aus¬ hängeschildes übertragen. Er beschäftigte eine Menge Gesellen, die in der¬ selben Weise gelernt hatten und arbeiteten, wie er selbst gelernt hatte, als Handwerker, von denen sich aber die geschicktesten und tüchtigsten auch wieder zu Künstlern emporschwangen und ihn dann bei der Ausführung seiner zahl¬ reichen Kunstaufträge unterstützten. Daneben betrieb er einen Handel mit Kunstblättern: er fertigte Kupferstiche und namentlich Holzschnitte und druckte sie auch selbst, und auch hierzu zog er sich mit der Zeit Gesellen heran; er hatte also, um es in unserm vornehmen heutigen Deutsch zu sagen, ein „xylo¬ graphisches Institut." Er brachte ferner die erste Apotheke Wittenbergs, die Dr. Martin Polias, der erste Rektor der Wittenberger Universität, bei der Gründung der Universität eingerichtet hatte, nach Polichs Tode (1513) in seinen Besitz und führte sie fort, ein Geschäft, das seiner Malerwerkstatt deshalb nicht ganz fern lag, weil die Apotheker damals auch deu Handel mit Farben besorgten. Und noch etwas: uuter seinen Gesellen tritt im Laufe der Zeit immer mehr sein eigner Sohn Lukas hervor — in der Kunstgeschichte Lukas Cranach der Jüngere genannt; wenn er anch dem Vater an Begabung nachsteht, so eignet er sich doch dessen Kunstart völlig an. Aus diesem ganzen vielseitigen Kunst-, Handwerks- und Geschäftsbetrieb, worin so viele Hände thätig waren, ein scharfes und ungetrübtes Bild des Meisters selbst zu gewinnen, ist eine sehr schwierige Aufgabe. Mit seinem Namen wird eine ungeheure Masse von Werken in Verbindung gebracht, und sie sind weit zerstreut: wer sie alle mit eignen Augen sehen wollte, müßte jahrelange Reisen machen. Dennoch wird und muß auch diese Aufgabe einmal gelöst werden; erst wenn sie gelöst sein wird, werden wir Cranach kennen. Für weitere Kreise ist er bisher wirklich nicht viel mehr als ein Name gewesen. Da ist denn ein Werk mit Freuden zu begrüßen, das soeben im Verlage von G. Grote in Berlin erschienen ist: Lucas Cranach. Sammlung von Nachbildungen seiner vorzüglichsten Holzschnitte und seiner Stiche, hergestellt in der Reichsdruckerei und herausgegeben von F. Lippmauu, Direktor des königliche« Knpferstichkabinetts in Berlin. (Preis: 10» Mark.) Dies Werk, ein stattlicher Großfolivband, enthält auf 56 Tafeln die Nach¬ bildungen von 61 Cranachschen Holzschnitten und Kupferstichen. Die meisten davon sind ursprünglich, wie viele Holzschnitte und Kupferstiche Dürers, als Eiuzelblätter erschienen; sie wurden an Wände nud Thüren genagelt und gingen so leicht zu Grunde. Auch unsre größten Kupferstichfammlungen besitzen daher

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/291
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/291>, abgerufen am 01.07.2024.